Tschechisches Fernsehen hat neuen Generaldirektor
Verehrte Hörerinnen und Hörern, wir begrüßen Sie zu einer weiteren Folge des neuen Medienspiegels von Radio Prag. In unserer heutigen Sendung beschäftigen wir uns mit dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (CT).
Vor einer Woche hat der Aufsichtsrat des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (CT) einen neuen Generaldirektor gewählt. Mit der Entscheidung zu Gunsten von Jiri Balvin haben jedoch die Ratsmitglieder für keine große Überraschung gesorgt, denn Balvin galt bereits zuvor im allgemeinen als großer Favorit. Zudem stand er schon während des letzten halben Jahres als Interims-Generaldirektor an der Spitze des - Einschaltquoten hin oder her - immer noch wichtigsten Medienunternehmens des Landes. Trotz der wenig überraschenden Entscheidung, haben wir den Umstand dieser Wahl zum Anlass genommen, uns ausführlicher mit der Lage im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen zu befassen.
Vielleicht haben Sie ja noch die Bilder in Erinnerung, die vor knapp einem Jahr fast um die ganze Welt flogen: Eine Gruppe von etwa 20 CT-Redakteuren hielt für einige Wochen lang den Newsroom der Fernsehanstalt besetzt, um so gegen den kurz zuvor gewählten neuen Generaldirektor Jiri Hodac zu protestieren. Sie warfen ihm vor, eine Marionette der beiden größten Parteien des Landes zu sein und sahen die Unabhängigkeit der Nachrichtenberichterstattung in Gefahr. Im damaligen sog. Fernsehkrieg gingen beide Seiten mit ziemlich harten Bandagen aufeinander los, und so konnten die Zuschauer in jenen bewegten Tagen regelmäßig zwei verschiedene Nachrichtensendungen verfolgen: Die offiziellen, vom Team um Generaldirektor Jiri Hodac, zusammengestellten Nachrichten wurden über Antenne ausgestrahlt, die protestierenden Journalisten sendeten über Satellit und Kabel. Da jedoch die Fernsehrebellen über die notwendige Sendetechnik und Fernsehstudios verfügten, war es nur eine Frage der Zeit, bis Generaldirektor Hodac und seine Leute aufgeben würden. Hodac selber ist dann gegen Ende Januar, nach nur zwei Monaten Amtszeit, zurückgetreten.
Die Ereignisse rund um das Tschechische Fernsehen fanden unter einer starken Anteilnahme der Öffentlichkeit statt. Nicht nur in Prag und den großen Städten des Landes kam es in jenen Januartagen zu großen Kundgebungen, auf denen Tausende von Menschen den Rücktritt von Hodac forderten und ihre Sympathien für die streikenden Journalisten zum Ausdruck brachten. In den Medien gab es sogar Kommentare, welche die Demonstrationen von damals mit jener Welle von Protesten verglichen, die 1989 die Kommunisten von der Macht in der Tschechoslowakei vertrieben hatten.
Seitdem ist bereits ein Dreivierteljahr vergangen. Anfang dieser Woche fragte Radio Prag den Fernsehredakteur Adam Komers, wie er gegenwärtig die Lage bei CT einschätzt und was er sich vom neuen Generaldirektor Jiri Balvin erhofft. Komers gehörte während des Fernsehstreiks zu den Wortführern der streikenden Journalisten:
"Ich erhoffe mir vor allem, dass sich CT intensiv auf einen wichtigen technischen Umbruch vorbereiten wird, nämlich die Digitalisierung des Programms. Darin liegt unsere Zukunft, weil das zu einer Vergrößerung des Programmangebots führen wird und zu einer Aufstockung der Programme von derzeit zwei auf mindestens sechs. Das erfordert eine detaillierte Vorbereitung."
Das alles hänge jedoch laut Komers sehr eng mit der Finanzierung von CT zusammen, und da sieht er auf Generaldirektor Balvin einige Engpässe zukommen :
"Soweit ich informiert bin, ist die Lage in dieser Hinsicht nicht gerade rosig und unser Finanzdirektor spricht sogar offen von einem drohenden finanziellen Kollaps des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ich erwarte also, dass Balvin eine vernünftige Strategie vorlegt und die Abgeordneten davon überzeugen kann, den finanziellen Rahmen von CT zu vergrößern. Ich denke, dass CT eine Institution ist, die es wert ist, mehr Geld zu bekommen."
