Keine Kameliendame ohne den Brünner Georg Joseph Camel: Er gab der Blume seinen Namen

Foto: Kristýna Maková

Jetzt im Februar halten wir überall nach Frühlingsboten Ausschau. Von denen zeigt sich noch keiner, dafür steht die Winterkönigin in voller Blüte, die Kamelie. In Tschechien kann man sie an fünf Orten sehen, im Botanischen Garten in Liberec / Reichenberg sowie auf vier Schlössern in der Nähe von Brno / Brünn. Kaum einer weiß, dass auch der Namensgeber der Kamelie aus Brünn stammte, nämlich Georg Joseph Camel. Er feiert in diesem Jahr seinen 350. Geburtstag. Über ihn und wie die Kamelie zu ihrem Namen kam, berichtet Iris Riedel in unserem heutigen Geschichtskapitel.

o

Kamelie  (Foto: Kristýna Maková)
1661 wurde in Brünn Georg Joseph Camel geboren - sein Name sollte der Welt mehr im Bewusstsein bleiben, als seine Verdienste. Er stammte aus einer relativ armen Familie, die ihn ins Brünner Jesuitenkloster zur Schule schickte. Er entwickelte früh ein großes Interesse für Pflanzen und ging deshalb beim Klosterapotheker in die Lehre. Von ihm wurde er in die Botanik der Heilpflanzen eingeführt. Nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitete Georg Joseph Camel erst in Südböhmen und wurde dann im Dienste des spanischen Königshauses als Missionar auf die Philippinen entsandt. Die Philippinen waren eine spanische Kolonie. Die Reise führte den Jesuiten über Südeuropa und Mittelamerika auf die philippinische Insel Luzon. Mehr als zwei Jahre dauerte die Reise, erzählt Eva Dvořáková vom Denkmalamt Brünn.

„Dann kam er endlich auf der Insel Luzon auf den Philippinen an, wo er sich neben seiner missionarischen Tätigkeit auch seinem Steckenpferd widmete. Er sammelte und zeichnete Pflanzen und erforschte ihreo Heilwirkung.“

Camel beschrieb als Erster den Lianenstrauch Strychnos ignatii, der das Gift Strychnin enthält. Eine Pflanze, die der Heidelbeere in seiner Heimat zum Verwechseln ähnlich sah, nannte er Myrtillus bohemicus, also Böhmische Heidelbeere. Camel war nicht nur um seinen eigenen Wissenszuwachs bemüht, sondern sandte auch Zeichnungen und Herbare nach Europa.

„Damals schickte man eigentlich getrocknetes Pflanzenmaterial, aber die Bedingungen auf den Schiffen waren schwierig, zum Beispiel wegen der Feuchtigkeit, und die Pflanzen sind oft nicht angekommen. Deshalb hat Camel die Pflanzen auch gezeichnet. Er war sehr talentiert, seine Zeichnungen waren sehr präzise. Alle Experten sagen, dass er eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe besaß, sodass seine Zeichnungen beinahe wie Fotografien der Vorlage wirken“, sagt Dvořáková.

Nicht nur die schlechten Bedingungen auf den Schiffen erschwerten die Kommunikation zwischen Europa und den Philippinen. Oft wurden die Schiffe von Seeräubern gekapert. Auch Camels erste Sendung aus dem Jahre 1698 verschlang das Meer. Seine wichtigsten Ansprechpartner in Europa waren die berühmten Botaniker John Ray und James Petiver, die seine Zeichnungen veröffentlichten und bekannt machten.

„Heute befinden sich die Zeichnungen an zwei Orten. Einmal im British Museum in Großbritannien, das waren die späteren Zeichnungen. Der erste Teil wanderte durch Europa und ging von Hand zu Hand, bis er irgendwann zu den Jesuiten ins belgische Leuven gelangte“, so Dvořáková.



Insgesamt sandte er über 650 Zeichnungen und Herbare nach Europa. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass seine erste Sendung erst acht Jahre vor seinem Tod die Philippinen verließ und nicht alle Sendungen ihr Ziel erreichten. Lange nach Camels Tod schuf der schwedische Botaniker Carl von Linné die heute allgemeingültige Nomenklatur für Pflanzen. Camel zu Ehren nannte er eine aus China stammende Pflanze „Camellia“, die wir heute als Kamelie kennen. Matthias Riedel von den Botanischen Sammlungen im sächsischen Zuschendorf hat sich eingehend mit der Geschichte der Kamelie beschäftigt.

