Jahrestag der Machtergreifung von 1948: Orthodoxe Kommunisten preisen das frühere Regime

Klement Gottwald

Verbieten oder nicht verbieten? Mit der Frage, ob die tschechische kommunistische Partei behördlich aufgelöst werden soll oder nicht, befasst sich die tschechische Gesellschaft schon seit gut 20 Jahren. Alljährlich rund um den Jahrestag der kommunistischen Machtergreifung vom 25. Februar 1948 tritt das Thema immer wieder in den Vordergrund.

Klement Gottwald am 25. Februar 1948
Viele Tschechen staunten nicht schlecht, als sie am Jahrestag der kommunistischen Machtergreifung vom 25. Februar 1948 in den Medien über eine Gedenkveranstaltung der Prager Kommunisten am Grab des kommunistischen Parteichefs Klement Gottwald hörten. Die Vorsitzende der Prager Kommunisten, Marta Semelová, die Geschichtslehrerin von Beruf ist, pries in ihrer Rede vor Gottwalds Grab die Vorzüge des kommunistischen Systems. Die Epoche, die mit dem Umsturz vom Februar 1948 begann, bezeichnete die Politikerin wörtlich als die erfolgreichste Phase in der Geschichte des Landes.

Der Kommunist Gottwald stand im Februar 1948 einer Allparteien-Regierung vor, setzte sich über den damaligen Rücktritt der bürgerlichen Regierungsmitglieder hinweg und verkündete am 25. Februar 1948 seinen versammelten Anhängern auf dem Altstädter Ring in Prag seinen Sieg im innenpolitischen Machtkampf.

Dass sich der orthodoxe Flügel der heutigen tschechischen Kommunisten in letzter Zeit immer stärker zu Wort meldet, ist sicher kein Zufall. Zum einen wird seit Monaten eine Debatte um die rechtliche und politische Anerkennung des antikommunistischen Widerstands geführt. Dazu hatte sich die gegenwärtige bürgerliche Regierung in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet.

Klement Gottwald
Zum anderen steht wieder einmal ein Verbot der Nachfolgepartei der früheren Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, der heutigen Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens zur Diskussion. Im Innenministerium, in dessen Zuständigkeitsbereich auch die Zulassung von politischen Gruppierungen gehört, wird gerade umfangreich überprüft, ob die heutige kommunistische Partei eine Gefahr für das Verfassungssystem Tschechiens darstellt. Schon vor einigen Jahren wurde zum Beispiel der stalinistisch ausgerichtete Kommunistische Jugendverband von den Behörden offiziell aufgelöst.

Auch bei der Gottwald-Gedenkveranstaltung wehten übrigens Fahnen des verbotenen Jugendverbands. Nach differenzierten Stimmen innerhalb der gegenwärtigen Führung der Prager Kommunisten sucht man vergebens, wie ein Interview mit dem stellvertretenden Stadtparteichef Petr Šimůnek zeigte. Gegenüber dem Inlandsprogramm des Tschechischen Rundfunks meinte Šimůnek zu den Aussagen von Marta Semelová:

Marta Semelová  (Foto: ČTK)
„Wenn Marta Semelová sagt, dass das eine Epoche war, in der die Wirtschaft gewachsen ist inklusive der sozialen Sicherheiten für die Menschen, dann trifft dies sicher zu.“

Aber nicht nur die Kommunisten haben den Jahrestag der Machtergreifung Gottwalds begangen. Zu den zahlreichen Veranstaltungen gehörte auch ein Gedenkmarsch in Anlehnung an den Marsch der Prager Studenten vom Februar 1948. Sie begaben sich damals in Richtung Prager Burg und wollten Präsident Edvard Beneš aufrufen, dem Druck Gottwalds nicht nachzugeben. Die Studenten wurden jedoch von den kommunistisch kontrollierten Sicherheitskräften auseinandergetrieben. Zu den Mitinitiatoren des Gedenkmarsches gehörte der stellvertretende Vorsitzende des Senats, Přemysl Sobotka, von der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS). Auf die Frage, was er von der Glorifizierung Gottwalds durch die Prager Kommunisten hält, zeigt er sich fassungslos:

