Masaryk, Havel, Pilzesammeln: „Bohéma“ bietet Kleidung und mehr mit tschechischen Motiven

Das Label Bohéma vertreibt seit fünf Jahren T-Shirts und andere Produkte mit tschechischen Motiven. Zu sehen sind historische Persönlichkeiten, Schönheiten der Natur und Klassiker der böhmischen Küche. Der Erlös des mit Humor gestalteten Sortiments geht an NGOs, die sich für karitative Zwecke und die Gesellschaft einsetzen. Aber braucht es in Zeiten des erstarkenden Nationalismus in Europa noch ein Projekt, das böhmische Löwen auf Pullover druckt und erklärtermaßen den Patriotismus fördern will? Radio Prag International hat im Laden von Bohéma vorbeigeschaut und nachgefragt.

Foto: Bohéma

Ein bärtiger, langhaariger Václav Havel mit einem halbleeren – oder halbvollen? – Halbliterkrug Bier in der Hand. Das Schwarzweißfoto mit diesem Motiv sieht man seit einigen Jahren immer öfter auf den T-Shirts von Passanten in Prag. Und hinter dem Shirt steht das Projekt Bohéma. Eliška Neubergerová hat die Initiative ins Leben gerufen und erläutert, wie es dazu kam:

„Die Idee hatte ursprünglich mein Ehemann, Oldřich Neuberger. Anlässlich des 100. Jubiläums der tschechoslowakischen Staatsgründung wollte er zeigen, dass er gern ein Tscheche ist. Alles, was wir gefunden haben, waren aber Sporttrikots, Schirmmützen mit dem böhmischen Löwen oder Stirnbänder in den tschechischen Nationalfarben. Wir dachten uns, dass es schön wäre, unsere Begeisterung für unser Land auch anders zum Ausdruck zu bringen. Ein Jahr später haben wir deshalb die ersten drei T-Shirts herausgebracht. Das Interesse war so groß, dass bald weitere 15 Motive hinzukamen. Seitdem kommen immer wieder neue Kollektionen und Produkte hinzu, und Bohéma ist weiter gewachsen.“

„Nicht einfach nur ein T-Shirt“

Mittlerweile bietet das Projekt nicht mehr nur T-Shirts an. Auch Plakate gehören zum Sortiment, Pullover, Radiergummis, Jutebeutel, Tassen, Streichhölzer, Socken. Und zu Václav Havel sind noch weitere historische Persönlichkeiten und Realien als Aufdrucke hinzugekommen: die Burg Karlstein, ein Gemälde von Toyen, Tomáš Garrigue Masaryk, Božena Němcová, Miloš Forman.

Jan Cina | Foto: Bohéma

Was seit den Anfangstagen hingegen gleichgeblieben ist, ist die Kooperation mit tschechischen NGOs. Die Gewinne, die Bohéma einfährt, gehen eigenen Angaben zufolge an die beteiligten Institutionen. Beim T-Shirt von Havel mit dem Bierkrug ist das etwa die von Dagmar Havlová gegründete Stiftung „Vize 97“. In Zukunft, so Eliška Neubergerová, wolle man die Kooperationen weiter verfestigen und immer stärker auch den Bildungsaspekt der Produkte betonen, denn:

„Unsere Kunden kommen nicht zu uns, weil sie einfach nur ein T-Shirt brauchen. Das bekommen sie ja auch überall sonst. Unsere Kunden wollen ein T-Shirt mit einer Geschichte“, so die Firmengründerin.

