Bohemian Kids: Tschechen bringen den Leipzigern das Kaffeetrinken bei
Eigentlich sollten sie Juristen werden. Dennoch haben Michael und Barbora Schroeter nach dem Studium die Paragraphen-Laufbahn über Bord geworfen und sind ihrer Kaffeeleidenschaft nachgegangen. In der Innenstadt von Leipzig eröffnete das tschechische Ehepaar 2017 sein eigenes Café.
Wir sitzen vor dem Café „Bohemian Kids“ mitten in Leipzig. Michael Schroeter ist der Besitzer des Cafés, das sich seinen Worten zufolge von ähnlichen Unternehmen in Leipzig in gewisser Weise unterscheidet. Wodurch ist „Bohemian Kids“ geprägt?
„Für Leipzig sind wir darin besonders, dass wir Kaffeespezialitäten anbieten. Wir konzentrieren uns sehr auf die Qualität des Kaffees, was gerade in Leipzig noch nicht so angekommen ist. Nur ein paar Cafés machen da mit. Viele denken, wir bringen etwas aus Tschechien mit, weil wir ‚Bohemian‘ heißen. Aber das war mehr ein Joke. Wir wollten einfach zeigen, woher wir kommen. Aber explizit etwas Tschechisches anzubieten, war nie der Hintergrund.“
Sie kommen aus Tschechien. Wie war Ihr Weg nach Leipzig? Seit wann leben Sie in Deutschland?
„Der Weg war sehr lang. Es fing mit einem Projekt zwischen Sachsen und Tschechien an, das heute noch existiert. Es ist ein deutsch-tschechisches Gymnasium in Pirna mit einem Internat, in dem die tschechischen Schüler untergebracht werden. Da habe ich meine sechs Jahre studiert, und meine Frau dann auch ihre letzten zwei. Dort haben wir uns kennengelernt. Und danach haben wir, wie üblich, weiter studiert – erstmal in Dresden, dann hat es uns weiter nach Münster gebracht. Meine Frau wollte letztlich ihren Master machen, und das in Leipzig.“
Was haben Sie damals studiert?
„Wir haben beide Jura studiert. Aber ich habe während des Studiums erkannt, der Beruf ist nicht ganz für mich. Bei meiner Frau war es zunächst okay. Aber danach meinte sie, das Backen sei ihrs. Zu der Zeit bestand schon unser Café, und sie hat sich entschieden, dass sie in dem Cafébereich mehr mitmachen will.“
Von der Jura-Laufbahn zur Kaffeeleidenschaft
Wie entstand die Idee, ein eigenes Café zu betreiben?
„Wir sind damals aus Münster hergezogen, und die erste Idee war, mich einfach anstellen zu lassen. Ich habe eine Stelle gesucht, in der ich mich gut fühlen würde. Das war 2017/18, aber damals war nicht das Richtige dabei. Und da entstand die Idee, zunächst aus Spaß, selbst etwas aufzumachen. Und aus dem Spaß sind jetzt fast sechs Jahre geworden.“
Wie war der Anfang? War es einfach, sich durchzusetzen? Wir befinden uns im Stadtzentrum von Leipzig, hinter der Universität, das ist eine günstige Lage…
„Das denken sich eben ganz viele: Gegenüber der Uni, das sei die beste Lage ever, wegen der vielen Studenten. Aber teilweise gilt das Gegenteil. Weil wir uns auf die Qualität konzentrieren, ist der Kaffee dementsprechend etwas teurer. Er entspricht nicht dem Kaffee aus der Mensa, der damals 60 Cent gekostet hat. Deswegen waren die Anfänge auch sehr hart. Teilweise war es im Sommer so leer, dass wir einfach ein Buch gelesen haben. Es kamen auch Leute zu uns, die dachten, dass wir ein Kindercafé sind, weil wir ‚Bohemian Kids‘ heißten. Es waren spannende Zeiten damals. Es war auch schön, die Gäste mehr persönlich kennenzulernen und mit ihnen zu reden. Das war ein intimeres Verhältnis mit ihnen. Heute fehlt dafür die Zeit, wenn es zu voll ist.“
Wie lange hat es gedauert, bis der Durchbruch kam?
