Jeden Monat eine andere NGO: Das Café Nezisk im Prager Burgviertel
Das Café Nezisk – also das Café „ohne Gewinn“ – ist ein kleines Bistro im Prager Burgviertel. Der Name ist Programm: Um Gewinne geht es hier nicht, zumindest nicht im finanziellen Sinne. Natürlich wird zum einen Kaffee, Tee oder süßes Gebäck zum Mitnehmen verkauft. Zum anderen präsentiert sich vor Ort aber auch jeden Monat eine andere gemeinnützige Organisation.
Besser als ins Deutsche lässt sich „nezisk“ ins Englische übersetzen, wo nämlich das entsprechende „non-profit“ ebenso geläufig verwendet wird. Das tschechische Wort drückt aber nicht nur Gemeinnützigkeit aus, sondern wird umgangssprachlich auch als Kürzel gebraucht…
„‚Nezisk‘ ist im Tschechischen auch eine Bezeichnung für NGOs. Aus diesem Grund haben wir den Namen für das Café gewählt. Wir denken, dass nicht nur Geld, sondern eben auch ein Raum für solche Organisationen wichtig ist. Das war die Idee.“
So erklärt es Daniel Kolský, der an die geöffnete Flügeltür gelehnt gerade seinen Kaffee trinkt. Er ist auf Stippvisite in einer der jüngsten Einrichtungen seines Unternehmens mamacoffee. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt Kolský seit etwa 15 Jahren eine Kaffeerösterei und mehrere Cafés in Prag. Fairtrade und Direct trade, das sind die Markenzeichen, mit denen sich mamacoffee schnell einen Namen gemacht hat. Maximale Gewinnsteigerungen stehen also auch hier nicht unbedingt im Mittelpunkt, sondern eher die Arbeitsbedingungen der Kaffeebauern sowie die guten partnerschaftlichen Handelsbeziehungen. Neben den sechs regulären Cafés in Prag sei das Café Nezisk quasi das Wohltätigkeitsprojekt von mamacoffee, erläutert Kolský:
„Wir bieten den NGOs an, für einen Monat sozusagen das ganze Café zu übernehmen. Sie können verschiedene Präsentationen veranstalten und ihre Produkte verkaufen. Und auch die Einnahmen des Cafés gehen als Unterstützung an die jeweilige Organisation.“
Mamacoffee würde den Kaffee sowie das weitere Sortiment stellen und die Betriebskosten zahlen, ergänzt Kolský.
Gleich an der Eingangstür des kleinen gewölbeartigen Raumes hängt eine Tafel, auf der der Name der aktuellen Organisation steht. Zudem gibt es ein Schild mit einem kurzen Text in Tschechisch und Englisch, der die Idee hinter dem Namen Nezisk erklärt. Auch das Personal ist geschult und auskunftsfreudig. So etwa Ester, die hier seit einem guten halben Jahr als Barista arbeitet:
„Das Konzept weckt das Interesse der Passanten. Manche bleiben vor dem Café stehen und schauen erst einmal vorsichtig hinein. Wenn sie dann hereinkommen, fragen sie nach, worum es hier geht – oder sie haben es sich draußen schon durchgelesen. Oft ist die Reaktion sehr positiv. Denn die Leute erfahren hier nicht nur immer wieder etwas Neues über eine andere NGO. Indem sie einen Kaffee trinken, haben sie außerdem das gute Gefühl, selbst einen Beitrag geleistet zu haben.“
Idee aus der Corona-Zeit
In unmittelbarer Nähe zum Nezisk befindet sich das tschechische Außenministerium. Dessen Mitarbeiter sowie die Angestellten aus anderen umliegenden Büros gehörten schon zur festen Stammkundschaft, freut sich Ester. Da das Café aber auch auf direktem Wege von Strahov zur Prager Burg liegt, sei Englisch eine wichtige Grundvoraussetzung für die Arbeit der Baristi:
„Touristen werden auch auf uns aufmerksam. Meist erkennen sie nicht gleich das Konzept, sondern sehen hier einfach ein Café. Aber wenn sie dann nachfragen, zeigen sie ein großes Interesse und finden die Idee gut. Auch den Kaffee mögen die Leute, weil er fair und direkt gehandelt ist. Allein dies ist toll für das Publikum, und dann noch die Verbindung mit den gemeinnützigen Organisationen – das kommt gut an.“
Das Café Nezisk gibt es seit etwa einem dreiviertel Jahr. Partner für die inhaltlichen Präsentationen zu finden, sei kein Problem gewesen, sagt Inhaber Kolský:
„Wir stehen schon seit vielen Jahren mit verschiedenen Organisatoren in Kontakt. Während der Corona-Pandemie war es für sie schwierig, ihre Aktivitäten auszuüben, also wollten wir etwas für sie tun. Dieses Café ist so klein wie ein Fensterladen, und so lief es auch in der Pandemie. Aber wir dachten, dass wir es auch als superkleines Café führen können.“