Sonderkollektion zum fünften Geburtstag

Foto: Bohéma

Anlässlich des fünften Geburtstags von Bohéma wurden im Oktober gleich zwei neue Projekte vorgestellt. Das eine davon trägt den Namen „Hořkoskladké dějiny“ (Bittersüße Geschichte). Im Rahmen der Kampagne, deren Erlös für die Organisation Paměť národa bestimmt ist, werden Schokoladentafeln verkauft, die zur einen Hälfte aus weißer, zur anderen aus Zartbitterschokolade bestehen. Auf den fünf unterschiedlichen Verpackungsmotiven befinden sich Fotografien von bedeutenden Ereignissen der tschechischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Auf den ersten Blick versprühen sie Freude, dann aber haben sie einen bitteren Nachgeschmack. Darunter ist etwa der Prager Frühling von 1968 oder eine Aufnahme aus den 1980er Jahren: Kinder spielen auf den Bauresten einer neugebauten Plattenbausiedlung.

Foto: Bohéma

Zum fünften Geburtstag gibt es aber bei Bohéma noch eine weitere Neuerung im Sortiment: eine limitierte Kollektion von T-Shirts mit fünf Motiven, für die mit Personen des öffentlichen Lebens zusammengearbeitet wurde.

„Die Ideen kamen von den Menschen, die wirklich aktiv an den Designs mitgewirkt haben. Wir haben nicht nur nach bekannten Schirmherren gesucht, sondern wirklich gemeinsam ein halbes Jahr lang über die Farben, die Auswahl der Shirts und die Motive diskutiert.“

Lukáš Hejlík | Foto: Bohéma

Zu den mitwerkenden Prominenten zählt etwa der tschechische Schauspieler Lukáš Hejlík. Er ist hierzulande auch als Gourmet bekannt, hat er doch einen Online-Gastroführer durch Tschechien veröffentlicht. Für Bohéma kam Hejlík dann auch mit einer kulinarischen Idee: Sein T-Shirt zeigt das sonntägliche Mittagessen bei der Großmutter – mit Entenkeule, Knödeln und Buchteln zum Nachtisch. Gestaltet hat das Motiv in Absprache mit Hejlík die Illustratorin Anna Marie Kohoutová, und der Schauspieler hat sich entschieden, dass der Erlös an den Stiftungsfonds Pink Bubble gehen soll, der krebskranken Kindern und Heranwachsenden hilft.

Auch bei den anderen T-Shirts hatten die beteiligten Personen des öffentlichen Lebens die Entscheidungsgewalt darüber, wer oder was auf dem Kleidungsstück dargestellt wird, wie das Thema realisiert werden soll und für welchen Zweck die Einnahmen aus dem Verkauf gespendet werden. Die Schauspielerin Jana Plodková widmete ihr T-Shirt der gebürtigen Pragerin und späteren US-Außenministerin Madeleine Albright, der Tänzer und Sänger Jan Cina dem Fluss Moldau, der auf dem Shirt als düsteres Gewässer mit dichtem Geäst am Ufer dargestellt ist, aus dem nur die Wanderwegmarkierung hell hervorleuchtet.

Jana Plodková | Foto: Bohéma

Neubergerová führt aus, dass der Entstehungsprozess der eigens illustrierten Motive oftmals leichter sei, als wenn historische Fotografien verwendet würden – und sie belegt dies an einem T-Shirt mit dem Konterfei des Liedermachers Karel Kryl, das ebenso Teil der neuen limitierten Kollektion ist:

„Nachdem ein Foto gefunden wurde, muss man den Fotografen ausfindig machen und die Erben der Persönlichkeitsrechte ansprechen. Das ist bei jedem Motiv so, außer der Urheber ist schon über 70 Jahre lang tot. Im Falle des T-Shirts mit Karel Kryl sind wir über die Mährische Galerie in Brünn und weitere Institutionen an die Erben der Autorenrechte des Fotografen Miloš Polášek gelangt. Mit ihnen haben wir einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Zudem mussten wir unser Vorhaben mit der Witwe des Liedermachers, Marlene Kryl, beziehungsweise ihren Anwälten besprechen. Das Ganze ist also immer ein langwieriger Prozess, der meist drei Monate dauert, also die Hälfte der Zeit, die wir insgesamt an einem Motiv arbeiten.“

