Kommunistischer Ex-Premier Strougal wegen Amtsmissbrauch angeklagt

Zwölf Jahre nach der Wende in der damaligen Tschechoslowakei, der sogenannten Samtenen Revolution, sind erst neun Vertreter der vergangenen totalitären Machtordnung für ihre Missetaten und Verfehlungen in Tschechien bestraft worden. Und von denen musste mit Miroslav Stepán erst einer hinter Gitter. Eine kärgliche Bilanz für das hierzulande eigens eingerichtete Amt zur Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus. Seit Freitag versucht die Staatsanwaltschaft diese "Ausbeute" etwas aufzubessern, indem sie Anklage gegen den ehemaligen kommunistischen Ministerpräsidenten der Tschechoslowakei, Lubomir Strougal erhob. Näheres zu den Einzelheiten von Lothar Martin.

Das Amt zur Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus (UDV) existiert sechs Jahre. Seit dieser Zeit wurden 160 Personen entsprechender Verfehlungen beschuldigt. Doch zur Durchsetzung der Anklage, sprich: zu einer Bestrafung, kam es nur in den besagten neun Fällen. Davon erhielten fünf eine Strafe auf Bewährung, während von den übrigen vier Verurteilten drei ihre Gefängnisstrafe aus gesundheitlichen Gründen nicht angetreten haben. Ein wahrlich ernüchterndes Ergebnis, insbesondere aus der Sicht der Opfer.

Nun soll im zweiten Versuch dem ehemaligen Premier Strougal der Prozess gemacht werden, nachdem der erste Versuch gescheitert war. Hier hatte man vergeblich versucht, Strougal zu überführen, dass die Errichtung und Bewaffnung der ehemaligem Volksmilizen nicht durch das Gesetz gestützt wurde. Nun wird Strougal Amtsmissbrauch vorgeworfen. 1965 habe er als ehemaliger Innenminister ein Schriftstück an den Generalprokurator zurück gehalten, aus dem hervorgehe, wie durch die brutalen Verhörmethoden der tschechoslowakischen Staatssicherheit (StB) im Jahr 1948 drei Menschen ums Leben gekommen sind. Auf der Grundlage der durch das UDV ausgearbeiteten Anklageschrift wurde die Anklage am Freitag von der Staatsanwältin für Prag 7 Eva Zárecká beim zuständigen Gericht erhoben. Doch ob und wann es zu einer Hauptverhandlung kommen wird, steht bisher noch in den Sternen. Der zuständige Richter Tomas Hájek erklärte, dass er die umfassende Anklageschrift erst studieren müsse und er im August auch noch Urlaub habe. Der Verteidiger des ehemaligen kommunistischen Spitzenfunktionärs, JuDr. Josef Lzícar, jedenfalls sieht der möglichen Hauptverhandlung gelassen entgegen: "Mit der Anklage haben wir gerechnet, da uns dies schon im Dezember vorigen Jahres direkt vom UDV signalisiert worden ist, nahezu zwei Monate vor Beendigung der Untersuchungen. Ich glaube, dass das Gericht keine der vorzulegenden Beweise anerkennen wird. In der Sache wurden nahezu 40 Zeugen gehört und sie haben keines der Argumente bestätigt, auf die die Anklage offenbar aufgebaut ist. Der Text der Anklageschrift selbst liegt uns bisher noch nicht vor."

Allein die Tatsache, dass dem 76-jährigen Strougal die Anklage nicht überraschend traf, verdeutlicht, dass beim vermeintlichen Versuch, die Verbrechen der Alt-Kommunisten aufzudecken und zu ahnden, alte Seilschaften noch immer Hand in Hand arbeiten. Und bei der bisher mehr als laschen Beweisführung des UDV wäre es nahezu schon eine Sensation, wenn nach Miroslav Stepán mit Lubomir Strougal wieder einmal ein hochrangiger Ex-Funktionär für seine Anweisungen und Handlungen aus der Zeit der kommunistischen Diktatur zur Verantwortung gezogen würde. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.