Gemeinsame Zukunft in der EU: Das „Forum für die Ukraine“ in Prag

Seit 1997 findet in Prag alljährlich das „Forum 2000“ statt – eine hochkarätig besetzte Konferenz für Demokratie und Menschenrechte. Am Mittwoch galt der erste der drei diesjährigen Konferenztage ganz dem Krieg in der Ukraine.

Immer sei die Konferenz „Forum 2000“ besonders. In diesem Jahr aber sei sie einzigartig, denn sie finde in Kriegszeiten statt. So leitete Jakub Klepal, geschäftsführender Direktor der gleichnamigen Stiftung, den aktuellen Jahrgang am Mittwochnachmittag ein. Und auch der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) gab sich in seiner Auftaktrede ungewohnt leidenschaftlich:

„Russland wirft uns um Jahrzehnte zurück – in die Sprache des Kalten Kriegs und in eine geteilte Welt, deren Sphären durch Supermächte kontrolliert werden. Solch eine Welt wollen wir nicht. Vor allem, wenn die Aufteilung nicht auf gegenseitiger Absprache basiert, sondern auf Erpressung, Missbrauch und militärischer Gewalt.“

Russlands Invasion sei ein Wendepunkt für die Welt, ähnlich wie es der 11. September 2001 war, fügte der Premier an. Und so wurde der gesamte erste Tag der dreitägigen Konferenz auch als „Forum für die Ukraine“ betitelt. Neben Fiala traten im ersten Abschnitt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (per Videoschalte) sowie der US-amerikanische Politologe Francis Fukuyama auf.

Präsident Wolodymyr Selenskyj | Foto: Tschechisches Fernsehen

Der zweite Programmpunkt war überschrieben mit „Die Ukraine und die Visionen für einen Erfolg“. Durch die Podiumsdiskussion führte der tschechische Außenminister Jan Lipavský (Piraten), die Gäste waren seine Amtskolleg*innen Dmytro Kuleba aus der Ukraine, Annalena Baerbock aus Deutschland, Zbigniew Rau aus Polen sowie Wopke Hoekstra aus den Niederlanden. Zu Beginn sagte Lipavský:

„Diese Konferenz hat eine Vision, und das ist der Weg der Ukraine in die EU. Wir wissen, dass dies nicht einfach wird oder über Nacht passiert. Es kann Jahre dauern.“

Sobald aber eine politische Übereinkunft gefunden werde, sei die Aufnahme nur noch eine Sache der Umsetzung, ergänzte Lipavský. An Kuleba wandte er sich dann mit der Frage, wann die Ukraine denn den Krieg gewinnen werde. Der Angesprochene wollte dazu keine genaue Prognose abgeben, ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass der Konflikt mit einem Sieg für sein Land enden würde. Und bekräftigte, dass dafür so lange wie nötig gekämpft werde. Mit Blick auf die Unterstützung aus Europa mahnte Kuleba:

„Auf unserem Weg zum Sieg werden wir dauernd vor schwierige Entscheidungen gestellt. Und immer ist es verlockend, halbseidene Maßnahmen zu ergreifen, um die Balance zu halten. Aber die traurige Wahrheit ist, dass die Zeit des Friedens in Europa vorbei ist und damit auch die Zeit der halbseidenen Maßnahmen. Wir müssen entschlossen und engagiert handeln, und ja, wir müssen hart sein. Aber nur so gewinnt man Kriege.“

Als eine solche halbseidene Maßnahme bezeichnete Kuleba den Beschluss der EU-Außenminister vom selben Tag. Als weitere Sanktion gegen Russland wurde nämlich bei ihrem Treffen in Prag entschieden, dass keine vereinfachten Einreisevisa mehr an Touristen aus Russland ausgestellt werden. Damit werden die Verträge ausgesetzt, die Russland eine solche Ausnahmeregelung garantierten, die sonst nur für den Schengen-Raum gilt. Stattdessen unterliegen Russ*innen nun denselben strengen Regeln wie die Bürger der meisten Drittstaaten. Vor die Wahl gestellt, würde er lieber auf eine solche Halbmaßnahme verzichten und abwarten, bis echte Maßnahmen beschlossen werden können, fügte Kuleba an.

Annalena Baerbock verteidigte daraufhin das Vorgehen der EU. Man müsse ehrlich sein und den Gedanken zulassen, dass der Krieg in der Ukraine noch länger dauern könnte:

Václav Havel | Foto: Forum 2000

„Jedes Sanktionspaket muss so vorbereitet sein, dass es auch noch in den möglichen kommenden beiden Kriegsjahren Bestand haben kann. Falls es in zwei Jahren keine Notwendigkeit mehr dafür gibt, wäre das toll. Aber wenn die Sanktionen weiter nötig sind, dann müssen sie standhalten, so lange die Ukraine uns braucht.“

Darüber, dass ihre Länder die Ukraine so lange unterstützen werden, wie der Krieg dauert, herrschte bei allen Teilnehmer*innen auf dem Podium Einigkeit. Ebenso wurde wiederholt die gemeinsame Zukunft in der EU beschworen.

Die Konferenz „Forum 2000“ wird noch bis Freitag fortgeführt. Eine Podiumsdiskussion wird sich auch mit dem Erbe der kürzlich verstorbenen Madeleine Albright beschäftigen. Die ehemalige US-Außenministerin war zuletzt 2020 selbst Gast bei dem Symposium in Prag. Zudem pflegte sie eine enge Freundschaft zu Václav Havel, der die Konferenz einst mit dem japanischen Philanthropen Yohei Sasakawa und dem Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel ins Leben gerufen hatte.

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