Jan Dědek | Foto: Bohéma

Touristen gehören zur Zielgruppe dazu

Foto: Bohéma

Als Eliška Neubergerová 2019 mit ihrem Mann das Label gründete – damals noch unter dem Namen „Moje Bohéma“ – fungierte das Projekt nur online. 2022 öffnete man dann aber auch ein eigenes Ladengeschäft – ein „Meilenstein“, wie Neubergerová heute sagt. Die Adresse könnte symbolischer kaum sein: Der Laden befindet sich in der Prager Neustadt, in einem Haus, in dem im 19. Jahrhundert der Historiker und Politiker František Palacký lebte und starb, der aufgrund seines Engagements heute auch „Vater der Nation“ genannt wird. Wenngleich sie sich der geschichtlichen Bedeutung des Gebäudes wohl kaum bewusst sind, stolperten aufgrund der Nähe zum Wenzelsplatz in den letzten Jahren auch vermehrt Touristen in den Laden hinein, berichtet Neubergerová:

„Am Anfang wollten wir sie hier gar nicht haben und hatten auch nichts für sie im Angebot. Aber dann haben wir festgestellt, dass die Touristen mehr wollen als nur eine Matrjoschka oder einen Magneten mit einem Gemälde von Gustav Klimt, der ja noch nicht einmal Tscheche war. Die Reisenden wollen auch etwas über unsere Geschichte erfahren. Wir haben deshalb unser Sortiment leicht angepasst. Die erklärenden Schilder an den Produkten etwa sind nun auf Tschechisch und Englisch verfasst. Und wir haben unsere Mitarbeiter im Laden weiterbilden lassen, so dass sie den Touristen nun kompetent Informationen über Tschechien vermitteln können.“

Wieviel Patriotismus ist gesund?

Wenngleich die Geschichte von Bohéma nach einem großen Erfolg klingt, wirft sie auch Fragen auf. Erklärtermaßen will das Projekt „Nationalstolz“ und die „Liebe zur Heimat“ stärken. Auf der Website heißt es zudem, dass man Produkte herausbringe, die Tschechien und das „češství“, also das Tschechentum, unterstützten. Aber ist das in Zeiten eines erstarkenden Nationalismus überall in Europa noch angebracht und zeitgemäß? Denkt man bei mit Tschechien-Fahnen wedelnden, weiß-rot-blau-angezogenen Männern und Frauen heute nicht vielmehr an rechtsnationalistische Gruppierungen? An diejenigen, die in regelmäßigen Abständen zu Demonstrationen auf dem Prager Wenzelsplatz rufen, in denen sie den Rausschmiss sämtlicher ukrainischer Flüchtlinge und sonstiger Ausländer aus dem Land fordern – und gleichzeitig einem starken Einfluss Russlands hierzulande zugeneigt sind? Eliška Neubergerová sagt dazu:

Foto: Bohéma

„Ich finde das ein wenig traurig, dass das Wort ‚Patriotismus‘ in Tschechien und wohl auch in Deutschland so negativ gesehen wird. Unsere Mission ist es, den Patriotismus als positive Tugend wiederzubeleben – damit man sich nicht mehr genieren muss, den böhmischen Löwen oder die tschechische Flagge auf der Kleidung zu tragen. Denn wenn es sich um ein minimalistisches, schön gestaltetes T-Shirt handelt und man keine extremistischen Meinungen vertritt, sondern einfach nur ausdrücken will, dass man gern ein Tscheche ist, dann ist das doch ganz normal.“

Neubergerová meint zwar, dass es doch schön wäre, wenn ähnliche Produkte auch in Deutschland angeboten werden würden. Eine adaptierte Initiative, die auf die Kleidungsstücke statt einer tschechischen Flagge eine deutsche und statt dem böhmischen Löwen einen Bundesadler druckt, würde in Deutschland aber wohl die ganz falsche Zielgruppe ansprechen…

Vermutlich bringt einen der Vergleich mit dem Nachbarland hier aber auch gar nicht weiter. Und schön gestaltet ist das Sortiment von Bohéma allemal.