„Er wusste natürlich über die großartigen Verdienste von Camel, der die Flora der Philippinen beschrieben hat. Nicht unbedingt als Erster, aber er war der Erste, dessen Herbare und Aufzeichnungen in Europa angekommen sind und damit kann man ihn schon als Erstbeschreiber der Flora der Philippinen betrachten.“

Linné allerdings unterschied, wie alle vor ihm, die Zierform der Pflanze vom Tee. Obwohl Teepflanzen sich im Aussehen stark von den Zierkamelien unterscheiden, gehören sie beide in die Gattung Kamelie. Botaniker Riedel:

„Wenn man an Kamelie denkt, denkt man natürlich immer an die Zierform. Aber der eigentliche Wirtschaftsfaktor der Kamelie liegt in erster Linie beim Tee. Bei einer Jahresproduktion von drei Millionen Tonnen spielt das schon eine riesige Rolle. Der zweite Faktor liegt in der Herstellung des Öls aus den Früchten mit einer Jahresproduktion von 200.000 Tonnen allein in China.“

Was Forscher lange umtrieb, ist die Frage, ob Camel die Pflanze, die nach ihm benannt ist, überhaupt kannte. Oft wird die Frage verneint, Matthias Riedel ist da anderer Meinung.

Matthias Riedel  (Foto: DPA)
„Dass er die Gattung Camellia, sprich den Tee, kannte, ist eigentlich nachgewiesen, denn er hat die Pflanze selbst gezeichnet. Und das ist auch logisch, denn zu Camels Zeit gab es auf den Philippinen sehr viele chinesische Einwanderer, und die Chinesen haben natürlich den Tee auch mitgebracht. Es ist mit Sicherheit Camel nicht verborgen geblieben, dass der Tee nicht nur eine Genusspflanze, sondern auch eine Arzneipflanze ist. Das fiel in sein Fach als Apotheker und damit ist sowieso klar, dass er sich mit dieser Pflanze beschäftigt hat.“

Wilhelm ten Rhijne
Eine Mittlerrolle könnte auch der Arzt und Botaniker Wilhelm ten Rhijne gespielt haben, der im indonesischen Batavia lebte, vermutet Riedel.

„Dieser holländische Arzt ten Rhijne hat sich intensiv mit Tee beschäftigt, hat sogar ein Buch geschrieben. Und hier gibt es einen nachweislichen Briefwechsel zwischen Camel und diesem holländischen Arzt ten Rhijne.“

Bleibt noch die Frage, ob Camel auch die Zierform gekannt hat, die wegen ihrer Schönheit als japanische Rose bezeichnet wird und mit der sein Name heute eher verbunden wird als mit dem Tee. Laut Riedel gibt es auch dafür ein Indiz. Camels Kontaktmann in England, James Petiver, erhielt nicht nur von Camel Zeichnungen, die er dann veröffentlichte. Meist erschienen in einem Band die Zeichnungen mehrerer Forscher. In einem der Sammelbände findet sich neben Camels Zeichnungen auch die Zeichnung der Zierform einer Kamelie. Matthias Riedel vermutet deshalb, dass Camel über Petiver von der Zierform der Kamelie erfahren haben könnte. Diese gelangte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Britischen Ostindien-Kompanie auch als Pflanze nach England und trat von da aus ihren Siegeszug über Europa an. Kein Adelshaus im 19. Jahrhundert, das sich nicht mit der japanischen Rose schmücken wollte. Dieser Trend machte auch vor der Heimat Camels nicht Halt, erläutert Matthias Riedel.

Max Švabinský: Weiße Kamelie
„Der größte Kamelienproduzent, die Firma T. J. Seidel, war in Dresden. Ein Bruder des Firmeninhabers hat sich in Wien mit einer Kameliengärtnerei ansässig gemacht. Da gab es sogar ein Kamelienlokal dazu. Europaweit gab es damals eine richtige Manie. Und da ist es natürlich einfach klar, dass das Land zwischen Wien und Dresden sich notgedrungen auch irgendwie mit Kamelien beschäftigen musste.“

Aus dem Werk des tschechischen Malers Max Švabinský sind die Kamelien kaum wegzudenken. Auch Alfons Mucha zeichnete eine Kameliendame. Eine weitere tschechische Besonderheit ist, dass die Kamelie hier noch einen weiteren Namen erhielt: velbluděnka, der heute mit dem Wissen um Camel nicht nur Eva Dvořáková zum Schmunzeln bringt.

