Kommentar auf Klaus' Rücktrittsankündigung/ Künftige Entwicklung des Rundfunk- und Fernsehrates?
Seien Sie herzlich willkommen, meine Damen und Herren, beim Medienspiegel von Radio Prag. Am Mikrophon begrüßt Sie Silja Schultheis.
"Warum sollte Klaus Vorsitzender der ODS bleiben?", fragt die auflagenstärkste Tageszeitung Mlada fronta dnes in ihrer Freitagsausgabe und fährt fort:
"Die ODS hat zum zweiten Mal hintereinander eine Niederlage durch ihren Hauptrivalen erlitten. An dieser zweiten Niederlage ist eindeutig die falsch gewählte Strategie des Parteivorsitzenden Vaclav Klaus schuld.
Der Name Klaus wird heute allgemein mit negativen Dingen verbunden: mit dem Oppositionsvertrag, mit Wirtschaftskriminalität, mit intolerantem politischen Stil.", schreibt Mlada fronta dnes.
Die Zeitung Lidove noviny vertritt folgende Ansicht:
"Die Bürgerdemokraten machen sich - glaubt man den Worten ihres Vizevorsitzenden Jan Zahradil - auf eine lange Zeit in der Opposition gefasst. Auf die Frage, ob sie in den nächsten Wahlen gewinnen wollen, sagte Zahradil, der Linksruck sei langfristiger und dauere möglicherweise länger als eine Legislaturperiode. Der bisherige Vorsitzende Vaclav Klaus ist bei weitem nicht so defätistisch. Er möchte die Rechte vereinen und dann mit ihr siegen."
Allerdings - geben Lidove noviny zu bedenken:
"Vaclav Klaus hat sein Potential an Glaubwürdigkeit ausgeschöpft und ist für die breite Bevölkerung nicht mehr attraktiv. Er sollte es daher anderen überlassen, das Positive aus der Klaus-Ära zu verteidigen."
Der außerordentliche Parteitag, auf dem die gesamte ODS-Führung ihre Ämter zur Verfügung stellen will, ist für Dezember angesetzt. Die Zeitung Pravo kommentiert am Freitag die Wahl dieses Zeitpunkts:
"Es lässt sich leicht erraten, warum Vaclav Klaus den ODS-Parteitag erst im Dezember haben will, warum er die Wahlergebnisse nicht schon etwa im September bewerten will, wie es die Freiheitsunion vorhat. Im Dezember sind bereits die Kommunal- und Senatswahlen vorbei. Der ODS-Vorsitzende spielt ein gerissenes Spiel. Man kann es wohl nicht anders nennen als krankhafte Sucht nach Macht."
Soweit Pravo und soviel zu diesem Thema.
Die mangelnde Unabhängigkeit der tschechischen Medien von der Politik wurde bereits des öfteren kritisiert, sowohl im Inland als auch von unabhängigen Beobachtern. Es ist beispielsweise ein offenes Geheimnis, dass der private Fernsehsender TV Nova und das Boulevard-Blatt eindeutig auf der Seite der ODS stehen. Ist es nicht eigentlich absurd, dass trotz dieser medialen Unterstützung die Klaus-Partei bei den Wahlen eine klare Niederlage einstecken musste? Der Medienexperte Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie in Berlin wertet dies als gutes Zeichen für kritischen Bürgergeist:
"Es hat sich Gott sei Dank gezeigt, dass die Absichten solcher Medien nicht in die Realität transplantiert werden können. Die Bürger haben einfach voll ihre Kompetenz bewiesen, so dass so eine massive Verdummung einfach keinen Effekt hatte."
Jaromir Volek, Mediensoziologe an der Brünner Masaryk-Universität, ist hier skeptischer und sieht - gewissermaßen als Lehre aus dem Wahlkampf - folgende Gefahr:
"Wenn diese sehr enge Beziehung zwischen dem privaten Fernsehsender TV Nova und der bürgerdemokratischen Partei ODS bestehen bleibt und Nova weiter das europaskeptische Programm der ODS propagieren wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Beteiligung an dem Referendum über den tschechischen EU-Beitritt, das in ungefähr einem Jahr stattfinden soll, noch geringer ausfällt als die Wahlbeteiligung jetzt. Das halte ich für die aktuellste Gefahr."
Die meisten von Ihnen, meine Damen und Herren, werden sich wahrscheinlich noch gut an den massiven Streik im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen vor eineinhalb Jahren erinnern. Ein wichtiger Kritikpunkt der Streikenden war damals die allzu parteiische Besetzung des Rundfunk- und Fernsehrats.
Diese Besetzung dieses höchsten Kontrollorgans erfolgte noch nach Parteischlüssel, d.h. die politischen Parteien nominierten einzelne Kandidaten und wählten diese dann auch direkt in den Rat. Diese Praxis steht klar im Widerspruch zu dem neuen Mediengesetz. Es schreibt vor, dass die Mitglieder des Rundfunk- und Fernsehrates weder eine Funktion in einer politischen Partei oder Bewegung innehaben noch zu deren Gunsten auftreten dürfen. Im Rundfunk- und Fernsehrat sitzen aber gegenwärtig gleich einige Mitglieder politischer Parteien, darunter die beiden ODS-Mitglieder Petr Zantovsky und Petr Stepanek, die aus ihrer Loyalität zur Partei von Vaclav Klaus keinen Hehl machen.
Es ist daher nicht überraschend, dass nach der Wahlniederlage der ODS die Neubesetzung des Rundfunk- und Fernsehrates wieder im Gespräch ist.
Der Medienexperte Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie in Berlin sieht hier zwei denkbare Varianten für die Zukunft dieses Gremiums:
"Die eine ist, dass die jetzigen Wahlsieger einfach eine Siegermentalität und Siegerjustiz anwenden und das gleiche machen werden wie die Vorgänger, nur unter einem anderen Vorzeichen. Die zweite Möglichkeit wäre, dass sie eine Reform durchführen und die Struktur so ändern, dass die generelle direkte Befehlsgewalt vom Parlament aus bis zum Redakteur eingeschränkt wird und hier doch eine gewisse Öffnung und Befreiung der Medien eintritt - was im übrigen auch z.B. der Europarat längst verlangt hat. Die Vorlagen dazu liegen auf dem Tisch."
Für Jaromir Volek ist die von Sonka skizzierte zweite Möglichkeit einer Umstrukturierung des alten bisherigen Rundfunk- und Fernsehrates eine entscheidende Aufgabe, um die politische Manipulation der Medien zu stoppen. Gegenüber Radio Prag erklärte er, wie er sich die Neubesetzung konkret vorstellt:
"Entscheidend ist nicht die Abberufung des bisherigen Rates, sondern die Neubildung bzw. eine Gesetzesnovelle in die Richtung, dass die Mitglieder des neuen Rates z.T. vom Senat, ein Teil vom Abgeordnetenhaus, ein Teil vom Präsidenten gewählt werden - wie es z.B. in Frankreich der Fall ist. Und außerdem sollten auch wichtige gesellschaftliche Organisationen - Kirchen, Gewerkschaften u.s.f. - Mitglieder ernennen können, wie es beispielsweise typisch für Deutschland ist. Wenn das gelingen würde, wäre das eine deutliche Verbesserung der Situation."
Und das war's wieder einmal im Medienspiegel von Radio Prag. Für Ihre Aufmerksamkeit bedankt sich Silja Schultheis und freut sich auf ein Wiederhören in einer Woche.