Jícha: Will als Profi auch mit der Nationalmannschaft Erfolge haben

Filip Jícha (Foto: www.filip-jicha.com)

Bei der Handball-Europameisterschaft der Männer, die derzeit in Österreich stattfindet, konnte das tschechische Team bisher noch keine Bäume ausreißen: dem klaren 25:37 gegen Spanien folgte am Mittwoch in der Gruppe D ein knappes 20:21 gegen Olympiasieger und Weltmeister Frankreich. Trotz der beiden Niederlagen, zumindest ein Akteur der Tschechen wusste bei jeder Partie in der Wiener Neustadt zu überzeugen: der 27-jährige Rückraumspieler Filip Jícha, der ansonsten beim deutschen Serienmeister THW Kiel unter Vertrag steht. Kurz vor Beginn der EM hatte Lothar Martin die Gelegenheit, mit dem Bundesligastar zu sprechen.

Filip Jícha  (Foto: www.filip-jicha.com)
Herr Jícha, als echter Profisportler möchte man ja immer hoch hinaus. Deswegen meine Frage: Warum muss man dafür in der Bundesliga spielen?

Jícha (lacht): „Ich spiele in Kiel und ich bin dort sehr zufrieden. Mein Jugendtraum ist somit in Erfüllung gegangen. Auf Vereinsniveau ist es also für mich ganz gut, dass ich dort spiele, aber was man als Profisportler auch erreichen möchte, ist ein Erfolgserlebnis mit der Nationalmannschaft. Das muss ich ganz klar so sagen. Jetzt kommt auf uns ein sehr großes Sportereignis in Österreich zu, und da sehe ich ganz optimistisch für uns die Chance, dass wir die Hauptrunde erreichen können. Das muss auch unser Ziel sein, und dafür haben wir in der Vorbereitung auch drei Wochen hart gearbeitet. Ich bin ich wirklich sehr optimistisch, das wir es schaffen.“

Warum sind Sie so optimistisch, dass es diesmal besser laufen könnte als in den letzten Jahren?

Jícha: „Weil wir unser System ein bisschen geändert haben. Wir konzentrieren uns jetzt auf die wichtigen Sachen. Früher haben wir nicht immer richtig zugehört, und wir haben auch das Potenzial jedes einzelnen Spielers nicht sehr gut ausgenutzt. In der jetzigen Situation versuchen wir, mehr darüber zu diskutieren. Dabei hat nicht nur der Trainer das Sagen, sondern wir alle können das beeinflussen. Alle großen beziehungsweise erfolgreichen Mannschaften haben das vor uns bereits praktiziert. Zum Beispiel die Schweden, die in den 90er Jahren überragend waren. Die Spielvorbereitung und die Taktik hat damals bei ihnen weniger der Trainer, sondern vielmehr das ganze Team gelenkt.“

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„Von anderen lernen“, das ist eine Devise, um wieder voran zu kommen. Aber was glauben Sie, wann ist Tschechien wieder in der Lage, ganz oben mitzuhalten? Immer fehlt noch etwas, vor allem in den letzten Minuten gehen noch (zu) viele Spiele verloren. Ist das eine Frage der Psyche, bei der die Tschechen schon immer etwas labil gewesen sind, oder seid ihr auch in diesem Bereich auf einem guten Weg?

Jícha: „Auf jeden Fall, denn früher haben wir darauf einfach zu wenig Wert gelegt. Früher haben wir zwar auch eine Vorbereitung absolviert und hart trainiert, aber im Hinterkopf haben wir uns so gut wie nicht mit dem bevorstehenden Ereignis beschäftigt. Jetzt haben wir jeden Tag darüber gesprochen. Jeden einzelnen Tag, an dem wir zusammen waren, haben wir gesagt: Gegen Spanien fängt das Turnier an und dann muss unsere ganze Konzentration da sein. Und zwar nicht nur für 30, 40 Minuten, sondern für die ganze EM. Das war bisher nicht so.“

Welchen Einfluss hat der Trainer auf das neue Denken, das ihr in der Nationalmannschaft habt?

Jícha: „Natürlich muss der Trainer zunächst ein guter Psychologe sein. Er kann mit uns nicht wie ein Clubtrainer zehn, elf Monate zusammenarbeiten, sondern er muss das System, das wir spielen wollen, mit uns in 14 Tagen hinkriegen. Ich glaube, das macht Martin Lipták ganz gut und er genießt zudem auch den natürlichen Respekt von uns Spielern. In der Mannschaft haben wir eine ganz gute Hierarchie ebenso wie eine gute Chemie. Unter uns Spielern stimmt es einfach, doch das Gleiche kann man wohl auch von der Führungsebene sagen. Kurzum: Im engen Mannschaftskreis einschließlich der Leute um uns herum, da funktioniert alles.“

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Es wird allgemein gesagt, dass eine EM ein schwereres Turnier ist als eine WM. Und zwar deshalb, weil es keine Exoten und folglich auch keine schwachen Gegner gibt, oder?

Jícha: „Das stimmt, es gibt bei einer EM in der Tat keine schwachen Gegner. Das gesamte Turnier ist zudem ein echter Härtetest. Es wird innerhalb von nur zwölf Tagen ausgetragen. Das heißt, die Spitzenmannschaften, die das Turnier gewinnen wollen, müssen binnen zwölf Tagen acht schwere Spiele bestreiten. Das ist schon Wahnsinn, ja fast schon unmenschlich! Als eine Mannschaft, die vielleicht nur sechs, sieben oder acht gute Leute hat, kann man das gar nicht schaffen. Oder es müsste ein Wunder passieren. Daher sind Teams wie Frankreich, die 14 bis 16 Weltklasseleute in ihren Reihen haben, auch die ganz großen Favoriten des EM-Turniers. Solche Teams sind Spitze, weil sie ihre Kräfte gut verteilen können.“

Ein hartes Turnier also, deshalb braucht man auch etwas Unterstützung. Freuen Sie sich deshalb vielleicht darüber, dass die EM im benachbarten Österreich stattfindet? So können doch relativ viele Tschechen zu den Spielen kommen, um euch anzufeuern?

„Auf jeden Fall! Es ist stets etwas besonderes, wenn man wie ich in Kiel auf Vereinsniveau immer vor 10.000 Zuschauern in einer unglaublichen Atmosphäre spielt. Das ist schön. Wenn man dann aber nach Hause kommt und für die Nationalmannschaft spielt, dann kommen zumeist ´nur´ 3000 Tschechen. Das ist natürlich etwas ganz anderes, da kommen dann auch ganz andere Gefühle hoch. Man freut sich aber, dass jetzt solch ein Großereignis wie die EM in Österreich stattfindet. Und dass wir in der Wiener Neustadt spielen, ist umso besser. Ich freue mich persönlich sehr auf dieses Event.“


In den Spielen gegen Spanien und Frankreich hatte Tschechiens Handball-Star Filip Jícha allerdings noch keinen Grund zur Freude. Beide Partien wurden – wie bereits erwähnt – verloren. In ihrem dritten Gruppenspiel trifft die tschechische Mannschaft nun am Freitag in der Wiener Neustadt auf die Auswahl Ungarns. Und nur bei einem Sieg kommen Jícha & Co. in die nächste Runde.

Autor: Lothar Martin
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