Skurrile Affäre um Mitgliedschaft: Gewerkschaftsboss Středula muss um seine Neuwahl kämpfen
Es ist ein etwas eigenartiger Fall: Josef Středula, der Vorsitzende des größten tschechischen Gewerkschaftsdachverbandes, hat seinen Führungsposten verloren – und zwar weil er mehrere Monate lang seine Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt hat. Nun ist die Frage, ob mehr als nur Vergesslichkeit dahintersteckt?
In höchster Eile wurden am Montag die tschechischen Gewerkschaftschefs, die zum Dachverband ČMKOS gehören, zu einer Ratssitzung zusammengetrommelt. Bei dieser vernahmen sie mit Erstaunen, dass das Mandat des Vorsitzenden, Josef Středula, abgelaufen ist. Der Grund: Středula hatte fünf Monate lang seine Mitgliedsbeiträge nicht gezahlt. Der Vorsitzende gehört der Arbeitnehmerorganisation im Stahlwerk Vítkovice im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau an, die der Metallgewerkschaft Kovo angeschlossen ist.
„Wenn jemand längere Zeit seine Beiträge nicht zahlt, dann erlischt automatisch seine Mitgliedschaft. Das gilt für alle, auch der Vorsitzende des Dachverbandes ist davon nicht ausgenommen“, erläuterte Kovo-Chef Roman Ďurčo am Rande des Kongresses am Montag in Prag.
ČMKOS steht übersetzt für die Böhmisch-Mährische Konföderation der Gewerkschaftsverbände. Sie bildet mit 270.000 Mitgliedern die größte Gewerkschaftszentrale in Tschechien. Středula versuchte bei der Ratssitzung den Kollegen zu erläutern, was vorgefallen war. Demnach hatte er selbst gemerkt, dass er vergessen hatte, seine Mitgliedsbeiträge zu zahlen. Also habe er versucht, die ausstehende Summe zu überweisen, doch das Geld sei zurückgekommen, so der oberste Gewerkschafter. Deswegen erlosch am 24. November vergangenen Jahres seine Mitgliedschaft. Danach habe er die Überweisung aber noch einmal getätigt, sagte er. Und dadurch wurde Josef Středula am 14. Dezember wieder reguläres Mitglied.
Durch den zwischenzeitlichen Verlust der Mitgliedschaft ist jedoch das Mandat des Vorsitzenden erloschen. Dieses kann er erst beim Kongress des Dachverbandes wiedererlangen, er muss sich also erneut um den Posten bewerben. Der Rat hat daher für den 25. März einen solchen Kongress einberufen. Selbst sagte Středula nach der Ratssitzung:
„Ich habe mich dafür entschuldigt, dass ich einen Fehler begangen habe, der sich jedoch schwer entschuldigen lässt. Sie haben das unglaublich fair aufgenommen. Damit keine Zweifel aufkommen, wurde der Kongress einberufen. Ich bewerbe mich gerne erneut auf das Mandat und wäre froh über eine Bestätigung. Die Delegierten haben in der Hand, ob es anders kommt.“
Die Affäre hüllt den Gewerkschaftsdachverband allerdings in ein schlechtes Licht. Hätte die Angelegenheit nicht diskret geregelt werden können? Das fragen sich viele Beobachter. Auf das Problem hatte erst das Boulevardblatt „Blesk“ aufmerksam gemacht.
Matěj Ondřej Havel ist stellvertretender Vorsitzender der mitregierenden Partei Top 09. Er sagte am Montag in einer Debatte zu dem Thema im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:
„Ich kann verstehen, dass der Vorsitzende des Dachverbandes vergessen hat, seinen Mitgliedsbeitrag zu zahlen – mir geht es auch ab und zu so mit meinen Parteimitgliedsbeiträgen. Mir kommt es aber etwas eigenartig vor, dass er nicht rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht wurde. Ich frage mich, ob nicht der Boden bereitet wurde für seinen Austausch.“
Vonseiten der Mitstreiter Středulas hieß es, die Sache sei eine Lappalie. Aber nicht alle Chefs der Gewerkschaftsverbände antworteten auf die Nachfragen von Journalisten in dem Sinn, dass sie den bisherigen Vorsitzenden auf jeden Fall in seiner Kandidatur unterstützen wollen. So zum Beispiel Luboš Pomajbík, Vorsitzender der Verkehrsgewerkschaften…
„Wir sind ein demokratischer Verband, und wir müssen unsere Mitglieder vor dem Kongress befragen. Selbst werde ich mich auch nach den Ansichten unserer Mitglieder richten. Ich bin der Vorsitzende, der den Verband der Verkehrsgewerkschaften vertritt“, erläuterte Pomajbik.
Tatsächlich müssen es nicht alle Gewerkschaftsmitglieder für gut befunden haben, dass Josef Středula im Januar zum tschechischen Staatspräsidenten kandidiert hat. Zudem erreichte er nicht die Stichwahl. Und während ihn die Arbeitgeber und Regierungsvertreter zwar als harten Verhandlungspartner bezeichnen, muss dieses Urteil nicht auch innerhalb der eigenen Reihen gelten. So vermutet zum Beispiel der Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Petr Hartman, eine gewisse Unzufriedenheit im Metallgewerkschaftsverband Kovo:
„Die Metallgewerkschafter könnten Josef Středula vielleicht vorwerfen, zu gemäßigt zu sein und dass er nicht viel härtere Protestaktionen plant. Falls ihnen also Středula als Gewerkschaftschef nicht gefällt, ist die Frage, ob sie eine Vorstellung haben, wer ihn ersetzen könnte.“
Zuletzt hatte der ČMKOS – unter anderem aus Protest gegen das Sparpaket der Regierung – im Herbst einen Warnstreik organisiert. Einen größeren Effekt hatte dies jedoch nicht.