Jung und arm
Immer mehr junge Tschechen leben im unteren Bereich der Gesellschaft. Entscheidend für die Bedrohung durch Armut sind dabei soziale Herkunft, Ausbildungsstand und hohe Mieten.
Johana ist eine alleinverdienende Mutter mit zwei Kindern und lebt in der Gegend von Olomouc / Olmütz in Mittelmähren. Sie beschreibt ihre Lage:
„Nach der Begleichung der Miete und nach weiteren wichtigen monatlichen Zahlungen bleiben mir noch 4000 Kronen (160 Euro, Anm. d. Red.) für den Lebensunterhalt für mich und meine zwei Kinder. Wir können uns nicht leisten, etwa Schuhe zu kaufen. Das tägliche Mittagessen in der Schule für die Kinder zahle ich nicht, weil es zu teuer sind.“
Die Umfrage hat bestätigt, dass vor allem junge Frauen stärker von der Armut bedroht sind als Männer. Die Soziologin Kateřina Paroulková:„Etwa 27 Prozent der jungen Frauen sind von Armut bedroht, aber nur 18 Prozent der Männer. Mit steigendem Alter sinkt bei den Männern der Anteil. Sie schaffen es mit der Zeit, aus der Armut beziehungsweise aus der Bedrohung durch Armut herauszufinden. Bei den Frauen lässt sich dieser Trend aber nicht beobachten. Von ihnen sind auch in höheren Altersgruppen 27 Prozent von Armut bedroht.“
Die Soziologin erklärt auch die Gründe, warum die Lage bei den Frauen schlechter ist:
„Die Ursache liegt unter anderem darin, dass durch die Mutterschaft meist die berufliche Karriere unterbrochen wird.“Weitere Faktoren sind die soziale Herkunft der eigenen Familie und die erreichte Bildungsstufe. In der Gruppe ohne Abitur droht Armut laut der Studie sogar bis zu 40 Prozent der jungen Erwachsenen. Zudem stellt fehlender Wohnraum zu bezahlbaren Preisen ein großes Problem dar, wie Caritas-Leiter Lukáš Curylo betont:
„Hierzulande stehen keine Sozialwohnungen zur Verfügung. Es gibt nur Zuschüsse zu den Mietkosten, und diese sollen sogar noch weiter reduziert werden. Das schränkt die Möglichkeit für junge Familien ein, an adäquaten Wohnraum zu kommen. Deswegen zahlen sie häufig überteuerte Wohnungen oder wohnen bei ihren Eltern.“
Die Armut junger Menschen ist jedoch eine doppelte Belastung für die Gesellschaft, wie Caritas-Analystin Martina Veverková sagt:„Wenn junge Menschen sich überschulden, kommen sie häufig nicht von allein wieder dort heraus. Stattdessen tragen sie das ganze Leben lang an dieser Last und geraten so dauerhaft in die soziale Ausgrenzung.“
Die Gesellschaft müsse diese Menschen daher fördern, weil sie nicht auf ihren eigenen Beinen stehen könnten, sagt Veverková. Sie nennt aber noch eine Gefahr:
„Es besteht auch ein moralisches Risiko. Wenn Menschen in eine hoffnungslose Lage geraten, dann entwickeln sie eine asoziale Haltung.“