Konferenzen zur Geschichte von Tschechen und Polen in Wroclaw/Breslau
Die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn und Polen sind die vier Länder der so genannten Vysehrad-Gruppe. Am vergangenen Wochenende ging in der polnischen Stadt Wroclaw/Breslau das Vysehrad-Festival zu Ende, bei dem nicht nur Kunst und Kultur dieser Länder präsentiert, sondern auch über Geschichte gesprochen wurde. Oliver Engelhardt ist vor Ort der Frage nachgegangen, warum tschechische Geschichte auch in Polen interessant ist:
Gleich zwei Tagungen waren es, die beim diesjährigen Vysehrad-Festival in Wroclaw/Breslau in Polen auf dem Programm standen. "Zwischen Zwangsfreundschaft und echter Solidarität" - so lautet der Titel der Historikerkonferenz, die von 4. bis 6. November an der dortigen Universität stattfand. Dabei galt das Augenmerk den polnisch-tschechischen bzw. polnisch-tschechoslowakischen Beziehungen in den Umbruchsjahren 1938/39, 1945, also zu Beginn und Ende des Zweiten Weltkriegs und schließlich 1989. Zur Erinnerung: In Polen war bereits Ende August 1989 in den ersten halbfreien Wahlen Tadeusz Mazowiecki gegen die kommunistischen Machthaber zum Regierungschef geworden. In Prag hingegen war der 17. November 1989 der Tag der friedlichen Revolution. Zum Jahr der Wende hat Marek Pedziwol, Journalist aus Ceský Tesín/Teschen eine besondere Theorie:
"Vor genau 15 Jahren fand in Wroclaw das erste Festival unabhängiger tschechischer und slowakischer Kultur statt. Ein großes Ereignis, das der Samtenen Revolution in Prag nur um wenige Tage, zwei Wochen vorausging. Ich denke, dass dieses Festival einen gewissen Einfluss auf den Verlauf der Revolution in Prag hatte, denn es zeigte den Leuten, die hier waren - und hier waren einige Tausend Tschechen - wie man gemeinsam gegen das Regime auftreten und seinen Freiheitswillen demonstrieren kann."
Marek Pedziwol ist Organisator einer zweiten Tagung, zu der Wissenschaftler, Publizisten, Künstler, Politiker und Aktivisten unabhängiger Bürgerorganisationen aus acht europäischen Ländern nach Wroclaw/Breslau gekommen waren. "Gemeinsam die Geschichte wieder entdecken" so der Titel der Veranstaltung in der Nationalbibliothek Ossolineum in Wroclaw/Breslau.
Die Kommentatorin der tschechischen Zeitung Lidové noviny Petruska Sustrová moderierte eine erste Diskussion der Konferenz zur Frage wie viel geschichtliche Erinnerung die Politik braucht. Der deutsche Historiker Klaus Bachmann überraschte die anderen Teilnehmer dabei mit folgender Aussage:
"Geschichte hat keinen Sinn und deshalb kann man auch nichts aus ihr lernen. Der einzige Sinn, der in der Geschichte liegt, ist der Sinn, den wir ihr heute geben, das heißt die Erklärungen, die wir heute in die Geschichte hineininterpretieren."
Für viele ein unbequemer, ein herausfordernder Gedanke. Gesprächsstoff gab es in Wroclaw also genug.
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