Die angespannte finanzielle Lage bei CT war auch ein wichtiges Kriterium, nach dem die Mehrheit des Aufsichtsrates ihre Wahl für den einen oder anderen Kandidaten getroffen hat. Die Meinungen über die Lösung dieser kniffligen Frage gehen dabei stark auseinander. Neben dem Standpunkt, den auch Fernsehredakteur Adam Komers vertritt, dass nämlich das Fernsehen mehr Geld vom Staat bekommen sollte, meldet sich aber auch die Gegenseite mit ihren Argumenten immer hörbarer zu Wort: Das Fernsehen muss die fehlenden Mittel durch Einsparungen im eigenen Etat aufbringen und eine effizientere Struktur aufbauen. Zu den prominentesten Vertretern dieser Ansicht gehört schon seit langem Professor Milan Knizak, der als Mitglied des Fernseh-Aufsichstsrates für Jiri Balvin gestimmt hat:
"Die Arbeit im Tschechischen Fernsehen muss rationalisiert werden. Das Tschechische Fernsehen arbeitet leider nicht rationell. Es gibt dort viele Menschen, viele Firmen, die mit dem Fernsehen zusammenarbeiten auf einer ganz schwachen Basis. Diese Basis ist nicht rationell genug. Balvin muss das alles verbessern."
Die Meinung Professor Knizaks spiegelt auch die Stimmung im Parlament wieder. Es ist also fraglich, wie erfolgreich der neue Generaldirektor bei seinen Bemühungen, mehr Geld locker zu machen, erfolgreich sein kann. Die Finanzierung durch den Staat birgt jedoch eine weitere Gefahr in sich: Politiker könnten auf diesem Wege erneut versuchen, die Unabhängigkeit der Anstalt zu gefährden oder zu untergraben. In letzter Zeit tauchten in verschiedenen Medien Informationen auf, wonach es wieder vermehrt Versuche gibt, die Berichterstattung von CT politisch zu beeinflussen. Das gibt auch Adam Komers zu:
"Es gibt leider Hinweise darauf, dass von der publizistischen Redaktion Druck auf die Kollegen ausgeübt wurde und ausgeübt wird, weil dort sehr brisante Geschichten behandelt und oft viele unangenehme Sachen enthüllt werden. Auch aus diesem Grund haben vor einigen Tagen fünf meiner Kollegen von der dortigen Redaktion gekündigt mit der Begründung, sie könnten nicht mehr frei ihren Beruf ausüben."
Auch im Vorfeld der Wahl des neuen CT-Chefs soll etwa massiver Druck auf das Stimmverhalten der einzelnen Mitglieder des Fernsehrates ausgeübt worden sein. Es gab auch bereits eine erste Konsequenz: Der bekannte evangelische Pastor, Svatopluk Karasek, der während der Fernsehkrise massiv die revoltierenden Journalisten unterstützt hatte, legte unmittelbar nach der Wahl Balvins sein Amt nieder. Als Begründung führte er sein Befremden darüber an, dass einige seiner Kollegen schlagartig ihre ursprünglich ablehnende Meinung geändert und dann doch für Amtsinhaber Balvin gestimmt haben. Diesem Standpunkt widerspricht jedoch Milan Knizak, der ebenso wie Karasek als Mitglied des Fernsehrates unmittelbar an der Auswahl des neuen CT-Generaldirektors beteiligt war. Knizak findet auch die Befürchtungen, wonach das Fernsehen gänzlich unter die Kontrolle der politischen Parteien kommen könnte, übertrieben, wie er im folgenden abschließend erläutert:
"Ich finde diesen politischen Druck nicht so stark. Ich glaube, jede Regierung der Tschechischen Republik braucht ein funktionierendes Fernsehen. In diese Richtung geht, glaube ich, der Druck. Die politischen Parteien, Organisationen usw. brauchen ein gutes Fernsehen. Jetzt ist das Fernsehen leider ein schwarzes Loch mit unlimitierten Möglichkeiten. Das ist gefährlich, für jede Regierung, für jede politische Seite."