Kommentare zum tschechischen EU-Referendum
"Eine so gute Nachricht haben nur echte Optimisten erwartet: Die Tschechen haben sich mit einem lauten Ja in die Europäische Union begeben", bemerkt die Zeitschrift Respekt euphorisch.
"Eine so gute Nachricht haben nur echte Optimisten erwartet: Die Tschechen haben sich mit einem lauten Ja in die Europäische Union begeben", bemerkt die Zeitschrift Respekt euphorisch und fährt fort:
"Mehr als die Hälfte der Bürger ist zu den Wahlurnen gekommen und drei Viertel davon haben sich für Brüssel entschieden. Der wichtigste Moment seit dem NATO-Beitritt. Die Etappe der Hamlet'schen Überlegungen "Sein oder Nicht-Sein in der Union" ist beendet. Jetzt bricht die Zeit für eine wichtigere Frage an: Was werden wir in der Union tun? Es hängt jetzt von den Tschechen selbst ab, wie sie die künftige Gestalt des Kontinents mitbeeinflussen wollen. Werden wir den Beitritt der Türkei unterstützen? Wie stellen sich unsere Politiker zum weiteren Schicksal der landwirtschaftlichen Subventionen? Es wird eine interessante und offene Debatte, es wird eine interessante und offene Welt."
Mit bitterer Ironie hingegen kommentiert die Internetzeitung Neviditelny pes (dt. unsichtbarer Hund) den Ausgang des Referendums:
"Einen herzlichen Glückwunsch unserer Regierung! So hervorragend manipulierte Wahlen habe ich seit dem Jahr 1989 noch nicht erlebt. Die Regierung hat uns mehr oder weniger alle Risiken und Nachteile des EU-Beitritts verheimlicht. Außenminister Cyril Svoboda hat sogar am Tag vor dem Referendum im privaten Fernsehsender Nova verkündet, dass er keinerlei Nachteile des Beitritts kennt! Dabei kannte fast niemand von uns den Beitrittsvertrag und seine einzelnen Punkte."
Der Kommentator wundert sich daher nicht über die zurückhaltenden Reaktionen der Tschechen auf das Ergebnis des Referendums:
"Es ist bezeichnend und aufschlussreich, dass unsere Bürger sich nicht besonders über den Ausgang der Abstimmung freuten, wie einige Kommentatoren und Politiker mit Verwunderung feststellten. Sie haben vergessen, dass der Bürger nicht dumm ist. Es waren nicht wenige, denen die Manipulation der Regierung, die mediale Massage und den Mangel an Informantionen zu einer verantwortlichen Entscheidung bewusst war. Deshalb war auch nur wenigen zum Lachen zumute":
Die Zeitung Pravo hebt umgekehrt das Vertrauen der Bürger hervor und blickt hier insbesondere auf diejenige Bevölkerunsgruppe, die immer eher als EU-skeptisch galt, sich im Referendum aber klar für den Beitritt ausgesprochen hat:
"Der Dank gilt den tschechischen Senioren. So oft im Leben von falschen Versprechungen betrogen, haben sie für die Europäische Union gestimmt. Nicht für sich, sondern für ihre Kinder und Enkel. Dieses Vertrauen ist eine große Auszeichnung für die EU und für alle tschechischen Regierungen eine Verpflichtung, alle Möglichkeiten, die die EU bietet, gut zu nutzen."
Äußerst kritisch beurteilten nahezu alle Medien das Verhalten von Staatspräsident Vaclav Klaus, der den Ausgang des Referendums lediglich mit der Bemerkung kommentierte, er sei von dem Ergebnis nicht überrascht und die die Tschechische Republik müsse sich jetzt so gut es geht in Europa einleben. Dazu notiert die Tageszeitung Mlada fronta dnes:
"Begrüßt das Staatsoberhaupt jetzt das Ergebnis der Abstimmung oder nicht? Bislang wissen wir es nicht. Wenn er es aber nicht gleich nach der Veröffentlichung der Ergebnisse am Samstagnachmittag gesagt hat, ist es auch schon egal. Es ist bereits zu spät. Klaus hat den bislang größten Fehler in seinem Amt gemacht."
Weiter macht sich der Kommentator Gedanken über die Gründe von Klausens Schweigen:
"Wenn Klaus sich entschieden hat, nicht zuzulassen, dass im Falle des Referendums seine politischen Konkurrenten - Premier Vladimir Spidla und Außenminister Cyril Svoboda erfolgreich waren, dann verhält er sich nicht wie ein Präsident aller Bürger. Denn diese haben im Referendum mit Ja gestimmt, auch wenn sie vielleicht die Politik von Spidla und Svoboda nicht schätzen. Irgendwann werden wir von Herrn Klaus vielleicht erfahren, dass alles ganz anders war, aber dann wird es bereits zu spät sein."
Auch die Zeitung Hospodarske noviny distanziert sich vom Verhalten des Präsidenten bezüglich des Referendums und insbesondere davon, dass Klaus bis zuletzt verheimlichte, wie er selber gestimmt habe.
"Ich sage Ihnen eine einzige Sache, nämlich dass ich richtig gewählt habe, und das ist die entscheidende Nachricht", sagte der Präsident im Wahllokal auf die Frage von Journalisten. Ob richtig bedeutet, dass er mit JA oder mit NEIN gestimmt hat, hat niemand erfahren. Das einzige, was die Bürger wissen, ist dass der Präsident ein Patent auf die 'richtige' Entscheidung hat. Und das ist von einem liberalen Konservativen und Demokraten, der häufig andere in diesen Werten belehrt, ein sehr merkwürdiges Verhalten. Das beliebteste Beispiel des Präsidenten über die Europäische Union ist das von einer Vernunftehe statt einer Liebesheirat. Aber auch zu einer Vernunftehe muss man schließlich JA sagen."
Klaus selbst äußerte sich am Mittwoch in der Zeitung Mlada fronta dnes zu der gegen ihn laut gewordenen Kritik und verwies darauf, dass er das Referendum bewusst nicht zu einer persönlichen Kampagne missbraucht habe wie andere Politiker. Zudem habe er im Vorfeld der Volksabstimmung lediglich seine seit langem bekannte Einstellung zum EU-Beitritt wiederholt, nämlich dass es zu diesem keine Alternative gäbe, es sich aber um eine Vernunftehe, nicht um eine Liebesheirat handele. Und weiter schreibt Klaus:
"Bewusst aber habe ich es abgelehnt, eine Atmosphäre mit zu schaffen, in der keine seriöse Debatte über die Vor- und Nachteile unseres EU-Beitritts geführt werden darf, da dies fast als etwas Unanständiges gilt. Ich habe den tschechischen Bürgern mehrfach gesagt, dass wir nicht über den Eintritt ins Paradies abstimmen, sondern über den Eintritt in eine Gesellschaft, in der einzelne Staaten legitim ihre Interessen durchsetzen und das daher nicht die Erwartung vorherrschen darf, dass in der EU jemand anderes unsere Probleme für uns lösen wird. Und wenn jemand glaubt, dass es meine Pflicht war mitzuteilen, wie ich selber im Referendum abgestimmt habe, dann ist das nur ein Beweis für die immer noch andauernde Ablehnung einiger grund legender Aspekte des demokratischen Wahlrechts."
Im übrigen, so schließt Klaus, habe er nicht die Möglichkeit gehabt, sich im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen live zu den Ergebnissen des Referendums zu äußern, lediglich der Tschechische Rundfunk habe ihm dies ermöglicht.