Koalitionsverhandlungen: schwerer Stand für den Wahlsieger in großen Städten
Überall in den Städten und Gemeinden sind die Koalitionsverhandlungen angelaufen. Vor allem die großen Parteien, die Sozialdemokraten und die Bürgerdemokraten, versuchen, sich den Posten des Oberbürgermeisters zu sichern. Die Sozialdemokraten gelten in vielen Städten als Wahlsieger, doch auch dort sieht es für sie nicht immer gut aus. Lothar Martin sprach mit Christian Rühmkorf über die laufenden Verhandlungen.
„Es droht für die Sozialdemokraten in der Tat das einzutreten, was schon nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Mai passiert ist: Die Sozialdemokraten sind die Wahlsieger, die Regierungskoalition stellt aber ein Mitte-Rechts-Bündnis. Natürlich muss man auf kommunaler Ebene etwas genauer hinsehen. Hauptsächlich reden wir über die so genannten statutarischen Städte mit größerer Selbständigkeit. Davon gibt es insgesamt in Tschechien 24. In 13 von ihnen waren die Sozialdemokraten die Partei mit den meisten Stimmen. Fest steht jedenfalls, dass die Sozialdemokraten in Karviná, ganz am östlichen Rand der Republik, allein regieren können. Da hatten sie über 50 Prozent errungen.“
Und wo sind die Sozialdemokraten sicher oder aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Rennen und nehmen auf der Oppositionsbank Platz?„Schmerzhaft ist es auf alle Fälle in sechs Städten: In Olomouc / Olmütz, Hradec Králové / Königgrätz, Jihlava / Iglau hat sich eine Mitte-Rechtskoalition formiert aus Bürgerdemokraten (ODS), Top 09 und Christdemokraten. Die gleiche Konstellation wird auch in Přerov, in Ústí nad Labem / Aussig und in Pardubice die Macht in den Rathäusern übernehmen. In all diesen Städten war die sozialdemokratische ČSSD die stärkste Partei in den Kommunalwahlen und geht jetzt leer aus.“
Wie sieht es denn bisher mit den Koalitionsverhandlungen in der zweit- und drittgrößten Stadt in Tschechien aus, in Brünn / Brno und Ostrava / Ostrau?„In Brünn wird heiß verhandelt. Hier hatten die Sozialdemokraten über 30 Prozent eingefahren. Ihr Oberbürgermeister Onderka verhandelt zurzeit über eine große Koalition mit den Bürgerdemokraten, die auf fast 22 Prozent kamen. Nach Informationen der Zeitung Právo hat Onderka den Bürgerdemokraten angeblich die meisten Sitze im Stadtrat angeboten. Natürlich nicht umsonst: Die Sozialdemokraten wollen weiterhin mit Onderka den Sessel des Oberbürgermeisters besetzen. Aber auch in Brünn ist eine Mitte-Rechts-Koalition nicht aus dem Spiel. Allein, die dortigen Bürgerdemokraten sind gespalten in linken und rechten Flügel. In Ostrava sieht es für die Sozialdemokraten besser aus, über 32 Prozent sind eine gute Ausgangsposition gegenüber einer mit 18,5 Prozent recht schwachen ODS. Hier geht es um eine große Koalition; nicht ausgeschlossen haben die Sozialdemokraten aber auch eine Koalition mit den Kommunisten.“
Ein letztes Wort zum Stand der Dinge in Prag?Da hatte ja mit über 30 Prozent die neue konservative Top 09 die Prager Dauerpartei ODS, also die Bürgerdemokraten, herausgekegelt. Am wahrscheinlichsten galt auch hier eine große Koalition mit den Bürgerdemokraten, die aber hier eben schon lange nicht mehr den besten Ruf haben. Und das ist vielleicht auch der Grund, weshalb der so gut wie designierte neue Oberbürgermeister Tůma am Montagabend auch eine Ehe mit den Sozialdemokraten nicht ausschloss.