Kommentare zur Unterzeichnung der EU-Beitrittsverträge in Athen
"Der Beitrittsvertrag bietet Tschechien eine schicksalhafte Gelegenheit", schreibt die Zeitung Lidove noviny zur Unterzeichnung der EU-Beitrittsverträge in Athen am vergangenen Mittwoch, die im Mittelpunkt dieser Sendung steht. Von den tschechischen Medien wurde sie vielfach als historisches Ereignis dargestellt, stieß aber nicht auf ein uneingeschränkt positives Echo. Lidove noviny bemerken dazu weiter:
"Athen war aber auch eine Warnung. Zum einen davor, dass unsere Politiker nicht den Fehler machen sollten, interne Streitigkeiten über die Gestalt der Union im Ausland zu präsentieren. Eine weitere Warnung ist die Forderung Jacques Chiracs, die neuen Mitglieder der europäischen "Familie" sollten lernen, mehr nachzudenken und disziplinierter sein als sie es in der Irak-Krise waren. Der gestrige Tag bot vor diesem Hintergrund Anlass zum Feiern und zum Nachdenken. Wir sollten die Ambition haben, Europa mitzugestalten und fähig sein, unsere Vision etwa derjenigen Chiracs entgegenzusetzen."
Daniel Kaiser, Kommentator der tschechischen Redaktion der britischen BBC, zeigte sich im Gespräch mit Radio Prag skeptisch, was die Möglichkeit einer eigenen tschechischen Position in der EU anbelangt:
"Die tschechische Republik wird in der Europäischen Union sowieso nur geringe Möglichkeiten haben, auf eigene Faust zu handeln. Man muss sich dann sowieso entweder auf die eine oder auf die andere Seite positionieren. Insofern hat Klaus, glaube ich, recht, wenn er meint, dass man sich die Verbündeten in Europa nicht ein für alle mal auswählt."
In der Frage der Agrarpolitik, so Kaiser, sollten sich die Tschechen beispielsweise auf die Seite Deutschlands und Frankreichs stellen, hinsichtlich der Frage nach einheitlichen europäischen Steuern hingegen eher gegen Deutschland und Frankreich stimmen. Diesen Wechsel von Verbündeten hat seiner Meinung nach der tschechische Präsident Vaclav Klaus richtig begriffen.
"Insofern hat Klaus sicherlich recht, dass man sich seine Verbündeten von Fall zu Fall aussuchen muss. Wo er allerdings meiner Meinung nach irrt: Man muss sich in jedem Fall in der Union irgendwelche Verbündeten suchen. Und Klaus verhält sich zumindest gegenwärtig in der Irak-Krise so, als wenn man sich keine Verbündeten suchen müsste."
Mit der Bedeutung der Irak-Krise für die erweiterte Europäische Union beschäftigt sich auch die Zeitung Hospodarske noviny und schreibt:
"Der diesjährige Streit um das Vorgehen gegen das Regime von Saddam Hussein hat die gegenwärtigen und künftigen EU-Mitglieder in dem Moment in die hohe Politik hineingezogen, als die großen Spieler angefangen haben zu fragen, wer auf welcher Seite steht. Diese Debatte ist mit dem Kriegsende im Irak nicht beendet. Einige Mitglieder machen bereits jetzt deutlich, dass sie eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik durchsetzen wollen. Die Tschechische Republik tritt in diese Debatte - wie bereits mehrfach zuvor - nicht geschlossen ein, da ihre politischen Repräsentanten in dieser Frage nicht einig sind. Wenn sich das nicht bald ändert, wird die tschechische Stimme in der Union und in der Welt schwach sein."
Bedeutender als die Unterzeichnung der Beitrittsverträge sind nach Meinung von Daniel Kaiser von der BBC die noch bevorstehenden weiteren Schritte zum tschechischen Beitritt:
"wie etwa das Referendum oder die Abstimmungen in den Parlamenten der jetzigen EU-Mitgliedsstaaten. Das ist, glaube ich, wichtiger als dieser formale Akt der Unterzeichnung."
Was das für Juni geplante tschechische Referendum zum EU-Beitritt anbelangt, so wurde in den Medien hierzulande vielfach das zu laxe Vorgehen der tschechischen Politiker kritisiert, die zu selbstverständlich mit einem positiven Ergebnis rechnen. So warnte etwa die Zeitung Lidove noviny mit Blick auf das Referendum in Ungarn am vergangenen Wochenende:
"Das ungarische Referendum kann für die Tschechen lehrreich sein. Der leichtfertige Zugang der pro-europäischen tschechischen politischen Szene verwandelt sich im Schatten der ungarischen Erfahrung in einen gefährlichen Sprengstoff. Vielleicht haben sich auch die Ungarn gesagt, dass alles entschieden ist, und sind lieber zuhause geblieben. Einen ähnlichen Luxus können sich die Tschechen aber schwerlich leisten. Gegen den Beitritt sind eine dreiviertel Million kommunistischer Wähler. Und die Kommunisten gehen bekanntlich gerne zu den Wahlurnen."
Die Kritik an der laxen Haltung tschechischer Politiker im Vorfeld des Referendums teilt BBC-Kommentator Daniel Kaiser nicht. Seiner Meinung nach zeigen die Meinungsumfragen allesamt eine klare Tendenz auf:
"Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Tschechen ja sagen. Insofern, glaube ich, haben die Politiker recht, die meinen, dass eine Werbung oder eine Kampagne sowieso nicht von großem Wert ist."
Wovon hängt es letztlich ab, ob die Tschechen tatsächlich am Referendum teilnehmen oder nicht? Entscheiden sie sich am Wahlmorgen oder lassen sie sich in den zwei Monaten, die bis zum Referendum bleiben, doch noch beeinflussen?
Kaiser verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Stimmung im Land gegenwärtig grundsätzlich pro-europäisch sei:
"Man hört eigentlich keine seriösen Argumente gegen die Mitgliedschaft. Das müsste doch die Menschen beeinflussen, wenn sie sich umschauen und sehen, dass verschiedene bekannte Persönlichkeiten 'ja' zu Europa sagen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Faktor, dass das Ja zu Europa ein konformes Verhalten sein wird."
Laut Parlamentsbeschluss ist die Teilnahme an dem Referendum vom Ausland aus nicht möglich. Das heißt, dass im Ausland lebende Tschechen, wenn sie über den EU-Beitritt des Landes mit entscheiden wollen, extra nach Tschechien reisen müssen. Hören Sie dazu abschließend einen Kommentar aus der Zeitung Hospodarske noviny:
"Nach Meinung der tschechischen Regierung wäre es zu teuer, die Teilnahme an der Wahl auch in den diplomatischen Vertretungen im Ausland zu ermöglichen - zumal die Wahlbeteiligung dort gering wäre. Die Regierung hat diesmal, genau wie im vergangenen Jahr bei den Parlamentswahlen, die einfache und billige Form der Briefwahl vergessen, wie sie in vielen zivilisierten Ländern üblich ist. Im Referendum kann jede Stimme entscheidend sein. Umso unverständlicher ist die Geringschätzung der Stimmen aus dem Ausland. Es ist zu vermuten, dass die Mehrheit der dort lebenden Tschechen für den EU-Beitritt stimmen würde."