"Inkompetent und populistisch": Babišs Ruf nach der Nato verärgert Koalitionspartner

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Er hat es wieder getan. Tschechiens Vizepremier Andrej Babiš sorgt mit markigen Sprüchen für internationale Schlagzeilen. Im Juli forderte er den sofortigen Grexit. Nun kam er mit dem Vorschlag, gegen die Flüchtlinge an den Grenzen der Europäischen Union Nato-Truppen einzusetzen. Die Reaktionen folgten prompt und waren vernichtend. Auch im Inland steht Babiš in der Kritik. Er würde Öl in die aufgeheizte Flüchtlingsdebatte gießen, so die Kritik seiner Regierungspartner in Prag.

Andrej Babiš  (Foto: ČT24)
Die Nato ist ein internationales Verteidigungsbündnis. Ihr Ziel: der Einsatz für Frieden und Freiheit und deren Verteidigung. Wie Tschechiens Vizepremier Andrej Babiš das auslegt, zeigte sich am Dienstag. Gegenüber Journalisten bezeichnete der Chef der wirtschaftsliberalen Ano-Partei Flüchtlinge als „größte Gefahr für Europa“. Nato-Truppen sollten gegen den Zustrom vorgehen. Ein Sprecher des Bündnisses erklärte tags darauf in Brüssel, man sei nicht zuständig. Für die von der Migration ausgelösten Probleme gebe es keine militärische Lösung. Widerspruch erntete Babiš auch in Tschechien. Christdemokrat Pavel Bělobrádek ist der Chef des kleinsten Koalitionspartners in der Mitte-Links-Regierung hierzulande:

„Ich denke, diese Meinung ist inkompetent, populistisch und irrational. Ich denke, vor einfachen Lösungen sollten wir uns hüten, insbesondere in einer Situation, in der es zu einer Faschisierung unserer Gesellschaft kommt.“

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Bělobrádek gehört zu einem von drei Ministern, die in der vergangenen Woche einen Appell der tschechischen Wissenschaftler gegen Xenophobie und für eine sachliche Debatte über Emigranten unterzeichnet haben. Dass sich die Ausländerfeindlichkeit vor allem gegen die in Tschechien nur spärlich anwesenden Flüchtlinge richtet, hat vor kurzem auch die NGO Social Watch festgestellt. Längst sind die Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Äußerungen wie die von Vize-Premier Babiš seien darum gefährlich, meint Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten):

„Jeder, der sich umsieht, jeder der liest, nicht nur im Internet sondern überall sonst, wo Menschen ihre Meinung äußern, wird feststellen, dass es diese Tendenzen zu einer Faschisierung gibt.“

Ein Beispiel aus dieser Woche: Die Zeitschrift Týden, die zu den seriösen Wochenmagazinen zählt, fragte auf ihrem Internetportal, ob die Tschechen Hitler wählen würden, wenn er „Europa von den Flüchtlingen befreit“. 60 Prozent stimmten mit Ja. Nach scharfen Protesten gegen die Fragestellung an sich, aber auch zahlreichen Hetzkommentaren nahm Týden die Umfrage aus dem Netz. Dazu Pavel Bělobrádek:

Pavel Bělobrádek  (Foto: ČTK)
„Die Menschen rufen also tatsächlich nach einer harten Hand und verlangen nach einer Person wie Hitler oder Stalin, die die Sache in Ordnung bringt. Das ist schon insofern unglaublich, als die große Mehrheit der Bevölkerung niemals einen Flüchtling in der Tschechischen Republik gesehen hat. Die Forderungen, die da laut werden, nach einer Verminung unserer Grenzen, der Errichtung von Stacheldrahtzäunen, die Zerstörung von Schiffen mitsamt der Flüchtlinge, sind einfach schrecklich.“

Um gegenzusteuern bräuchte es klare Worte von ganz oben, meint Bělobrádek und verwies auf das Beispiel Deutschland. In Tschechien allerdings stieß Staatspräsident Miloš Zeman am Dienstag ins gleiche Horn wie Babiš. Er erneuerte seine Forderung nach einer gemeinsamen EU-Armee zur Abwehr illegaler Emigranten an den Außengrenzen. Das Angebot Tschechiens, Italien und Griechenland mit Militärtruppen an den Grenzen zu unterstützen, sei nicht in Betracht gezogen worden.

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Kommentator Petr Fischer von der Zeitung Hospodářské noviny sieht in Babišs und Zemans Vorstößen ein Symptom für die tschechische Wahrnehmung der EU: ein Superstaat mit der Hauptaufgabe, die Außengrenzen zu schützen. Die hysterische Angst und der Ruf nach Abschottung, die sich nun in Tschechien, Polen, der Slowakei und auch in Deutschlands Osten zeigten, beweisen für den Journalisten, dass der frühere Ostblock längst nicht mehr das neue Europa darstellt, zu dem es einst der amerikanische Ex-Außenminister Donald Rumsfeld erklärt hat. Das sogenannte Alte Europa sei den globalen Herausforderungen der Gegenwart besser gewachsen.