Schloss Sychrov  (Foto: CzechTourism)
„Das stammt aus der Zeit der nationalen Wiedergeburt in Tschechien, als man versuchte die tschechische Sprache, die stark vom Deutschen beeinflusst war, zu tschechisieren und damit vom Deutschen abzugrenzen. Im Fall der Kamelie dachte man, dass der Name vom deutschen Wort Kamel stammt. Das heißt auf Tschechisch velbloud und daher dann die Bezeichnung velbluděnka.“

Dass das Wort Kamelie überhaupt in die Auswahl der Wörter gekommen ist, für die man ein tschechisches Pendant finden wollte, zeigt, welche gesellschaftliche Bedeutung die Pflanze im 19. Jahrhundert auch in Böhmen und Mähren hatte. Heute kennt man 250 Sorten der Kamelie. Auf den Schlössern in Sychrov bei Liberec und im südböhmischen Český Krumlov / Krumau gab es damals Sammlungen mit 600 bis 700 Sorten. Die fünf bedeutendsten Sammlungen im Tschechien der Gegenwart sind im Umfang wesentlich kleiner, ihre Historie aber nicht weniger interessant, sagt Matthias Riedel.

Heilquelle in Karlsbad  (Foto: Barbora Kmentová)
„Einmal gibt es natürlich die wunderschöne Geschichte, wie ein Gärtner aus dem zerbombten Dresden Kamelien nach Karlsbad gebracht hat. Die haben dort jahrzehntelang in der Stadtgärtnerei gestanden. Nach den Umbrüchen wollte man am Standort der Stadtgärtnerei ein Hotel bauen. Man wusste nicht, wohin mit den Kamelien. Man hat sie bei den Heilquellen aufgestellt und sicher, weil es einfach war, mit mineralischem Wasser gegossen, was der Tod einer jeden Kamelie ist. Und so standen die irgendwann ohne Blätter da. Glücklicherweise erinnerte man sich in Karlsbad an einen begnadeten Gärtner und er hat die Kamelie in seine Orangerie nach Lysice genommen und sie dort wieder zum Grünen und zum Blühen gebracht.“

Richtig ins Schwärmen gerät der Botaniker Riedel bei einer zweiten tschechischen Sammlung.

Blumengarten in Kremsier  (Foto: CzechTourism)
„Die zweite historisch sehr interessante Geschichte ist natürlich der Blumengarten in Kremsier, weil man dort die Kamelie genau so beobachten kann, wie sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall in Europa gehalten wurde. Dass sie also in Orangerien überwintert und im Sommer im Freien aufgestellt wird. Dort in Kremsier gibt es tatsächlich noch aus der Anfangszeit der Kamelienmanie in Europa 41 Kübelpflanzen.“



Schloss Frýdlant  (Foto: CzechTourism)
Eine ähnlich alte Sammlung befindet sich im Botanischen Garten Liberec, wohin man sie vom berühmten Wallenstein-Schloss Frýdlant brachte. Die Herkunft solcher alten Sammlungen wie in Kremsier, also Kroměříž, und Liberec ist schwer zu belegen. Die drei übrigen Sammlungen auf den mährischen Schlössern Lysice, Rájec nad Svitavou und Buchlovice dagegen sind mit großer Wahrscheinlichkeit Dresdner Ursprungs. Das Sortiment der einst größten Kameliengärtnerei Europas, der Firma T. J. Seidel Dresden, verwaltet heute Matthias Riedel in den Botanischen Sammlungen Zuschendorf. Zwischen den Gärtnern im sächsischen Zuschendorf und Tschechien besteht seit Jahren ein reger Austausch. Dieser mündet 2011 in die erste Deutsch-tschechische Kamelienblütenschau, veranstaltet von den Botanischen Sammlungen Zuschendorf und dem Denkmalamt Brünn. Ein Teil der Ausstellung wird dem Namensgeber der Kamelie gewidmet sein, dem Brünner Georg Joseph Camel.

Kamelienpflegen  (Foto: Archiv des Landschlosses Zuschendorf)
Wer sich ins Landschloss Zuschendorf aufmachen will, um mehr über Georgius Josephus Camel zu erfahren und um die Ausstellung mit tschechischen und deutschen Kamelienblüten zu sehen, kann das vom 19. bis 27. März tun. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Näheres erfahren Sie im Internet auf www.kamelienschloss.de.

Autor: Iris Riedel
schlüsselwort:
abspielen