Kardinal Josef Beran - Verfolgter zweier Regime

Josef Beran

Es gibt nur wenige kirchliche Würdenträger, die in Tschechien mit einer Statue auf einem öffentlichen Platz geehrt werden. Im Dezember erhielt diese Ehre der ehemalige Prager Erzbischof und Kardinal Josef Beran, der die tschechische Kirche in den schwierigsten Zeiten des 20. Jahrhunderts leitete: während der nationalsozialistischen Besatzung und während des Kommunismus.

Viele Jahre lang floss das Leben von Josef Beran ohne größere Erschütterungen dahin. 1888 wurde er in Plzeň / Pilsen geboren, nach dem Abitur entschied er sich für die Laufbahn als Priester und studierte in Rom. Seine kirchliche Karriere entwickelte sich viel versprechend: 1932 wurde er Professor der pastoralen Theologie und kurz danach nahm er eine Stelle als Rektor des Priesterseminars in Prag an.

Doch dann kam die nationalsozialistische Besatzung des Landes mit dem so genannten Protektorat Böhmen und Mähren, der Zweite Weltkrieg begann - und Beran forderte mit seiner aufrechten Haltung die Besatzer heraus. Nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich im Jahr 1942 wird der Seelsorger verhaftet. Warum, das beantwortet die Historikerin Stanislava Vodičková:

„Es gab mehrere Ursachen. Zum einen war Beran bei den Gläubigen sehr beliebt und seine Gottesdienste erfreuten sich außerordentlich starken Zuspruchs. Schon dies missfiel der Gestapo und deshalb wurde er bereits vor seiner Verhaftung mehrmals verhört. Der zweite Grund war, dass er eine Messe speziell für die Häftlinge in den Konzentrationslagern las. Anlass dazu gab ein ehemaliger tschechoslowakischer Offizier, der aus einem KZ entlassen wurde und der Beran um diese Messe bat. Beran stimmte zu und führte diesen Gottesdienst als einen stillen Protest gegen die Nazi-Okkupation aus. Am Ende der Messe fügte er noch ein ´Pater Noster´ für das tschechische Volk an. Da in der Kirche auch viele Spitzel waren, wusste die Gestapo sofort davon. Und die dritte Ursache war, dass Beran es ablehnte, das Gebäude des Priesterseminars den Nazis zur Verfügung zu stellen. Sie wollten ihn aus seinem Posten drängen. Bald nach seiner Verhaftung wurde das Gebäude konfisziert und als Postministerium genutzt.“

Josef Beran wurde zunächst im bekannten Prager Gefängnis Pankrác inhaftiert. Hier sah er die ganze Brutalität der Nazis. Jeden Tag wurden dort Mitgefangene zum Richtplatz geführt und umgebracht. Beran erinnerte sich später, dass ihn dies zur Verzweiflung brachte und er viele Nächte durchweinte. Aus Pankrác kam Beran in das KZ Theresienstadt und dann nach Dachau:

KZ Dachau
„Im Jahre 1942 begannen die Nazis, die verhafteten Priester aller Konfessionen ins Konzentrationslager Dachau zu bringen. Seelsorger aus 27 Ländern wurden dort zusammengeführt mit dem Ziel, ihren Glauben durch das Zerstören ihres Menschseins zu zerbrechen. Manche von ihnen verfielen wirklich der Hoffnungslosigkeit. Beran ist es jedoch gelungen, den Mut aufzubringen und seine Mitbrüder geistlich und menschlich anzuregen. Es entstanden zahlreiche feste Freundschaften in dieser furchtbaren Umgebung. Was wichtig ist: In Dachau begegneten sich Priester, die unter anderen Umständen kaum zusammengetroffen wären: Katholiken, Orthodoxe, Protestanten oder auch Zeugen Jehovas. Alle waren sich bewusst, dass in dieser Lage alle theologischen Unterschiede nebensächlich waren. Es ging nicht darum, welche Kirche Recht hatte, sondern ob Europa in und nach der Nazi-Zeit noch christlich genannt werden kann. Es ging damals um die Zukunft aller europäischen Völker. Das schuf die Grundlage für die Partnerschaft der christlichen Kirchen. Angesichts des totalitären Regimes wurde offensichtlich, dass eine Zusammenarbeit notwendig war“, so Historikerin Vodičková.

Nach dem Krieg kehrte Beran in seine Heimat zurück. Das Wissen von seiner Standhaftigkeit verbreitete sich schnell im ganzen Land. Im November 1946 wurde er zum 33. Prager Erzbischof ernannt. Diese Wahl wurde landauf, landab begeistert angenommen: Seine Bischofsweihe im Veitsdom auf der Prager Burg wurde ein Volksfest, an dem Tausende Menschen einschließlich der höchsten Politiker teilnahmen. Beran selbst spürte jedoch, dass die Zukunft nicht so rosig sein dürfte. Wie er später in einem Gespräch sagte, hatte er bei seiner Bischofsweihe an die Worte aus dem Evangelium gedacht: „Heute ruft man Hosanna und Morgen kreuzige ihn!“

Tatsächlich sollte es bereits wenige Jahre später zum Konflikt kommen mit den neuen kommunistischen Machthabern. Nachdem die Kommunisten im Februar 1948 die Macht ergriffen, begannen für alle, die ihnen im Weg standen, schwere Zeiten. Die Kommunisten wollten die Kirche innerlich zersetzen und die Gläubigen gegen die Kirchenleitung aufbringen. Der Historiker Jaroslav Šebek:

Historiker Jaroslav Šebek
„Im Frühling 1949 entstand die so genannte ´Katholische Aktion´, die der Keim einer neuen, nationalen und vor allem dem Staat untergeordneten Kirche werden sollte. Zu ihren Zielen gehörten auch Angriffe auf offizielle kirchliche Würdenträger und ihre Verleumdung, an erster Stelle stand dabei Erzbischof Josef Beran. Die Bischofskonferenz reagierte mit der Herausgabe eines Hirtenbriefs, der zu Fronleichnam am 19. Juni 1949 in allen Kirchen verlesen werden sollte. Die Katholische Aktion wurde in dem Hirtenbrief für illegitim erklärt und die Gläubigen wurden dazu aufgefordert, sich nicht mit ihr einzulassen. An manchen Orten wurde jedoch das Verlesen des Hirtenbriefs verhindert, indem die Staatspolizei den Priestern Gewalt und Verhaftung androhte. Josef Beran war natürlich bereit, bei seinem Gottesdienst im Veitsdom den Hirtenbrief zu verlesen und seine persönliche Erklärung zur Situation zu geben. Der Dom war jedoch mit vielen Polizeispitzeln gefüllt. Als Beran zu sprechen begann, störten sie mit lautem Pfeifen und Schreien. Sofort nach diesem Gottesdienst wurde Josef Beran verhaftet. Die nächsten 14 Jahre verbrachte er in der Internierung unter staatlicher Aufsicht: zunächst im Erzbischofpalast in Prag und dann an mehreren weiteren Orten in der Tschechoslowakei.“

Anfang der fünfziger Jahre führte das kommunistische Regime politische Prozesse gegen viele Seelsorger. Äbte von Klöstern, Ordensbrüder und Priester wurden zu langjährigen Gefängnisstrafen und Zwangsarbeit verurteilt. Auch Josef Beran sollte der Prozess gemacht werden, doch dazu kam es nie. Stanislava Vodičková erläutert:

„Allgemein heißt es, dass das Regime überrascht war von den internationalen Protesten gegen die Hinrichtung von Milada Horáková, einer bedeutenden Politikerin der Zwischenkriegszeit. Deswegen hätten die Kommunisten es nicht gewagt, einen weiteren ähnlichen Prozess zu inszenieren. Beran hatte schließlich auch im Ausland einen sehr guten Ruf. Die Kommunisten entschieden sich dann für eine andere Lösung. Ohne jeden Gerichtsprozess isolierten sie ihn in seiner Residenz, ließen ihn nicht mehr hinausgehen und erlaubten niemandem, ihn zu besuchen. Seine Korrespondenz und Telefongespräche wurden kontrolliert. Die Prager Erzdiözese hatte einen nachgiebigen Verwalter, so dass die totalitären Herrscher freie Hände hatten.“

Im März 1951 wurde Erzbischof Beran ins Dorf Roželov südlich von Prag deportiert. Die Bedingungen dort waren ähnlich wie in einem Gefängnis, nur zur Arbeit wurde er nicht gezwungen und es waren keine Besuche erlaubt. Josef Beran konnte mit niemandem sprechen, die ganze Zeit über blieb er allein. Anklage wurde keine erhoben, nicht einmal zur Kollaboration wurde er aufgefordert. Es ging darum, ihn psychisch zu vernichten. Die Kommunisten wollten, dass Beran nicht mehr fähig war, die Öffentlichkeit zu beeinflussen.

Doch Beran war so standhaft, dass dies die Pläne der kommunistischen Machthaber durchkreuzte. Viele Jahre später verriet er, dass er die Zeit mit Gebeten verbracht hat. Er betete sich für sich selbst, für seine Nation und auch für seine Unterdrücker, wodurch er zu innerer Sicherheit und Ruhe gelangte, wie er sagte. Dies dauerte bis 1965, als Papst Paul VI. Josef Beran zum Kardinal ernannte. Jaroslav Šebek beschreibt die weiteren Ereignisse:

„Diese Ernennung zum Kardinal wurde Anlass für einen Dialog zwischen dem Vatikan und der kommunistischen Tschechoslowakei. Das Ergebnis der Verhandlungen war, dass Beran zur Ernennungszeremonie nach Rom fahren konnte, jedoch ohne die Möglichkeit, in seine Heimat zurückzukehren. Er selbst hatte dieses Angebot sehr gründlich überdacht. Schließlich stimmte er zu, weil er zum Schluss gekommen war, dass es die bestmögliche Lösung für die Kirche sei. Mit seiner Ausreise öffnete sich nämlich auch der Weg zur Ernennung eines Nachfolgers. Die Prager Erzdiözese konnte also endlich einen regulären Hirten bekommen. Dieser Nachfolger wurde František Tomášek, später auch eine bedeutende Person des Widerstands gegen den Kommunismus.“

Berans Ankunft in Rom war von großem Medieninteresse begleitet. Er unternahm danach viele Reisen in alle Welt. Im April 1965 fuhr er nach Dachau, anlässlich des 20. Jahrestages der Befreiung des KZ traf er dort mit ehemaligen Mitgefangenen zusammen. Sein wichtigster Auftritt fand jedoch im September 1965 statt: Beim zweiten vatikanischen Konzil hielt er eine Rede über die Freiheit des Bewusstseins. Beran sprach sich auch für eine neue Sicht des böhmischen Reformators Jan Hus aus, der im Spätmittelalter als Ketzer verbrannt worden war. Diese Rede wurde sehr hoch bewertet und beeinflusste die Atmosphäre des Konzils.

Als Josef Beran 1969 starb, erlaubten die Kommunisten nicht, den Leichnam in der Tschechoslowakei beizusetzen. Auch nach seinem Tod hielten sie den Kardinal für gefährlich. Papst Paul VI. entschied deshalb, ihn in der Gruft des Petersdoms in Rom zu begraben. Diese Ehre wird üblicherweise nur Päpsten zu Teil. Auch dies unterstreicht die Bedeutung, die Josef Beran hatte.