Přemysl Sobotka  (Foto: Kristýna Maková)
„Für mich ist das eine schockierende Information und ich weiß nicht, wo Marta Semelová diese Worte her hat. Vor allem da sie sich auf historische Begebenheiten beruft. Ich glaube, dass wir gegenwärtig genügend Beweise dafür haben, was sich in den 40 Jahren Kommunismus hierzulande nicht nur wirtschaftlich abgespielt hat, sondern wie viele Menschenleben und Biographien zerstört wurden. Hunderttausende Menschen waren betroffen. Dies als erfolgreichste Epoche in der tschechoslowakischen Geschichte zu bezeichnen, ist in meinen Augen etwas Schreckliches. Alle betroffenen Menschen, die das gehört haben, müssen sich die Frage stellen, ob Frau Semelová Geschichte unterrichten darf.“



Gerade als Přemysl Sobotka in den vergangenen Jahren Chef der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments war, hatte es in seinem Haus mehrere Vorstöße gegeben, die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens zu verbieten. Obwohl er diese Initiativen an sich unterstützen würde, sei er Realist, sagt Sobotka. Es sei heute sehr schwierig, wie er gegenüber dem tschechischen Rundfunk erklärte:

„Das hat einen großen Haken. Im Jahr 1990 hätte es die Möglichkeit gegeben, die kommunistische Partei als verbrecherische Vereinigung zu verbieten. Heute werden die Kommunisten wahrscheinlich alles unternehmen, um ein Verbot zu verhindern, einschließlich einer Anrufung europäischer Gerichte. Leider passiert es oft, dass unsere westlichen Kollegen, die die Situation bei uns nicht kennen, glauben, die tschechischen Kommunisten seien normal und seien vergleichbar mit den französischen oder den italienischen.“

Jan Hartl
Die Haltung des Politikers Sobotka scheint mit der Mehrheitsmeinung der tschechischen Bevölkerung überein zu stimmen, wie der Soziologe Jan Hartl vom Meinungsforschungsinstitut Stem im Tschechischen Rundfunk erklärte:

„Mehr als 20 Jahre nach der Wende gibt es eine Gruppe von ungefähr 30 Prozent, die das Gefühl hat, dass mit den Kommunisten alles in bester Ordnung ist und dass es sich um eine normale Partei handelt, die ihren festen Platz in der politischen Landschaft hat. Bei den anderen Gruppen ist das komplizierter. Bei unseren Erhebungen sehen wir, dass der Anteil jener Menschen, die in Anbetracht der vergangenen 20 Jahre eine radikale Lösung in Form eines Verbots der Kommunisten fordern, sich um die 20 Prozent bewegt. Entscheidend ist aber eine andere gesellschaftliche Gruppe – und zwar handelt es sich um Menschen, die zögern, auch wenn sie tendenziell antikommunistisch eingestellt sind. Diese sind der Meinung, dass ein Verbot nicht mehr möglich ist und man den Kommunisten im Gegenteil keinen Anlass für ihre radikale und populistische Politik geben sollte, die dann alle Unzufriedenen anziehen könnte.“

Dennoch sei, so Hartl, in letzter Zeit eine interessante Entwicklung zu verzeichnen:

„Man kann eine gewisse Tendenz beobachten und zwar, dass mit der Zeit der Anteil jener Menschen steigt, die glauben, dass ein Verbot der Kommunistischen Partei passé wäre. Und eine wachsende Gruppe meint auch, man sollte die Kommunisten an der Macht beteiligen, damit sich zeigt, dass ihre Rezepte keine Lösungen bringen und die Partei bei der Übernahme von realer politischer Verantwortung scheitert.“