Wie viele Flüchtlinge verträgt Tschechien? Minister bringt neue Zahlen ins Spiel

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Immer weiter spitzt sich die Flüchtlingskrise in Europa zu. Nun hat Ungarn seinen Grenzzaun dicht gemacht, die Polizei geht dort mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Menschen vor, die trotzdem versuchen, in das EU-Land zu kommen. Währenddessen hat in Prag der Minister für Menschenrechte und Gleichstellung, Jiří Dienstbier, vorgeschlagen, dass Tschechien deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte als bisher geplant. Vor allem Innenminister Milan Chovanec reagierte scharf ablehnend.

Jiří Dienstbier  (Foto: ČTK)
Es sind Zahlen, die bisher von einem Regierungsmitglied aus Tschechien nicht zu hören waren. Bei einer Pressekonferenz sagte Sozialdemokrat Jiří Dienstbier am Mittwoch:

„Zurzeit wären wir in Kooperation mit den Industriebetrieben in der Lage, vielleicht 7000 bis 15.000 Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. Ich glaube, das ist zu bewältigen.“

In einer Fernseh-Diskussionsrunde führte der Minister für Menschenrechte und Gleichstellung am Abend seine Gedanken weiter aus:

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„Da wir verbindliche Quoten ablehnen, müssen wir ein seriöses Hilfsangebot machen und uns in Europa solidarisch verhalten.“

Dienstbier sieht seinen Vorschlag auch als eine Reaktion auf die Äußerungen von Wirtschaftskräften. Diese hatten in den vergangenen Tagen mehrfach gesagt, die Unternehmen im Land seien praktisch sofort in der Lage, rund 5000 Flüchtlingen Arbeit anzubieten. 1500 Migranten – das war bisher das Angebot aus Prag an Europa gewesen.

Doch vor allem bei Innenminister Milan Chovanec schrillen die Alarmglocken. Zunächst probierte er es ironisch. Ob denn Jiří Dienstbier eine so große Wohnung habe, um die ganzen Flüchtlinge aufzunehmen, ätzte der Parteikollege. Chovanec sprach von einer „Privatinitiative“ seines Kabinettskollegen. Dann warnte er davor, dass falsche Hoffnungen geschürt würden. Aber auch vonseiten der Koalitionspartner kam Kritik. Andrej Babiš, Vorsitzender der Partei Ano:

Andrej Babiš  (Foto: ČTK)
„In der Debatte in der EU geht es nicht darum, wie viele Menschen wir aufnehmen. Natürlich können wir sie aufnehmen. Es muss endlich ein Gipfeltreffen zur Migrationspolitik geben. Doch die großen EU-Länder wollen das wahrscheinlich nicht, weil es ohne unsere Zustimmung keine Entscheidung geben wird. Also spielt sich alles bei den jeweiligen Ministertreffen ab.“

Die Angst vor dem Scheitern eines Gipfels ist groß, denn die mittelosteuropäischen Länder leisten weiter erbittert Widerstand gegen verbindliche Quoten. Und wie Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) in einer Stellungnahme am Mittwoch behauptete, stehe in Brüssel nicht mehr nur eine einmalige Verteilung von Flüchtlingen zur Diskussion. Vielmehr werde ein dauerhaftes Verteilungssystem erwogen, das Tschechien aber weiter ablehne.

Šimon Pánek  (Foto: Matěj Pálka,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Verwundert über solche Reaktionen zeigten sich Menschenrechtsorganisationen. Šimon Pánek leitet Člověk v tísni (Mensch in Not). Er diagnostiziert vor allem übertriebene Ängste seiner Landsleute. Auch die tschechische Gesellschaft müsse fähig sein, Menschen aus muslimischen Ländern zu integrieren, wie dies Deutschland, Österreich oder Dänemark getan hätten, sagte er im Tschechischen Fernsehen.