Einigung oder doch nicht? Weiter Tauziehen um Regierungsbildung

Mirek Topolánek (Foto: ČTK)

Wer soll die Regierungsgeschäfte in Tschechien und der EU führen? Diese Frage beschäftigt bereits seit rund zehn Tagen die tschechische und die europäische Öffentlichkeit. Am 24. März hat das Abgeordnetenhaus der Regierung Topolánek das Misstrauen ausgesprochen. Seither ringen die Spitzenvertreter der politischen Parteien um die Macht im Land. Dienstagnacht sah es noch nach einer baldigen Einigung aus. Seit Mittwoch stehen die Zeichen allerdings wieder auf Sturm. Daniel Kortschak fasst zusammen.

Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Am Dienstag verhandelten der geschäftsführende Premierminister und Chef der konservativen ODS, Mirek Topolánek, und der Vorsitzende der Sozialdemokraten (ČSSD), Jiří Paroubek, bis spät in die Nacht. Danach schien eine Lösung der Regierungskrise in greifbare Nähe gerückt. Die beiden Spitzenpolitiker hatten vereinbart, Neuwahlen am 16. und 17. Oktober anzusetzen. Bis dahin sollte eine Regierung aus parteiunabhängigen Experten die wichtigsten Geschäfte führen. Wir haben darüber berichtet. Am Mittwochnachmittag, kurz vor seinem Abflug zum G20-Gipfel in London, aber trat ein sichtlich gereizter Premier im Abgeordnetenhaus vor die Presse. Von Einigung war plötzlich keine Rede mehr. Viel mehr sprach Topolánek von politischer Erpressung durch die Sozialdemokraten:

„Ich frage Jiří Paroubek, ob es ihm wirklich um eine Einigung seiner Sozialdemokraten mit den drei Koalitionsparteien geht, oder ob er nur vorgibt, zu verhandeln und ihn Wahrheit schon mit den Kommunisten 101 Stimmen für eine neue gemeinsame Regierung gefunden hat.“

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
In diesem Fall möge Paroubek doch zu Präsident Václav Klaus gehen und um den Auftrag zur Regierungsbildung bitten.

„Ich lehne die Bildung einer anderen als einer Übergangsregierung ab. Und ich habe nicht die Absicht, eine solche Regierung irgendwie politisch zu beeinflussen und daraus eine Koalitionsregierung zu machen.“

Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
Gleichzeitig kritisierte der gestürzte Regierungschef Präsident Václav Klaus, der Druck ausübe und den Parteien nicht genug Zeit für Verhandlungen lasse. Über die Hintergründe des plötzlichen Meinungsumschwungs von Mirek Topolánek lässt sich zurzeit nur spekulieren. Seine eigene ODS-Fraktion im Abgeordnetenhaus dürfte mit dem Verlauf der Verhandlungen nicht zufrieden gewesen sein. Topolánek habe den Sozialdemokraten zu große Zugeständnisse gemacht, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Außerdem wolle Jiří Paroubek die Kommunisten an der Regierung beteiligen, so der Vorwurf der ODS-Abgeordneten. Der ČSSD-Chef wies das empört zurück. Von einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten könne keine Rede sein.

„Ich habe nur gesagt, dass wir diese Fragen auch mit den Kommunisten erörtern werden. Eine unabhängige Partei kann sprechen, mit wem sie will. Das ist allein unsere Sache. Mich interessiert auch nicht, mit wem sich die ODS über die Entsendung von Experten in die Übergangsregierung berät.“

Mirek Topolánek weilt zurzeit in London beim G20-Gipfel. Nach seiner Rückkehr nach Prag am Freitag sind weitere Gespräche zur Lösung der Regierungskrise geplant.