Innehalten und über globale Fragen nachdenken: Forum 2000 in Prag (15. -17. 10. 2003)
Hin und wieder, so sagte Ex-Präsident Vaclav Havel sinngemäß auf einer der Begleitveranstaltungen des diesjährigen "Forums 2000", sei es in der heutigen zunehmend globalisierten und von Konsumrausch geprägten Welt notwendig, innezuhalten und sich über Grund legende Fragen globalen Ausmaßes Gedanken zu machen. Eben solche Fragen stehen seit seiner Gründung vor sieben Jahren im Mittelpunkt des "Forums 2000". Seitdem es im vergangenen Jahr erstmals in kleinerem Rahmen und mit weniger Prominenz abgehalten wird, haben sich die Diskussionen nach Meinung von Teilnehmern und Beobachtern vertieft. Silja Schultheis fasst einige ihrer wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Ein generelles Fazit scheint angesichts der Fülle der diskutierten Problemfelder unmöglich, es ergibt sich eher als Mosaik aus den verschiedenen Statements der Teilnehmer. So kritisierte die US-amerikanische Ex-Außenministerin Madeleine Albright Präsident George Bush dafür, dass er das Klima-Protokoll von Kijoto nicht unterzeichnet habe, EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler sprach sich dafür aus, die Globalisierung nicht generell zu verdammen, sondern ihre positiven Züge zu stärken; die Verantwortung hierfür liegt seiner Meinung nach vor allem bei den Industrienationen.
Ein ganz konkretes Ergebnis des Forums war ein Appell der Teilnehmer an die Europäische Union, ein neues Treffen der Welthandelsorganisation zu organisieren, deren jüngste Konferenz in Mexiko gescheitert war. Auf einer der Begleitveranstaltungen des Forums 2000 wurde über die Entwicklung im Irak diskutiert und u.a. die Frage aufgeworfen, ob die Transformations-Erfahrungen der postkommunistischen Länder auf die Erneuerung des Irak übertragbar sind.Mit einem eindeutigen Ja beantworteten diese Frage die tschechische Botschafterin in Kuwait, Jana Hybaskova, und Marek Stys von der gemeinnützigen Organisation "Mensch in Not". Beide beriefen sich dabei auf ihre eigenen Erfahrungen der letzten Monate. Marek Stys:
"Ich würde sagen, dass unsere Erfahrungen zu 100% übertragbar sind. Das bestätigt mir der tägliche Kontakt mit unseren etwa 30 Leuten, die im Südirak tätig sind, v.a. Ingenieure und Ärzte. Wir beraten uns mit ihnen über Themen, mit denen wir uns in Tschechien vor 10 Jahren auseinandergesetzt haben, es ist eine genaue Wiederholung unserer damaligen Situation - allen kulturellen und historischen Unterschieden zum Trotz. Es ist interessant: Jetzt befinden wir uns plötzlich nicht mehr in der Position derer, denen geholfen wird, sondern derer, die - in Anführungsstrichen - helfen, denn natürlich assistieren wir eher."
Jana Hybaskova ergänzte dazu einige konkrete Bereiche, in denen Tschechien mit seinen postkommunistischen Erfahrungen im Irak helfen könnte und bereits hilft, etwa bei der Umbildung des Gerichtswesens und der Gesetzgebung, bei der Transformation des Schulwesens und vor allem beim Aufbau des nicht-staatlichen Sektors. Hier habe auch Tschechien im Jahr 1990 bei Null begonnen. Entscheidend, so Hybasova, sei jetzt die Frage, ob der Irak ein islamischer Staat werde oder - wie die Mehrheit der Bevölkerung es wolle - säkularisiert.
Abschließend noch ein Blick auf die Besucher des diesjährigen Forums, unter denen sich übrigens auffällig viel jüngere Menschen befanden. In einer Umfrage bezeichneten sie als das größte Problem der heutigen Welt die Besessenheit von kurzfristigen Interessen und die Unfähigkeit, gemeinsame Interessen zu erkennen. Da hilft nur eins, resümierte Moderator Jan Urban: Weiter miteinander reden - etwa auf dem nächsten "Forum 2000" in einem Jahr.