Havel will "moralisches Mindestmaß" im Völkerrecht verankert wissen
"Die Dilemmata des globalen Zusammenlebens" heißt das Motto des internationalen Intellektuellen-Treffens "Forum 2000", das seit Sonntag in Prag stattfindet. Mehr als 50 Teilnehmer haben sich zur 10. Auflage des einst von Ex-Präsident Vaclav Havel und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel initiierten Dialogs in der Moldaustadt eingefunden, um diesmal bis Dienstagabend über Globalisierungsfragen zu diskutieren. Hier ein kleiner Eindruck vom ersten Konferenztag.
"Die Frage Nummer eins, die ich auf diesem Treffen gern stellen würde, ist die: Besteht die Möglichkeit, ein moralisches Mindestmaß zu artikulieren? Besteht die Hoffnung, dass man ein solches verbindlich in das Völkerrecht aufnehmen und es in absehbarer Zeit auch auf repräsentativem Boden präsentieren kann? Zum Beispiel auf dem Boden der Vereinten Nationen? Und: Könnte uns ein solches Dokument etwas weiter führen als die Charta der Menschenrechte? Die Frage also lautet: Lässt sich im 21. Jahrhundert ein solches Mindestmaß formulieren, und hätte es die Chance auf einen reellen Erfolg? Das ist eine Frage, die ich in diese Debatte werfe."
Havels Frage stieß wie erwartet auf einen fruchtbaren Nährboden. Der jordanische Prinz El Hassan bin Talal und die irische Ex-Präsidentin Mary Robinson sprachen sich sogar für ein moralisches Maximum aus. Einfach deshalb, so der jordanische Prinz, um sich am Ende aller Debatten und Kompromisse wenigstens noch über ein moralisches Mindestmaß verständigen zu können. In den Bestrebungen, den Andersdenkenden und mit einer anderen Religion aufwachsenden Mitmenschen besser zu verstehen, sei zukünftig auch ein Mindestmaß an Bildung über außerkontinentale Kulturen und Religionen notwendig, meint der ehemalige polnische Außenminister Bronislaw Geremek. Der heutige Europa-Abgeordnete präzisierte seinen Gedanken so:"Wenn es uns gelingen würde, dass in religiösen muslimischen Schulen unterrichtet würde, was das Christentum und das Evangelium sind, und wenn man andererseits an unseren Schulen lehren würde, was im Koran geschrieben steht, dann würde man erfahren, dass dies kein Buch ist, das zum heiligen Krieg aufruft. Genauso, wie das Evangelium nie dazu aufgerufen hat, die Kreuzzüge durchzuführen. Die Bildung ist die beste Art und Weise, um den religiösen Dialog zu verbessern."