Katholischer Priester und Ehemann – der Bischofssekretär Jan Kofroň im Gespräch
In Deutschland ist das Thema ein Dauerbrenner. Geht es um Kirche taucht neben der umstrittenen Position des Schwangerschaftsabbruchs auch schnell die Frage des Zölibats, also der Ehelosigkeit bei Priestern auf. In Tschechien hat der Vatikan gezeigt, dass es auch anders geht. Jan Kofroň ist der erste und einzige katholische und verheiratete Priester weltweit, der mit päpstlichem Segen geweiht wurde und nicht aus einer protestantischen Kirche konvertiert ist. Mit Jan Kofroň im Folgenden ein Interview über eine außergewöhnliche Berufungsgeschichte, die Gefahren in der Untergrundkirche der Tschechoslowakei und das Zölibat in der katholischen Kirche.
„Ich bin ja 1944 geboren. Mein Vater wurde gleich nach dem kommunistischen Putsch aus dem Justizministerium geworfen und konnte keine Arbeit finden. Und ich durfte, weil ich nicht proletarischer Herkunft war, mein Studienfach nicht selbst wählen - es wäre nämlich die Paläontologie gewesen, die es mir angetan hatte und mit der ich mich viel beschäftigt habe. Ich musste aber Agrarwissenschaften studieren und dieses Studium habe ich 1966 abgeschlossen. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich durch Arbeiten in Fachbibliotheken und in Agrarbetrieben mit verschiedenen Ausrichtungen, zum Beispiel der Pflanzenzüchtung oder Saatgutproduktion. Erst im Untergrund habe ich dann später Theologie studiert.“
Sie sind Sekretär des Weihbischofs Václav Malý und zwar schon seit zwölf Jahren. Was hat man da für Aufgaben?
„Alle Impulse von außen– sowohl mündlicher als auch schriftlicher Natur - laufen über mich und ich bearbeite dann auch gleich alles, was mir möglich ist. Ansonsten bereite ich Materialien und Briefe für den Bischof vor. Die meisten Briefe sind von mir aufgesetzt und das ist eine schöne und auch sehr kreative Aufgabe: Man muss sich in denjenigen, der sich an uns wendet, einfühlen und nach seinem jeweiligen Anliegen eine Antwort basteln (lacht).“
Sie haben eingangs schon erzählt, dass Sie nicht immer Priester waren. Was haben Sie nach der Schule gemacht?
„Das ist richtig, ich war nicht immer Priester. Als Junge mit 13 oder 14 Jahren träumte ich davon Priester zu werden, aber das war eher eine Schwärmerei. Gott sei Dank habe ich aber rechtzeitig gemerkt, dass das Zölibat nicht mein Weg sein kann. Ich habe geheiratet und dann mein Studium der Agrarwissenschaft abgeschlossen. Erst im Untergrund habe ich dann angefangen nebenbei noch Theologie zu studieren. Ausschlaggebend dafür war ein Salesianer, der in den 70er Jahren nach dem so genannten Prager Frühling als Fensterputzer getarnt am Wenzelsplatz gearbeitet hat. Um diesen Salesianer sammelten sich im Laufe der Zeit immer mehr junge Paare und auch Einzelpersonen, die einen tieferen Sinn in ihrem Leben suchten. Ich war zu dieser Zeit schon lange mit dem Salesianer befreundet. Er hatte eine – wie man bei uns sagt – gute Nase. Er hatte gute und viele Kontakte, die auch in den tiefsten Untergrund reichten. Es war nicht ganz einfach, diese geheime Linie zu entdecken, aber ihm ist es gelungen.“
Sie haben sich dann im Kommunismus entschieden Priester zu werden, also zu einer Zeit, in der staatlich verordneter Atheismus herrschte. Wie haben sie das denn geheim halten können?
„Man musste sehr darauf bedacht sein, die Regeln der Illegalität einzuhalten. Das hieß, dass man keine Treffen per Telefon vereinbaren durfte. Im Notfall hatten wir einen Zahlenschlüssel, so dass wir Nachrichten codieren konnten. Dieser Code bestand aus vier Gruppen von jeweils zwei Ziffern. Beim Telefonieren konnte man also zum Beispiel sagen: ‚Hör mal zu Hansi, ich hab vergessen, dir die Nummer des Motors zu sagen. Notier dir die doch bitte schnell.’ Aus dieser Nachricht konnte der Angerufene dann entnehmen, wann und wo ein Treffen stattfand. Dies wurde aber nur bei kurzfristigen Terminänderungen gemacht. Ansonsten lief alles nur mündlich. Es gab nichts Schriftliches wie Dokumente oder solche Dinge. So etwas war unmöglich. Man hatte schon Erfahrungen aus den 50er und 60er Jahren, wo die Kirche in gewissem Sinne etwas naiv handelte. Denn unsere Gegenspieler – und das wussten wir später ganz genau – waren die in Moskau perfekt geschulten Agenten, die alle diese Methoden beherrschten. Also: Die beste Kommunikation war keine Kommunikation.“
Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat sich dann ja auch die Untergrundkirche aufgelöst und die meisten Untergrund-Priester wurden später in die griechisch-katholische Kirche aufgenommen, weil dort die Priester verheiratet sein dürfen, was ja viele Untergrund-Priester waren. Das war aber bei Ihnen nicht der Fall. Wieso?
„Wir alle hatten Schwierigkeiten mit unserem Gewissen, eine Weihe sub conditione – eine nochmalige Weihe – zu empfangen. Erst nach neun Jahren haben 18 von uns diese Wiederweihe oder Bedingungsweihe empfangen und zwar im griechisch-katholischen Ritus. Im Unterschied zu diesen 18 hat es Kardinal Vlk durch seinen Einfluss in Rom irgendwie geschafft, dass ich als Einziger direkt im westlichen Ritus dienen darf.“
Das dauerte allerdings lang, erst im Mai vergangenen Jahres konnte der Prager Kardinal Miloslav Vlk dies erreichen. Erzählen Sie uns von Ihrer Weihe sub conditione!
„Zuerst hatte ich Angst davor. Aber es wurde eine schöne Feierlichkeit. Das Wunderbarste war aber, dass diese Weihe auch zur Rehabilitierung meiner Frau beigetragen hat. Ich habe sie vor der gesamten versammelten Gemeinde im Ornat geküsst und die ganze Kirche hat geklatscht. Das war fantastisch! Ich habe ihr einen Strauß Gerbera geschenkt. Das habe ich auch schon zur Hochzeit gemacht. Aber zur Hochzeit waren es weiße Gerbera und dieses Mal rote. Sieben Gerbera – sieben Stück, wie damals.“
Wie sehen Sie denn als verheirateter Priester das Zölibat und die Ehelosigkeit in der katholischen Kirche?
„Meiner Meinung nach sollte das Zölibat keine conditio sine qua non sein, sondern eine Berufung. Falls es eine Berufung ist, dann ist es fantastisch! Dann hat der zölibatäre Priester wirklich 24 Stunden für seine Umwelt zur Verfügung. Aber wenn ihn die Einhaltung des Zölibats viel Energie kostet, dann hindert ihn es mehr an der Ausübung seines Amtes, als das es ihm nützt. Das ist dann sehr schade.“