Handball-WM: Tschechisches Team stellt sich wegen Corona von selbst auf
Ab Mittwoch findet in Ägypten das erste sportliche Highlight des neuen Jahres statt: die Handball-Weltmeisterschaft der Männer. An ihr nimmt auch die tschechische Nationalmannschaft teil. Doch über den Sinn und die Qualität eines solch großen Turniers in Corona-Zeiten scheiden sich schon lange vor dem ersten Anpfiff die Geister. Die Unwägbarkeiten des Virus bekamen auch schon die Tschechen zu spüren.
Die Handball-Weltmeisterschaft der Männer wird zum dritten Mal in Afrika ausgetragen. Es ist die zweite WM in Ägypten und die erste mit 32 anstatt 24 Teilnehmern. Doch gerade die Aufblähung des Turniers mit dem Mammutprogramm von insgesamt 108 WM-Spielen sorgt in der aktuellen epidemiologischen Lage für Sorgenfalten. Denn dies stellt unter anderem hohe Anforderungen an eine reibungslose Logistik, wenn die sogenannte Blase funktionieren soll. Schließlich liegen die Hotels, in denen die 32 Mannschaften in den vier Turnier-Orten untergebracht sind, nicht direkt neben der jeweiligen Spielstätte. Das erschwert die Einhaltung eines strikten Hygienekonzepts.
Deshalb kamen schon im Vorfeld der WM in mehreren Ländern gewisse Zweifel auf, ob ausgerechnet zu Corona-Zeiten eine Meisterschaft dieser Größenordnung abgehalten werden sollte. Besonders stark sind die Vorbehalte in Deutschland. Eine Reihe von Top-Spielern erteilte Bundestrainer Alfred Gislason eine Absage. Die Mehrzahl von ihnen begründete dies damit, dass in dieser schwierigen Lage die Familie für sie an erster Stelle stehe.
Ganz andere Sorgen gibt es bei der tschechischen Mannschaft. Am zweiten Tag des neuen Jahres wurden die Nationaltrainer Jan Filip und Daniel Kubeš positiv auf das Coronavirus getestet. Daraufhin mussten sich beide in Quarantäne begeben. Daniel Kubeš:
„Dass wir nicht beim Team sein können, ist eine höchst sonderbare Situation. Auf der anderen Seite ist uns schon kurz nach dem Beginn der Pandemie klar geworden, dass man in dieser ungewöhnlichen Lage auf alles vorbereitet und äußerst flexibel sein muss.“
Aus diesem Grund hatten Filip und Kubeš vor ihrer Infektion einen sehr breiten Kader für ein dreitägiges Trainingscamp im mährischen Zubří nominiert. Unter ihnen waren auch einige hoffnungsvolle Talente, bestätigte Kubeš:
„Wir haben wirklich viele junge Spieler berücksichtigt. Einige von ihnen haben auch große Chancen, zum Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Ägypten zu gehören.“
Einer dieser Spieler ist der Torwart des Extraligisten HC Robe Zubří, Šimon Mizera:
„Im erweiterten Kader zu sein, motiviert mich sehr. Ansonsten versuche ich aber, das ganze Drumherum auszublenden. Ich haue mich mit vollem Einsatz rein, um meine Chance wahrzunehmen. Danach wird man sehen, was kommt.“
Nach der Saison 2018/19 wurde Mizera im tschechischen Handball zum Talent des Jahres gekürt, zwei Tage vor Silvester feierte er seinen 20. Geburtstag. Im Gegensatz zu anderen Junioren hatte Mizera schon vorher im Kreis der Nationalmannschaft mittrainiert. Ein völliger Neuling aber ist der erst 19-jährige Jaroslav Trkovský aus Lovosice. Er ist das Talent des Jahres aus der vergangenen Saison:
„Ich denke überhaupt nicht darüber nach, dass ich zur WM fahren könnte. Die Trainer sagen aber natürlich, dass jeder die Chance hat, nominiert zu werden, eben weil durch Corona vieles ungewiss ist. Deswegen lege ich mich auch ins Zeug. Ich bewerte das aber nicht über, sondern bleibe mit beiden Beinen auf dem Boden.“
Daniel Kubeš: „Sollte ich in fünf Tagen gesund sein, ist es prima. Wenn es zehn Tage sind, ist es ebenfalls gut. Selbst wenn es 20 Tage werden sollten, dürfte ich froh sein, wieder gesund zu sein. Und in dem Moment, in dem ich wieder fit bin, mache ich mich natürlich sofort wieder an meine Arbeit."
