Kritik an Klaus: Der Präsident benimmt sich wie ein Monarch ohne Wähler
Es ist bereits über eine Woche her, dass der tschechische Senat dem Lissabon-Vertrag zugestimmt hat, dennoch hat aber auch in dieser Woche eine beachtliche Rolle gespielt in der Berichterstattung. Grund ist der Unwille des tschechischen Präsidenten Klaus, den Reformvertrag zu unterzeichnen.
Tomáš Němeček von der Tageszeitung Hospodářské Noviny sieht „Lissabon“ nicht als Einzelfall und bewertet dies folgendermaßen: „Der Grund für Klaus´ Probleme ist immer derselbe: Er fordert für sich so viele Rechte ein, als ob er ein Politiker mit eigener Agenda wäre. Wenn es um seine Pflichten geht, verhält er sich jedoch wie ein Monarch ohne Wähler.“
Dabei sei seine Rolle in diesem Fall lediglich die eines Notars, der mit seiner Unterschrift bezeugt, dass alles ordnungsgemäß vonstatten gegangen ist. „Aber was macht man mit einem Notar, der der einzige auf der Welt ist und sich querstellt“, fragt sich der Kommentator.
Moderator: Ein hübscher Kommentar, wenn er auch resigniert klingt.
KM: Sein Kollege Jiří Leschtina von der Mladá Fronta Dnes sieht lediglich zwei Lösungen für den Fall, dass Präsident Klaus „auch weiterhin ablehnt, den Lissabon-Vertrag zu ratifizieren und an seiner autokratischen Überzeugung festhält, seine eigene Meinung sei schwerwiegender als die der Regierung und des Parlaments: „Es gibt zwei Möglichkeiten: den Versuch des Impeachment, der aber offenbar zum Scheitern verurteilt wäre. Oder das Warten auf die Wahl eines neuen Staatsoberhauptes.“
Moderator: Die Frage nach den Erfolgsaussichten einer Amtsenthebung von Václav Klaus ist natürlich interessant.
KM: Den Kommentatoren zufolge sind die Chancen aber gleich Null. Das würde nämlich voraussetzen, dass das Verfassungsgericht in einem entsprechenden Verfahren zu dem Schluss kommt, der Präsident gefährde durch sein Agieren die Souveränität und Integrität der Tschechischen Republik beziehungsweise ihre demokratische Ordnung. Nur dann ist laut Verfassung denkbar, die Notbremse zu ziehen und den Präsidenten seines Amtes zu entheben.
Němeček bezeichnet diese Möglichkeit, so wörtlich, als „rechtliches Pendant zur Atombombe“. Sie zu zünden, dafür sei das Hinauszögern der Unterschrift nicht Grund genug. Obwohl Klaus zeige, dass ihm die demokratische Ordnung nicht allzu sehr am Herzen liegt. Auch die Sozialdemokraten meinen - Němeček zufolge - ihre Warnung, zur Not das Verfassungsgericht einzuschalten, nicht ernst. Darüber hätte außerdem zunächst der Senat zu befinden. Sie setzen vielmehr darauf, so Němeček, dass Klaus die bloße Möglichkeit abschreckt, als erster Präsident in die Geschichte Tschechiens einzugehen, der wegen Hochverrat angeklagt wird. Němeček schließt seinen Kommentar mit den Worten: „Es ist legitim, mit der Amtsenthebung zu drohen. Sie in die Tat umsetzen sollte man aber so häufig, wie die wahrhaftige Atombombe zünden.“Moderator: Nun, wir werden sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Klaus’ Vorhaben, so lange zu warten, bis die Iren erneut abgestimmt haben, missfällt auch dem neuen Premier Tschechiens, Jan Fischer. Der ist seit letztem Freitag offiziell im Amt. Wie kommt er denn bislang an?
KM: Nun, da gehen die Bewertungen stark auseinander. Während einige Kollegen erneut die politische Vergangenheit Fischers und weiter Teile seiner Regierungsmannschaft verurteilen, wie Adam Drda von der Hospodářské Noviny zum Beispiel, lobt Kateřina Koubová in der Mladá Fronta Dnes Fischers ersten Auftritt als neuer Ratspräsident der EU in Brüssel. Sie schreibt: „Ein Marionetten-Premier? Nicht die Spur. Als ein Politiker, der sich seiner Sache sicher ist, der die unterschiedlichen europäischen Institutionen auseinander halten kann und sogar in der Lage ist, auf Englisch zu scherzen – so hat sich der neue Regierungschef in Brüssel präsentiert.“Moderator: Sie hören weiterhin den Medienspiegel von Radio Prag. Heute mit Katrin Materna. In den vergangenen Minuten haben wir uns mit der Innenpolitik beschäftigt. Was ist sonst noch erwähnenswert diese Woche?
KM: Der Papstbesuch in Israel war Thema. Zbyněk Petráček von der Zeitung Lidové Noviny schreibt, dass der Papst in die Fußstapfen der EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens getreten ist. Er habe nämlich deutlich gemacht, dass ihm die Juden und deren Bindung zum Heiligen Land am Herzen liegen. Tomáš Němeček wiederum geht auf die Kritik ein, die der Papst vielerorts geerntet hat. Im Gegensatz zu ausländischen Kritikern, denen die Rede des Papstes beim Besuch von Jad Vaschem nicht persönlich genug war, weil er beispielsweise nicht über sich und seine Vergangenheit in der Hitlerjugend gesprochen hat, lobt Němeček Benedikt XVI.. Der Papst habe zwar nicht über seine Vergangenheit in der Hitlerjugend gesprochen, dafür aber beispielsweise dem Vater des entführten israelischen Soldaten Schalit Hilfe in Aussicht gestellt. „Nein, Benedikt ist tatsächlich nicht Johannes Paul“, heißt es in dem Kommentar abschließend, „aber manchmal ist das auch ein Vorzug“.
Moderator: In dem Zusammenhang drängt sich ja fast ein anderes Deutschland betreffendes Thema ein, und zwar die Auslieferung des mutmaßlichen ehemaligen KZ-Aufsehers John Demjanjuk aus den USA nach Deutschland. Der inzwischen 89-jährige wartet nun im Gefängnis Stadelheim in München auf seinen Prozess, denn er wurde für haftfähig befunden. Hat die tschechische Presse auf dieses Ereignis reagiert?KM: Durchaus, über den Fall wurde viel berichtet. Milan Vodička von der Mladá Fronta Dnes stellt sich in seinem Kommentar die Frage, ob Demjanjuk ein kranker alter Mann oder ein Mörder sei und kommt zu dem Schluss: beides. Wenn man sieht, wie ein fast 90-jähriger, krebskranker Mann im Rollstuhl ins Gefängnis überstellt wird, könnte man denken, das sei übertrieben und unnötig. Verfolgt man jedoch den Fall Demjanjuk die letzten 20 Jahre, sei klar, dass er vor Gericht gehört und es gut ist, dass dies endlich passiert.
„In diesem Fall haben wir nicht das Recht, Gnade walten zu lassen. Denn wir würden über die Köpfe der Oper hinweg handeln. Jedes einzelne von ihnen hat auch heute noch das Recht, dass wir die Täter vor Gericht stellen. Andernfalls würden wir die Schuld relativieren. Und diese Verbrechen waren so schlimm, dass die Zeit ihr Ausmaß nicht zu schmälern vermag“, so der Autor wörtlich.