Kandidaten warben für ihre Vorstellungen von der Präsidentenrolle
Vor dem ersten Wahlgang nahmen die vier Präsidentschaftskandidaten die Möglichkeit wahr, um in kurzen Ansprachen vor den anwesenden Parlamentariern und vor einem Millionenpublikum an den TV-Bildschirmen noch einmal ihr Selbstverständnis und ihre Vorstellungen von der Rolle des Staatspräsidenten im Verbund von Staat und Gesellschaft darzustellen. Lothar Martin hat ihre wesentlichen Aussagen zusammengefasst.
Per Los wurde entschieden, in welcher Reihenfolge die vier Präsidentenkandidaten ans Rednerpult treten dürfen. In dieser Reihenfolge wollen auch wir sie Ihnen präsentieren.
Senatschef Petr Pithart, der Kandidat der Christdemokraten und Unionisten, machte deutlich, dass er als Präsident "außerhalb" des Parteienspektrums und nicht "über" den Parteien stehen will und dass der Präsident kein politischer Gegenspieler der Regierung sein dürfe. Pithart erklärte, dass er auch als Präsident weiter für seine Überzeugungen eintreten werde, die man seit Mitte der 60er Jahre in zahlreichen schriftlichen Zeugnissen im In- und Ausland nachvollziehen könne. Zu einer dieser Überzeugungen sagte Pithart: "So etwas wie eine Kollektivschuld existiert nicht. Es gibt nur die Schuld von konkreten Leuten. Das ist meine Überzeugung, die gleichzeitig meinem Verständnis über die tragischen Episoden der Menschheitsgeschichte entspricht." An dem, was er immer wieder geäußert habe, wolle er sich auch in Zukunft messen lassen, sagte Pithart. Miroslav Krízenecký, der Kandidat der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens, brachte wiederholt zum Ausdruck, dass der Präsident ein Anwalt für jeden Bürger sein müsse, dem Unrecht zuteil wurde, egal welchen Alters er ist, welcher Nationalität er angehört und wie hoch sein Konto auch sein möge. Die Prager Burg, so Krízenecký, müsse "der Schnittpunkt der Interessen der zehn Million Einwohner des Landes sein." Wie er es aber als möglicher Präsident allen recht machen will, das wusste Krízenecký nicht zu sagen. In die Anwaltsrolle schlüpfte auch Jaroslav Bures, der Kandidat der Sozialdemokraten. Als ehemaliger Richter und Justizminister bekannte er: "Ich biete ihnen deshalb an, was für die Haltung eines Richters, seine Rolle in der Gesellschaft und seine Aufgabe das wichtigste und was ihm zu eigen ist. Es ist die Unparteilichkeit und die Fähigkeit in gerechten Prozessen die richtige Entscheidung zu finden." Der Rechtsstaat, so Bures, sei auf einer ganzen Reihe von Bauelementen aufgebaut, den Ton darin aber müsse der Präsident der Republik vorgeben. Und er, so Bures, würde dafür sorgen, dass man Tschechien in der Welt auch als einen Rechtsstaat wahrnehme. Václav Klaus, der ehemalige Premier und Kandidat der Bürgerdemokraten, machte u.a. deutlich, dass es zum EU-Beitritt des Landes keine Alternative gebe, aber es wichtig sei zu wissen, welcher Union man beitrete. Deshalb habe er sich zur gegenwärtigen EU auch wiederholt kritisch geäußert. Gerade im Vorfeld des Referendums über den EU-Beitritt käme gerade ihm, so Klaus, als möglichem Präsidenten eine besondere Rolle zu. "Für die Zukunft wäre es gefährlich, wenn - bei einem linksorientierten Parlament und einer ebensolchen Regierung auch in das Präsidentenamt ein Kandidat der Linken oder der linken Mitte gelangen würde. Ich bin überzeugt, dass das zu einer Polarisierung der Gesellschaft führen würde und das Ergebnis des Referendums gefährden könnte." Bei der Ausübung der Präsidentenfunktion würde er, so Klaus, keine politische oder Interessengruppierung bevorzugen oder benachteiligen. Als einziger Kandidat hatte er - obwohl in der Vergangenheit immer ein hartnäckiger Widersacher von Václav Havel - auch lobende Worte für den scheidenden Dichterpräsidenten übrig."Im Ausland sollte der Präsident bekannt und glaubwürdig sein sowie respektiert werden. In dieser Hinsicht war die Position des bisherigen Präsidenten derart außergewöhnlich, dass ihn kaum jemand kopieren kann."