Hundert Gramm Demokratie und die Probleme Moskaus mit Terroranschlägen

In der tschechischen Tagespresse standen bei den Kommentaren zwei Themen im Vordergrund: der Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo und das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts zur Manipulation von Wählerstimmen bei den Kommunalwahlen.

Wir beginnen mit dem Urteil. Das Verfassungsgericht hat am Dienstag gesagt, dass der Kauf von Wählerstimmen bei den Kommunalwahlen nicht rechtens ist, auch wenn kein Gesetz dies verbietet. Durch den Stimmenkauf werde nämlich der freie Wille der Wähler verbogen, so die Verfassungsrichter. Sie übten damit scharfe Kritik am Kreisgericht Ústí. Die dortigen Richter hatten befunden, dass das Gesetz über die Kommunalwahlen eine „marktwirtschaftliche Deutung der Wahlen“ nicht verbiete. Jana Bendová lobt in der Mladá fronta Dnes ausdrücklich das Urteil des Verfassungsgerichts:

Jana Bendová
„Will irgendjemand in einer Stadt leben, in der die Sitze im Stadtrat verkauft werden wie Salami im Laden? Nicht nur 100 Gramm, sondern gleich die ganze Salami? Wir sollten uns nichts vormachen: Hätte das Gericht diese Konsum-Mentalität nicht verboten, würden weiter fröhlich Stimmen gekauft. Das wird zwar auch weiter hie und da geschehen, aber heimlich und illegal. Es gibt immer noch genügend Menschen, denen ihre Wählerstimme komplett egal ist und diese für ein paar Hundert Kronen verkaufen. Und es gibt auch genügend, die diese Schwäche, dieses Desinteresse oder die Armut dieser Menschen ausnützen. Die ersten werden wir nicht ändern, doch vor den zweiten müssen wir uns schützen.“

Martin Zvěřina fragt indes in der Lidové noviny, wie man die Ansicht der Verfassungsrichter verstehen muss, dass ein korrumpierter Wählerwille nicht frei sein kann:

„Kann nur der Wähler als bestochen gelten, der ein Handgeld bekommen hat, oder auch jener, der einen Kalender mit spärlich angezogenen Politikerinnen erhalten hat, oder vielleicht auch ein Wähler, der mit Aussicht auf eine Verschrottungsprämie sein Kreuzchen macht? Für die Zeit nach den nächsten Wahlen hat sich das Verfassungsgericht ganz schön Arbeit eingehandelt, da wird es Beschwerden nur so regnen.“


Opfer des Terroranschlags auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo  (Foto: ČTK)
Die tschechischen Zeitungskommentatoren reflektieren intensiv auch den Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo. Bei dem Selbstmordattentat waren am Montag 35 Menschen gestorben und weit über 100 verletzt worden. Zbyněk Petráček schreibt in der Lidové noviny, dass es nicht das erste islamistische Attentat in Moskau ist und vergleicht dies mit anderen Städten wie London, Madrid, New York oder auch Bombay:

„Fakt ist, dass keine dieser Metropolen die Wiederholung eines Terroranschlags erlebt hat. Die Wiederholungen zieht nur Moskau an oder besser: Die Stadt kann sich ihrer nicht erwehren. Das ist der Kern des Problems, und vielleicht ist es auch der Charakter der russischen Gesellschaft. (…) In den USA ist Präsident Obama vor die Öffentlichkeit getreten und hat gesagt, dass der Fehler im System liegt. Sagt nach insgesamt acht Terror-Attentaten in Moskau innerhalb von zwölf Jahren irgendein politischer Führer in Russland, dass es einen Fehler im System gibt?“