Tschechische Gewerkschaften fordern „unverzüglich“ Maßnahmen gegen Folgen der Inflation
Die Gewerkschaften in Tschechien sind unzufrieden mit der Politik der Regierung. Sie halten dem Kabinett von Petr Fiala (Bürgerdemokraten) vor, den Menschen und Firmen im Land nicht genügend zu helfen bei der Bewältigung der Inflation. Deswegen haben sie die Kampagne „Gegen Armut“ gestartet und planen am zweiten Samstag im Oktober eine Groß-Demonstration in Prag.
Mit einer Lasershow ging es am Montag in Prag los. Der größte tschechische Gewerkschaftsdachverband ČMKOS startete in einen womöglich heißen Herbst. Die Regierung soll zu umfangreichen und vor allem schnellen Hilfen für Haushalte und Firmen gedrängt werden. In seiner Rede ging Gewerkschaftsboss Josef Středula auf die Fehler des amtierenden liberal-konservativen Kabinetts ein:
„Es hat die inflationäre Entwicklung und ihre Folgen massiv unterschätzt. Schon seit einem dreiviertel Jahr wehrt sich die Regierung unter verschiedenen Vorwänden gegen eine Regulierung der Preise. Von den 124 Milliarden Kronen, die der Staat dieses Jahr zusätzlich an Steuern eingenommen hat, setzt das Kabinett nur knapp 60 Prozent für die Hilfen an die Bürger ein.“
Vor allem fordern die Gewerkschaften von der Regierung, die Mehrwertsteuer auf bestimmte Waren zu senken, eine Preisobergrenze für Energie einzuführen, die Sozialhilfe zu erhöhen sowie Unternehmen zu unterstützen – wie in den Zeiten der Corona-Pandemie.
In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte der ČMKOS-Vorsitzende Středula, der im Übrigen zum nächsten tschechischen Präsidenten kandidieren möchte, die Zielrichtung der Kampagne. Demnach haben nicht nur die Vertreter der Arbeitnehmer, sondern auch die der Arbeitgeber bei den zurückliegenden Treffen der Tarifpartner immer wieder versucht, auf das Kabinett von Premier Fiala einzuwirken. Bisher jedoch ergebnislos…
„Unser Geduldsfaden ist bereits gerissen – und auch der der Arbeitgeber, die dies ebenfalls deutlich gemacht haben. Was uns betrifft, hat die Regierung an sich unsere Unterstützung, aber sie hat bisher nichts von dem umgesetzt, was die Nachbarländer bereits eingeführt haben. Vor allem haben wir eine der höchsten Inflationsraten in der EU mit Werten von 17,5 Prozent. Und es drohen nun sogar 20 Prozent Teuerung“, so der Gewerkschaftsboss.
Petr Fiala und einzelne Minister widersprachen Středula noch am Montag. Das Hilfspaket stehe kurz vor der Verabschiedung, schrieb beispielsweise Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten) über den Kurznachrichtendienst Twitter. Und der Regierungschef wies den Vorwurf zurück, sein Kabinett sei nicht rechtzeitig in die Gänge gekommen. Zudem nannte er eine höhere Zahl für den Umfang des Hilfspakets.
„Aus internationalen Studien ist zu sehen, dass wir mit den Maßnahmen auf einem der vorderen Plätze in Europa liegen. Das betrifft die Geschwindigkeit, die Effektivität und den Umfang. Den Menschen muss dies gesagt werden. Und die Gewerkschaften sollten den Bürgern klarmachen, dass die Regierung insgesamt 177 Milliarden Kronen bereitgestellt hat für die Hilfen in diesem und im kommenden Jahr“, sagte Petr Fiala.
177 Milliarden Kronen sind umgerechnet 7,2 Milliarden Euro.
Tatsächlich häufen sich in letzter Zeit in Tschechien die Klagen über die steigenden Kosten. Immer mehr Branchenverbände geben zu verstehen, dass die Firmen wegen der hohen Energiepreise in ihrer Existenz bedroht seien. Zudem kamen am Samstag vergangener Woche rund 70.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz in Prag zusammen, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Nationalistische Gruppen, die an Russland angebunden sind, nutzten dabei die Verunsicherung in der tschechischen Bevölkerung für ihre Kampagne. Von den politischen Zielen dieser Gruppen distanzierte sich Josef Středula im Radio-Interview zwar. Für die Sorgen der Menschen äußerte er allerdings Verständnis:
„Gegenüber jenen, die am Samstag auf dem Podium aufgetreten sind, habe auch ich ernste Vorbehalte – ob das nun den Inhalt, die Form oder die Richtung betrifft. Doch ich würde behaupten, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen deswegen zur Kundgebung kam, weil sie unzufrieden sind und eine Lösung ihrer Probleme wollen. Darum muss sich die Regierung unverzüglich kümmern.“
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, planen die Gewerkschaften nun für Samstag, 8. Oktober, eine große Kundgebung. Die Demonstration soll auf dem Prager Wenzelsplatz stattfinden.
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