NGO Rubikon Centrum verhilft ehemaligen Gefängnisinsassen zu festem Arbeitsplatz
Jedes Jahr verlassen etwa 10.000 Menschen in Tschechien nach abgeleisteter Haftstrafe das Gefängnis. 70 Prozent von ihnen werden allerdings innerhalb kurzer Zeit rückfällig. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist das Ziel der Organisation Rubikon Centrum. Sie hilft ehemaligen Häftlingen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
„Meine erste Haftstrafe betrug neun Monate und elf Tage, die zweite 14 Monate und 20 Tage. Die jetzige Strafe ist mit 38 Monaten die bisher längste. Es ist einfach schon wirklich viel Zeit. Ich versuche nun, darin auch etwas Positives zu sehen. Denn so hat das keinen Sinn mehr.“
Das sagt der 35-jährige Petr Kovalčik. In elf Monaten kann er das Gefängnis verlassen. Und damit er nicht zum vierten Mal zurückkehrt, will er einen festen Arbeitsplatz finden.
Um sich auf die Jobsuche vorzubereiten, haben Petr und etwa ein Dutzend weitere Strafgefangene vergangene Woche an der Aktion „Vorstellungsgespräch auf Probe“ teilgenommen. Dort kamen Häftlinge und Firmenvertreter zusammen, um erste Kontakte aufzunehmen. Organisiert wurde die Begegnung von der NGO Rubikon Centrum. Lucie Streichsbierová leitet das Häftlingsprojekt und sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Der Aktionstag ist einerseits für viele vorbestrafte Kandidaten eine erste Gelegenheit, ein Vorstellungstreffen mit einem Arbeitgeber auszuprobieren. Andererseits haben Firmen die Möglichkeit, mit jemandem ein Gespräch zu führen, von dem sie schon wissen, dass er eine Straftat begangen hat.“
Die Situation eines Einstellungsgesprächs sei etwas ganz neues für ihn gewesen, berichtet Kovalčik. Joberfahrungen habe er zwar reichlich, so etwa als Klempner, Schreiner oder Maurer. Nur habe er fast immer schwarz gearbeitet, so der Inhaftierte. Mit dem „Vorstellungsgespräch auf Probe“ wolle er die Jobsuche nun gezielter angehen:
„Ich bin dort hingegangen, um Erfahrungen mit einem solchen Auswahlverfahren zu sammeln. Mir wurde gesagt, wie ich beim Vorstellungsgespräch kommunizieren und mich verhalten sollte. Ich konnte das dort ausprobieren, um dann bei meiner Entlassung darauf vorbereitet zu sein.“
Im Rahmen des Projektes habe das Rubikon Centrum am Tag zuvor auch etwa 30 Arbeitgeber zu einer Diskussionsrunde eingeladen, teilt Streichsbierová mit. Im Mittelpunkt habe die Frage gestanden, ob man ehemalige Häftlinge einstellen sollte oder nicht:
„Die Diskussion endete mit einem eindeutigen ‚Ja‘. Als Grund wurde angeführt, dass es sowieso zu wenige Arbeitskräfte gebe und darum auch Kandidaten mit einem Strafregister genutzt werden könnten. Eine Rolle spielt aber auch die gesellschaftliche Verantwortung. Die Arbeitgeber erkennen einfach, dass diese Dinge zusammenspielen.“
Etwa 1000 Menschen habe das Rubikon Centrum bereits zu einer Arbeitsstelle nach der Haftstrafe verhelfen können, resümiert die Projektleiterin. Einer der Partner ist etwa die Firma Konecta Pro aus Brno / Brünn. Laut Direktorin Ivana Smejkalová beschäftigt sie derzeit 70 ehemalige und aktuelle Häftlinge in Call Centern, die teilweise direkt in den Gefängnissen eingerichtet seien. Und weiter sagt Smejkalová:
„Konecta ist vor vier Jahren in diesen Bereich eingestiegen. Damals haben wir entschieden, unsere personellen Kapazitäten auf diese Zielgruppe auszuweiten. Denn wie alle Arbeitgeber in unserer Branche kämpfen auch wir mit einem Mitarbeitermangel.“
Dennoch gibt es in Tschechien immer noch wenige Firmen, die Menschen mit einer Haftgeschichte anzustellen bereit sind. Und das, obwohl die große Mehrheit der entlassenen Strafgefangenen im produktiven Alter ist. Der Eintrag im Strafregister sei aber nicht das einzige Hindernis, eine dauerhafte Anstellung zu finden, sagt Lucie Streichsbierová:
„Menschen mit einer Gefängnisvergangenheit haben ein geringes Selbstvertrauen und eine niedrige Bildung. Sie können sich auf dem Arbeitsmarkt nicht gut orientieren. Hinzu kommen oft eine geringe Motivation und die Auffassung, dass sich eine legale Anstellung für sie nicht auszahlen würde. Der Grund dafür ist, dass 90 Prozent der Häftlinge verschuldet sind.“
Das ist auch bei Petr Kovalčik der Fall. Das Gericht habe ihm aber einen Schuldenerlass genehmigt, berichtet der Mann. So habe er nach vielen Jahren wieder die Chance, ein Leben ohne Ausstände zu führen. Und dabei soll dann möglichst eine legale Anstellung helfen, ist Kovalčik optimistisch.