Welthandballer Jícha: Hatte 2010 das Gefühl, alles richtig zu machen

Filip Jícha (Foto: THW Kiel)

Die 22. Handball-Weltmeisterschaft der Herren, die gegenwärtig in Schweden stattfindet, wird in Tschechien nur aus der Distanz verfolgt. Kein Wunder, denn die tschechische Mannschaft hat sich nicht für das Turnier qualifiziert. Dennoch werden die hiesigen Handballfans am Sonntag interessiert in Richtung Malmö schauen, wenn das Finale ausgetragen wird. Zu diesem Anlass wird nämlich auch der Welthandballer des Jahres 2010 geehrt: der Rückraumspieler des THW Kiel, Filip Jícha.

Handball-Europameisterschaft 2010: Filip Jícha bei einem seiner 14 Treffer gegen die Ungarische Männer-Handballnationalmannschaft  (Foto: Wikipedia)
Der tschechische Nationalspieler Filip Jícha wurde erstmals zum Welthandballer des Jahres gewählt. In der unter Experten, Journalisten und Fans durchgeführten Umfrage erhielt Jícha 31 Prozent der Stimmen. Für den legendären tschechischen Handballer der 1950er und -60er Jahre, Jiří Vícha, ist klar, was den Ausschlag für den Umfragesieg von Jícha gegeben hat:

„Es war die sehr erfolgreiche Saison, die Jícha hatte. Vor allem im Frühjahr trumpfte er mit seinem Klub in Kiel auf – einer Stadt, wo der Handballsport sehr, sehr populär ist. Jícha war ein herausragender Individualist in der deutschen Bundesliga, aber auch bei der Europameisterschaft und in der Champions League. Ich denke, sein Sieg ist verdient.“

Jiří Vícha  (Foto: Archiv der Stadt Buštěhrad)
Jiří Vícha benennt auch die individuellen Vorzüge, die Filip Jícha seiner Meinung nach auszeichnen:

„Er hat wirklich sehr gute Qualitäten. Er ist kräftig, kann sich durchsetzen und er hat eine tolle Schusstechnik. Seine auffälligste Gabe aber: Er ist ein Torjäger.“

Seine Fähigkeiten hat Filip Jícha unweit von Plzeň / Pilsen erlernt. Als Schüler begann er 1988 in Starý Plzenec / Altpilsen mit dem Handball, mit 18 Jahren unterschrieb er seinen ersten Profivertrag bei Dukla Prag. Über mehrere Stationen in Saudi-Arabien, Katar und dem Schweizer Klub St. Gallen kam Jícha im Jahr 2005 in die Bundesliga. Er spielte zunächst für den TBV Lemgo, mit dem er seinen ersten europäischen Triumph feierte – den Gewinn des EHF-Pokals. Seit 2007 spielt er mit der Rückennummer 39 in Kiel, und zwar im linken Rückraum. In einem früheren Gespräch für Radio Prag erklärte Jícha unter anderem, warum er froh ist, in der Bundesliga spielen zu können:

Handball-Europameisterschaft 2010: Tschechien gegen Spanien  (Jícha ganz links). Foto: Wikipedia
„Man trainiert täglich mit den besten Handballern, die es gibt, und man spielt regelmäßig mit ihnen beziehungsweise gegen sie. Darüber hinaus kann man mit diesen Top-Spielern auch ständig über den Handball philosophieren, und zwar darüber, wie man das eigene Potenzial stetig verbessern kann.“

Jícha ist längst selbst ein Top-Spieler und wie schon erwähnt, er ist der Beste, den der Welthandball derzeit zu bieten hat. Darum ist es für ihn auch enttäuschend, dass er bei der laufenden WM in Schweden nur Zuschauer ist. Der Grund: Die tschechische Nationalmannschaft hat in der Qualifikation für das WM-Turnier gegen Serbien den Kürzeren gezogen. In der Addition beider Vergleiche war Tschechien um ein einziges Tor unterlegen – eine negative Erfahrung, aus der er aber bereits gelernt habe, sagte Jícha im Tschechischen Rundfunk:

Filip Jícha  (Foto: THW Kiel)
„Das ist ein dicker dunkler Fleck in meiner Karriere. Und ein trauriger dazu. Aber als ich zum zweiten Male mit Kiel das Finale der Champions League verloren hatte, sagte jemand zu mir: Ein guter Sportler muss vor einem großen Sieg erst mehrmals den bitteren Kelch einer schweren Niederlage geleert haben. Das Scheitern in der Qualifikation war solch eine schwere Niederlage. Vielleicht war aber das Jahr 2010 gut dafür, dass es im Jahr 2013 besser wird.“