Die minimalistische Einrichtung verleiht den historischen Gemäuern tatsächlich ein modernes Flair – und lässt auch auf den nur zehn Quadratmetern genügend Platz für Flyer, Plakate und Souvenirs der jeweiligen NGO, um die es einen Monat lang geht. Alle halbe Jahre rufe mamacoffee öffentlich zur Bewerbung auf, erläutert Kolský. Aber Ester berichtet, dass das schon fast gar nicht mehr nötig sei:
„Schon jetzt haben wir eine lange Warteliste von NGOs, die sich bei uns gemeldet haben. Unsere Chefin Rachel verabredet mit ihnen dann den passenden Monat. Zum Beispiel hatten wir eine Organisation im April hier, die für ihren Charity-Lauf im Mai geworben hat. Oder die Initiative TEDx hat bei uns zu ihren Jugendforen im gleichen Monat eingeladen. Die Präsentation im Café ist also oft verbunden mit konkreten Veranstaltungen, die die Organisationen durchführen.“
Breite Palette an unterschiedlichen NGOs
Die NGO des Monats September ist der Stiftungsfonds Agora 7. Die Zahl im Namen verweist auf den siebten Prager Stadtbezirk, in dem der Fonds seinen Sitz und auch seinen Wirkungsbereich hat. Ester gibt sogleich in geübter Weise Auskunft:
„Der Stiftungsfonds arbeitet noch mit anderen NGOs zusammen. Sie organisieren viele kulturelle und künstlerische Veranstaltungen für Senioren. Im Café verkaufen wir gerade Stofftaschen, die von Senioren gestaltet wurden. Außerdem sind Marionetten ausgestellt, die in Kreativworkshops entstanden sind, und es gibt auch Postkarten mit eigenhändigen Zeichnungen. Zu den Aktivitäten des Fonds gehören aber auch Gemeinschaftsgärten und öffentliche Klubräume. Die Tätigkeiten sind sehr breit gefächert, das gefällt mir.“
Dies gelte überhaupt für die Palette der Organisationen, die das Angebot des Cafés Nezisk nutzen würden, betont Daniel Kolský:
„Im Moment ist dies eine Organisation für Senioren, aber zuvor hatten wir schon Projekte zum Thema Afrika oder im Bereich Ausbildung. Vorgestellt hat sich etwa auch der Klub Propamátky (zu Deutsch: für Denkmäler, Anm. d. Red.) mit seinem kulturellen Anliegen. Es sind also ganz unterschiedliche Organisationen, und jede von ihnen präsentiert einen Teil der Gesellschaft. Wir lieben dieses Mosaik aus verschiedenen Projekten und aus den Möglichkeiten, was sich alles für die Gesellschaft tun lässt.“
Bei der Frage, welches Projekt ihr selbst am besten gefallen habe, überlegt Ester einen Augenblick...
„Das Projekt aus dem vergangenen Monat fand ich sehr interessant. Dabei handelte es sich um die Organisation Siriri, die sich für bessere Bildungs- und Lebensbedingungen in der Zentralafrikanischen Republik einsetzt. Sie hatten eine schöne Idee, die Weltsicht von Kindern in dem Land und in Tschechien zu vergleichen. Hier in unserem Café konnten Kinder ein Bild malen, etwa mit Blumen, Fußballern oder etwas anderem darauf. Das gleiche machen Kinder in Zentralafrika, und Siriri lässt dann T-Shirts oder Taschen drucken mit Kollagen dieser Zeichnungen. Damit wird gezeigt, dass ein Kind aus Afrika zum Beispiel ein Haus etwas anders sieht und zeichnet, als ein Kind aus Tschechien.“
Sie würde sich wünschen, sagt die junge Barista noch, dass neben den Zufallskunden noch mehr Menschen gezielt ins Café Nezisk kommen würden, um sich jeden Monat über ein neues Projekt zu informieren – und dabei einen Kaffee zu trinken.
Am Ende des Gesprächs mit Radio Prag International begleicht auch Inhaber Kolský seine Rechnung bei Ester. Das Nezisk sei das einzige seiner Cafés, in dem auch er für seine Getränke bezahlen würde, lacht der Chef, schließlich käme dies der jeweiligen NGO zugute.
Und somit steht dann doch der Gewinn im Mittelpunkt beim Café Nezisk – nämlich der für die gesamte Gesellschaft.
Das Café Nezisk finden Sie unter der Adresse Pohořelec 2 im Prager Burgviertel, nur zwei Minuten Fußweg von der Tramhaltestelle Pohořelec entfernt. Geöffnet ist täglich von 8:30 bis 18:30.