Kritik ja - aber sachlich
Tschechien und die EU. Eine Beziehung der besonderen Art könnte man sagen. Und das nicht erst seit gestern. Dabei ist in Tschechien immerhin knapp die Hälfte der Bevölkerung der Meinung, die EU-Mitgliedschaft sei eine gute Sache. Weit mehr als etwa in Österreich. Dafür sind in Tschechien zahlreiche Spitzenpolitiker für ihre reservierte Haltung zur EU-Mitgliedschaft bekannt. Allen voran Staatspräsident Václav Klaus, der die EU offenbar als echte Bedrohung der staatlichen Souveränität betrachtet. Seine Einstellung gegenüber der europäischen Einheitswährung muss man schon deutlich mehr als bloß „reserviert“ nennen.
Im fernen München aber vernahm man das weitere Indiz für das mangelnde EU-Bewusstsein beim Nachbarn. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber wagte zu bezweifeln, ob denn Tschechien überhaupt in der Lage sein, den EU-Vorsitz im nächsten Jahr zu schaffen. Eine Anmaßung, könnte man im ersten Augenblick versucht sein zu sagen. Doch Fakt ist, dass diese Kritik auch aus anderen Staaten zu vernehmen war. Und ganz unberührt wird sie wohl auch die Brüsseler „Chefetage“ nicht gelassen haben. Doch des CSU-Abgeordneten Analyse der tschechischen Innenpolitik kann man - freundlich gestimmt - nur „abenteuerlich“ nennen: Premier Topolánek sei die Mariotte des Präsendenten Klaus, so Ferber. Und Topolánek habe zunächst den EU-Reformvertrag von Lissabon zwar unterzeichnet, ihn dann aber sofort "mit nach Hause genommen" und dem Verfassungsgericht zwecks Überprüfung vorgelegt. Erstens: Topolánek und Klaus bemühen sich bereits seit Jahren nicht besonders, ihre gegenseitige Abneigung vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Zweitens: Nicht der Premier, sondern das Oberhaus des Parlaments, der Senat also, hat das Verfassungsgericht mit der Prüfung des Lissabon-Vertrags beauftragt. Selbst wenn er wollte – dem Premier allein fehlt die Kompetenz dazu.
Mit der Bemerkung „Hier grüßt wieder mal der Herr Švejk, wie wir das aus der Geschichte, aus der Literatur kennen, aber das ist nicht politisches Handeln“, wollte Herr Ferber offenbar etwas mehr „Pep“ in sein Statement zu bringen. In Wahrheit lässt er seine Kritik damit ins floskelhafte abgleiten und beraubt sie endgültig ihrer fachlichen Grundlage. Übrig bleibt die Bedienung sattsam bekannter Klischees. Da kann man nur sagen: Schade um die vergebene Chance. Denn aus der Sicht eines überzeugten Europäers wäre fundierte und sachliche Kritik am Verhalten des einen oder anderen tschechischen Spitzenpolitikers durchaus nicht verkehrt.