„Ein halbes bis ein ganzes Jahr. Wir haben im April eröffnet, und erst durch die neue Welle von Studenten im Oktober und auch durch die Hilfe des Hafermilchproduzenten Oatly wurden die Leute auf uns aufmerksam. Er hat nämlich damals bei einer Aktion bei uns kostenlose Angebote gemacht.“
Wo haben Sie die Kunst der Kaffeezubereitung gelernt?
„Vieles habe ich mir selbst beigebracht. Ich habe angefangen, mich dafür zu interessieren, als ich in Münster meinen damaligen Chef kennengelernt habe, der schon sehr weit im Kaffee war. Ich habe da viele Kurse besucht und mich später nochweitergebildet. Das hat mich hierhin gebracht.“
Was ist wichtig, wenn man guten Kaffee anbieten will. Worauf muss man aufpassen?
Das wichtigste ist die Mühle
„Ich sage immer, das wichtigste ist die Mühle. Man denkt, die Kaffeemaschine wäre das wichtige Gerät. Aber die Mühle mahlt den Kaffee für die Kaffeemaschine. Wenn man schon dabei anfängt zu sparen, wird es schwierig. Und dann ist es die Wahl der Bohnen. Wir haben jetzt immer Gaströster, auch viele aus Tschechien, die wir dem Publikum hier in Leipzig anbieten.“
Was wird bei Ihnen zum Essen angeboten?
„Vor eineinhalb Jahren haben wir unsere Frühstückskarte aktualisiert und bieten Austrian Breakfest an. Das Frühstück geht bei uns bis ein Uhr nachmittags. Üblich ist das Avocado-Toast oder das getoastete Banana Bread. Aber wir haben auch ein paar Sachen aus Österreich-Ungarn mitgebracht, wie das Ei im Glas. Oder wir bieten auch frischere Sachen an, wie Ricotta-Toast.“
Und Süßes? Ich habe gesehen, dass Sie tschechische Mehlspeisen servieren, etwa aus Hefeteig…
„Das ist immer Sache meiner Frau, wobei es ein bisschen schwieriger ist, seit wir unseren Sohn haben. Wir bieten gerne auch typische Speisen an, wie den mährischen Kuchen frgál oder gefüllte Buchteln.“
Sie sind ein tschechisches Ehepaar, das in Leipzig wohnt. Wie ist das für Sie?
„Schon normal. Es ist über zwanzig Jahre her, dass ich in Pirna angefangen habe zu studieren. Das heißt, ich lebe mehr als die Hälfte meines Lebens in Deutschland. Ich könnte mir jetzt nicht mehr vorstellen, dass wir wieder nach Tschechien gehen würden.“
Gibt es eine größere tschechische Community in Leipzig?
„Wahrscheinlich ja, wir sind in einer Facebook-Gruppe dabei. Nur sind wir nicht explizit aktiv, dass wir uns auch treffen müssten.“
Wie wird in Ihrer Familie gesprochen? Tschechisch oder Deutsch?
„Beides. Beziehungsweise teilweise noch dazu Ungarisch, weil die Hälfte der Familie von meiner Mutter aus dem ungarischsprachigen Gebiet der Slowakei kommt. Deswegen ist es bei uns immer so ein Mischmasch.“
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Ist es ausgeschlossen, dass Sie oder Ihre Frau mal zu den Rechtswissenschaften zurückkehren? Oder ist das Café Ihre Zukunft?
„Das ist wahrscheinlich erst einmal ausgeschlossen. Es ist mehr so ein Backupplan. Wenn wirklich alles reißen sollte, dann hat man den Abschluss und kann damit etwas machen. Die Gastronomie ist aber bisher das, was wir gerne machen. Weil wir gerne den Leuten dienen, ihnen Freude bereiten und qualitativ gute Produkte servieren. Das ist, was uns immer noch Spaß macht.“