Impressionen vom „Prager Herbst“ – Nachwuchs, Klassik, Innovation

Letzte Woche haben wir vorab die Höhepunkte des diesjährigen Musikfestivals „Prager Herbst“ präsentiert. Die Erwartungen des Publikums wurden nicht enttäuscht: Zwei hochkarätige Vorstellungen der Königlichen Philharmonie Liverpool hielten am Dienstag und Mittwoch den vollbesetzten Dvořák-Saal des Prager Rudolfinum in Atem.

So klingt Gegenwartskunst aus Liverpool. Der gefeierte Dirigent Vasily Petrenko stellte die Musik des Engländers Kenneth Hesketh dem Prager Publikum vor. Dessen Komposition „Graven Image“ eröffnete das Konzert am Mittwoch und wurde zugleich zum ersten Mal außerhalb Englands gespielt. Der vorherige Chefdirigent des Orchesters Libor Pešek sorgte ebenfalls für Austausch in der internationalen Musikszene: Er „exportierte“ nämlich tschechische Klassik ins Ausland.

„Die Tradition des Orchesters besteht in der Darbietung der tschechischen Musik, die Libor Pešek in Großbritannien bekannt gemacht hat. In der gestrigen Vorstellung konnte man sehr gut hören, mit welch großem Vergnügen das Orchester tschechische Musik spielt und dass es genau weiß, wie man diese Musik spielen muss.“, so der Nachfolger von Libor Pešek.

Mit seinen 32 Jahren ist der aus St. Petersburg stammende Vasily Petrenko der jüngste Chefdirigent in der 168-jährigen Geschichte der Königlichen Philharmonie – eines der ältesten Orchester der Welt. Der ein wenig wie ein Musterschüler wirkende Petrenko spreizt seine Musikerfinger und erzählt verblüffend souverän von den grundlegenden Veränderungen im Repertoire des Orchesters unter seiner Leitung:

Rudolfinum
„Es ist wichtig den Musikstil nicht nur eines Landes zu verstehen. Auch andere Stile müssen berücksichtigt werden. Man kann nicht Beethoven auf dieselbe Weise wie Tschaikowski spielen. Diese stilistische Vielfalt und die exakte Übertragung der unterschiedlichen emotionalen Informationen der Musik ans Publikum ist eine der wichtigsten Verbesserungen, die eingeführt wurden.“

Die Vielfalt wurde auch bei der Vorstellung buchstäblich zum Programm. Auf Kenneth Heskeths postmoderne Klänge folgte Beethovens Konzert Nr. 2 mit dem Virtuosen Paul Lewis am Klavier. Sergej Prokofjews bombastische Symphonie Nr. 5 entstand unter den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges. Sie rundete das international wie historisch vielseitige Programm ab. Technische Präzision und Vollkommenheit zeichneten die etwas steril anmutende Darbietung aus. Aber so wie Petrenko den Dirigentenstab schwang, wird sich bald zum maßgeschneiderten Perfektionismus auch die emotionale Ekstase hinzugesellen.

Autor: Olga Martin
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