Filip Jícha  (Foto: THW Kiel)
Die kleine Träne im Knopfloch fühlt Jícha aber nur, wenn er über das Abschneiden der tschechischen Nationalmannschaft spricht. Im Clubhandball aber hat er 2010 alles geholt, was zu holen war. Mit dem THW Kiel gewann er die deutsche Meisterschaft und die Champions League. In seinem bisher erfolgreichsten Jahr ist Jícha außerdem zum wertvollsten Spieler der EM in Österreich und der deutschen Bundesliga gewählt worden. Es war ein Jahr, wie man es sich nur wünschen kann:



Filip Jícha hat den Preis für den besten Torjäger Europas in der Saison 2008/2009 bekommen  (Foto: EHF)
„Das Jahr war extrem angenehm, das muss ich sagen. Bei mir lief es gut, meine Träume haben sich verwirklicht und ich hatte einfach das Gefühl, dass alles richtig ist. Ich persönlich spreche aber nicht gern davon, ob etwas am besten oder am schlechtesten war.“

Doch wovon soll man sonst sprechen als von einem Topjahr, wenn man hinzufügt, dass Filip Jícha in allen drei Wettbewerben, die er 2010 gespielt hat, der erfolgreichste Torschütze war. Aber auch dafür hat der 28-Jährige eine ganz bescheidene Erklärung:

„Das ist einfach so gekommen, ich habe das kaum wahrgenommen, um ehrlich zu sein. Für mich war es nicht besonders wichtig, die Torjägerkrone zu gewinnen. Ich musste mir beispielsweise vier Runden vor dem Ende der Champions League nicht einreden, dass ich noch so und so viele Tore schießen muss. Es war aber angenehm, als ich im Ergebnis einer Fan-Umfrage die Trophäe für den besten Handballer Deutschlands erhalten habe. Am meisten gefreut hat mich aber, dass ich von den Kapitänen, Trainern und Managern aller Ligaklubs zum besten Spieler der Bundesliga gewählt wurde. Das war für mich eine sehr schöne Auszeichnung, denn es war die Wahl von Experten und Leuten, die im Handballsport zu Hause sind. Die Leute aus der eigenen Branche sind immer kritischer. Das hat mich richtig erwärmt.“

Filip Jícha  (Foto: EHF)
Einen ähnlichen Standpunkt hat Jícha auch jetzt bei seiner Wahl zum Welthandballer des Jahres. Sein erster Platz ist das Resultat einer Umfrage, in der auch die Handballfans ein gehöriges Wort mitzureden haben. Daher will Jícha den Umfragesieg auch nicht überbewerten:

„Ich hänge das nicht so hoch. Für mich ist das eine Umfrage. Weit wichtiger für mich sind die Meinungen der Teamkollegen oder der Gegenspieler, die mir zum Beispiel sagen, dass ich wirklich zu den fünf Besten gehöre. Und vielleicht sagen sie mir auch noch etwas mehr. So etwas ist für mich sehr positiv.“

Filip Jícha im Tschechischen Rundfunk  (Foto: Šárka Ševčíková)
Weniger positiv ist sein Fehlen bei der WM in Schweden. Das harte Training bei seinem Klub in Kiel, das er gegenwärtig absolviert, hält er deshalb auch für eine kleine Strafe. Als Strafe dafür, dass er sich nicht mit der tschechischen Mannschaft für das WM-Turnier qualifizieren konnte. Für eine Top-Platzierung bei der WM aber reiche seiner Meinung nach die Qualität des tschechischen Handballs auch nicht aus. Ein fünfter Platz sei das Maximum, was man derzeit erreichen könnte, sagt Jícha. Handball-Legende Jiří Vícha glaubt zu wissen, woran das liegt:

Filip Jícha
„Wir haben eine Reihe von ausgezeichneten Handballern. In der Bundesliga haben wir zum Beispiel neben Filip Jícha auch einen der besten Torhüter und der besten Verteidiger. Aber wir haben kein Team. Deshalb konnte die tschechische Mannschaft auf internationaler Ebene in den letzten Jahren noch nicht so recht überzeugen.“

Die Auszeichnung zum Welthandballer des Jahres 2010 würde Filip Jícha daher sehr gern nutzen, um Kinder und Jugendliche im Land zu animieren, wieder mehr Sport zu treiben. Und vielleicht gelinge es ihm ja ebenso, mit seiner Popularität Dutzende bis Hunderte Kinder zu überzeugen, dass man in Tschechien auch Handball auf professionellem Niveau betreiben kann, hofft Jícha.

Autor: Lothar Martin
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