Als die beiden Top-Talente diese Aussagen kurz vor Jahresende machten, ahnten sie noch nicht, dass ihre WM-Chancen danach noch steigen sollten. Denn in der Woche vor Beginn der Weltmeisterschaft sollte die tschechische Mannschaft eigentlich noch zwei Qualifikationsspiele für die nächste Europameisterschaft bestreiten – beide Male gegen die Färöer-Inseln. Zum Hinspiel in Tórshavn musste sie aber nicht nur ihre zwei Trainer ersetzen, sondern ließ auch sechs Stammspieler zu Hause. Einer davon war kurz vor der Abreise Corona-positiv getestet worden, bei den anderen fünf handelte es sich um eine Vorsichtsmaßnahme. Und diese war dann auch mehr als berechtigt. Denn am vergangenen Mittwoch, als die Partie stattfinden sollte, erhielten weitere acht Akteure einen positiven Corona-Befund. Die Begegnung in Tórshavn wurde daraufhin kurzfristig abgesetzt, genauso wie das für Samstag geplante Rückspiel in Plzeň / Pilsen. Wie der tschechische Handballverband dann am Freitag mitteilte, sind aktuell neun Spieler des Nationalkaders und sechs Mitglieder des Trainer- und Betreuerstabs mit dem Virus infiziert. Diese Gruppe wurde vom Rest der Mannschaft isoliert, und die Infizierten können jetzt nur hoffen, dass die Ansteckung nicht zur Krankheit wird und sie daher auf das Championat in Ägypten verzichten müssen. Beide Trainer jedenfalls hat es unterschiedlich erwischt. Während Jan Filip keine Symptome von Covid-19 hat, bestätigte Daniel Kubeš, wirklich krank zu sein. Für ihn sei es daher das primäre Ziel, gesund zu werden. Und dafür werde er sich, wenn notwendig, auch genügend Zeit lassen, so Kubeš:
„Sollte ich in fünf Tagen gesund sein, ist es prima. Wenn es zehn Tage sind, ist es ebenfalls gut. Selbst wenn es 20 Tage werden sollten, dürfte ich froh sein, wieder gesund zu sein. Und in dem Moment, in dem ich wieder fit bin, mache ich mich natürlich sofort wieder an meine Arbeit."
Es ist also noch offen, ob Daniel Kubeš, der ansonsten ebenso den deutschen Bundesligisten Nordhorn-Lingen trainiert, mit der Mannschaft zum WM-Turnier nach Ägypten abreist oder erst später zum Team stößt. Wegen all dieser Komplikationen hat der tschechische Handballverband dann auch entschieden, den Abflug um einen Tag zu verschieben – von Dienstag auf Mittwoch. Bereits einen Tag später trifft die Mannschaft in ihrem WM-Auftaktspiel in Kairo auf Schweden. Sollten Kubeš und Filip dann immer noch fehlen und weiter durch Torwartcoach Petr Štochl und Junioren-Auswahltrainer Pavel Pauza ersetzt werden müssen, sei das kein Problem, schildert Kubeš:
„Wir sind eine Einheit, alles funktioniert prächtig unter uns Trainern und mit allen Spielern. Wir haben seit langem eine sehr gute Stimmung im Team. Ein Garant dafür sind die älteren Spieler, die wissen, was zu tun ist.“
In der Vorrunde trifft Tschechien in der schwierigen Gruppe G außerdem noch auf Gastgeber Ägypten und auf Chile. Die ersten drei Teams jeder Gruppe gelangen in die Hauptrunde, in der sich die Top drei der Gruppe G mit den drei Besten der Gruppe H messen werden. Aus den vier Hauptrundengruppen ziehen die jeweils zwei besten Mannschaften in das Viertelfinale ein. Das WM-Finale des Mammutturniers wird am 31. Januar in Kairo ausgespielt.
Handball-Star Filip Jícha auch als Trainer sehr erfolgreich
Auch wenn die Teilnahme Tschechiens an der Weltmeisterschaft in Ägypten also nicht gerade unter guten Vorzeichen steht, hat ein tschechischer Handballer kurz vor dem Jahreswechsel schon für Furore gesorgt. Die Rede ist von Filip Jícha, dem Welthandballer des Jahres 2010. In seiner aktiven Karriere hat der mittlerweile 38-Jährige unter anderem acht Jahre für den THW Kiel gespielt und mit den Norddeutschen dabei nicht weniger als sieben Mal die deutsche Meisterschaft, fünf Mal den deutschen Pokal sowie zwei Mal die Champions League gewonnen. Und der zwei Meter große Hüne scheint den Erfolg magisch anzuziehen. Denn seit 2019 ist er nun Chefcoach der Kieler, mit denen er in seiner ersten Trainersaison gleich den Meistertitel holte. Und seit kurzem kommt nun auch noch ein weiterer Gewinn der Champions League hinzu. Beim Endrundenturnier der Liga Ende Dezember 2020 in Köln bezwang der THW im Finale den Top-Favoriten aus Barcelona überraschend mit 33:28. Filip Jícha ist damit der erste Handballer überhaupt, der die europäische Königsklasse als Spieler und als Trainer gewonnen hat. Entsprechend glücklich äußerte er sich kurz nach dem Triumph vor dem Mikrofon des Fernsehsenders Eurosport:
„Ich bin enorm stolz, dass wir diesen Pokal mit nach Kiel nehmen können, und das erstmals wieder seit acht Jahren. Gerade meine Spieler wird das sicher beflügeln. Ich denke, es ist ein Riesenerfolg für unsere ganze Organisation, und ich bin einfach ein glücklicher Teil dieses gesamten Mosaiks.“