Krise im Tschechischen Fernsehen spitzt sich zu - Sendungen eingestellt

Das, was mit der Umbesetzung des Chefpostens beim Tschechischen Fernsehen (CT) vor gut einer Woche als eine scheinbar kleine Revolte einiger Fernsehjournalisten hierzulande begann, hat sich mittlerweile zu einem handfesten Eklat ausgeweitet. Denn seit Mittwoch Abend gegen 19.50 Uhr können die tschechischen Bürger weder auf dem ersten noch auf dem zweiten Sendekanal der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt ein Programm empfangen. Der Grund: der neue CT-Generaldirektor Jiri Hodac hat sich an den Rat der Tschechischen Republik für Rundfunk- und Fernsehübertragungen gewandt mit dem Antrag, zu prüfen, welches der beiden über die Weihnachtsfeiertage ausgestrahlten Programme des Senders das legale und autorisierte im Einklang mit dem entsprechenden Fernsehgesetz sei und welches nicht. Bis zur Klärung dieser Angelegenheit ließ er Kraft seines Amtes die Ausstrahlung jeglichen Programms der Fernsehanstalt einstellen. Lothar Martin hat die letzten Entwicklungen im Konflikt um das Tschechische Fernsehen für Sie zusammen gefasst.

Seit der vom Rat des Tschechischen Fernsehens am 12. Dezember ausgesprochenen Abberufung des CT-Generaldirektors Dusan Chmelicek und der danach eiligst vorgenommenen Inthronisierung von ODS-Anhänger Jiri Hodac zum neuen Fernsehchef herrscht Unfrieden in der führenden TV-Anstalt im Lande. Und seit der Ernennung von Jiri Hodac zum neuen Generaldirekor am 20. Dezember stehen sich sogar zwei Gruppen unversöhnlich gegenüber - eine relativ kleine um den neuen Fernsehboss und jene der gegen dessen Amtsübernahme rebellierenden Mehrheit der Beschäftigten des Fernsehsenders.

Das Ausmaß dieses Konflikts trat bei den irrelavanten Nachrichtensendungen über Weihnachten offen zutage. Deshalb haben sich am Mittwoch vermehrt auch führende Vertreter der tschechischen politischen Szene zur Krise im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen zu Wort gemeldet. Und nicht nur das. Die Vizepremiers der tschechischen Regierung, Pavel Rychetsky und Vladimir Spidla, versuchten zudem, in diesem Konflikt zu vermitteln. Allerdings ohne Erfolg. Rychetsky, dem Hodac das vermittelnde Gespräch zwischen beiden Seiten verweigert hatte, sagte daher vor Journalisten: "Wir sind der Meinung, dass die Situation unannehmbar ist. Sie darf nicht weiter anhalten, wir müssen sie lösen. Die Regierung hat einen eingeschränkten Handlungsspielraum, doch den will sie voll und ganz ausnutzen. Auf der Regierungssitzung am 3. Januar wird daher der Entwurf des Gesetzes über das Tschechische Fernsehen verhandelt - ein Entwurf, der ermöglichen soll, dass ein neuer Fernsehrat gewählt werden kann, der in der Tat unabhängig sein sollte."

Mit diesen Worten traf Rychetsky zugleich das Kardinalproblem des Konfliktes: die unter den Angestellten des Fernsehsenders vorherrschende Inakzeptanz gegenüber dem derzeitigen, in der Mehrzahl aus Anhängern der beiden größten Parteien im Lande zusammengestellten Fernsehrat.

Jiri Hodac sieht sich jedoch durch diesen Fernsehrat als legitim und gesetzeskonform gewählter CT-Generaldirektor an, weshalb er seine Vorgehensweise auch wie folgt begründet: "In der Situation, wo es hier zu Sendungen eines nicht autorisierten Managements kommt, in der Situation, wo es zu einer klaren Verletzung des Gesetzes kommt, wenn sich in den Räumlichkeiten des Tschechischen Fernsehens eine beträchtliche Anzahl von Leuten aufhält, die hier nichts zu suchen hat, in dieser Situation denke ich ist es an der Reihe, den Rat für Fernseh- und Rundfunkübertragungen ein klares Wort darüber fallen zu lassen, auf welcher der beiden Seiten das Gesetz steht."

Doch die Maßnahme des Fernsehchefs, bis zur Klärung dieses Streitpunkts die Programmausstrahlung zu unterbinden, stößt auf harsche Kritik. So hat das politische Gremium der regierenden Tschechischen Sozialdemokratischen Partei (CSSD) Hodac bereits unmissverständlich zum Rücktritt aufgefordert. Präsident Vaclav Havel äußerte in einem Gespräch für die Nachrichtenagentur CTK, das Tschechische Fernsehen (CT) und den Tschechischen Rundfunk über den Prozess der Abberufung des ehemaligen Generaldirektors Dusan Chmelicek, die Inthronisierung seines Nachfolgers Jiri Hodac und die dabei praktizierte Vorgehensweise des Fernsehrates folgendes. "Möglich, dass man in diesem Fall im Einklang mit dem Buchstaben des Gesetzes vorging, aber entgegen dessem Sinn, entgegen dessem Geist, und das ist ungeheuer gefährlich. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit im Februar 1948, als eine lange, Jahrzehnte andauernde Diktatur begann und sich in jenem Februar auch alles vollkommen legal und im Einklang mit dem Buchstaben des Gesetzes abgespielt hat, allerdings im Widerspruch mit dem Geist der Nachkriegsverfassung."

ODS- und Abgeordnetenchef Vaclav Klaus hielt der Aussage des Präsidenten entgegen, dass "auch er im gegenwärtigen Geschehen um das Tschechische Fernsehen Anzeichen des Februar 1948 sehe, allerdings genau von der entgegengesetzten Seite als der Präsident, und zwar von der Seite derer, die die Verletzung der Gesetze nicht gutheißen."

Es hat ganz den Abschein, dass die größte Krise in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Tschechien auch die politische Szene im Lande eher noch weiter zerrütten, denn konsolidieren wird. Sie wird uns auf alle Fälle noch in das nächste Jahr hinein beschäftigen.