Premier Fischer: „Habe derzeit keinerlei weitere politische Ambitionen“

Jan Fischer

Seit knapp acht Monaten ist er im Amt, rund ein halbes Jahr wird er noch an der Spitze der tschechischen Regierung stehen. Die Rede ist von Jan Fischer. Seit Monaten liegt der parteilose Interims-Regierungschef in der Gunst der tschechischen Bevölkerung ganz weit vorne. Fischer hätte also gute Chancen, bei den Parlamentswahlen im Mai ein gutes Ergebnis zu erzielen und Premierminister zu bleiben. Ob das für ihn in Frage kommt, oder er doch lieber auf seinen alten Posten als Leiter des Tschechischen Statistikamtes zurückkehrt, darüber sprach er vergangene Woche in einem Interview mit Radio Česko, einem der Inlandsprogramme des Tschechischen Rundfunks. Radio Prag fasst das Interview zusammen.

Jan Fischer
Gemäß der ursprünglichen Planung wäre Jan Fischer eigentlich gar nicht in die Verlegenheit gekommen, Anfang des Jahres 2010 im Studio des Tschechischen Rundfunks zu sitzen. Zumindest nicht als Premierminister:

„Ich habe mich schon im Herbst gefreut, dass meine Mission zu Ende geht und ich mich wieder meinem eigentlichen Beruf widmen kann. Na ja, das hat sich eben verlängert. Jetzt hoffe ich, dass ich im Mai ein wenig verschnaufen kann und mich hoffentlich dann für meine Arbeit nicht schämen muss.“

Hintergrund des deutlich längeren Verbleibs von Jan Fischer an der Spitze der tschechischen Übergangsregierung sind die gescheiterten Neuwahlen im Oktober des vergangenen Jahres. Nach verfassungsrechtlichen Bedenken und anschließenden politischen Querelen im Parlament entschied man sich, auf den regulären Wahltermin im Frühsommer 2010 zu warten. Jüngsten Meldungen zufolge sollen die Wahlen vermutlich Mitte Mai über die Bühne gehen. Jan Fischer, der auf den Ranglisten der beliebtesten Politiker im Land seit Monaten einen Spitzenplatz gebucht hat, hätte wohl gute Chancen, in den Wahlen gut abzuschneiden. Denkt er also an eine Kandidatur?

„Die Politik hat zumindest zwei grundsätzliche Ebenen. Erstens das Interesse an der gemeinsamen Sache; der Dienst am Gemeinwesen, an der ‚Polis’. Da engagiere ich mich nach Kräften. Diesen Dienst an der Allgemeinheit versuche ich so gut wie möglich zu leisten, ohne grobe Fehler oder Skandale. Dafür setze ich mich – gemeinsam mit meinem Regierungsteam - auch persönlich maximal ein. Und dann gibt es da diese zweite Ebene, ohne die es nicht geht in der Politik: der ständige Kampf um die Macht, die Parteipolitik mit ihrer Ideologie, ihrer strikten Parteidisziplin. Wohin das führt, sehen wir ständig im Abgeordnetenhaus. Das begeistert mich gar nicht und ich glaube, darin bin ich auch nicht so gut.“

Dabei könnte Jan Fischer wahrscheinlich gerade wegen seiner Popularität und der von allen Parteien gezollten Anerkennung für seine Amtsführung dazu beitragen, die politische Kultur im Land positiv zu beeinflussen. Der Premier selbst ist sich da nicht so sicher:

„Sollte ich voll in die Politik einsteigen, also auch auf dieser zweiten, der ideologischen Ebene, hätte ich große Angst, dass mich das persönlich stark verändern würde. Und ich möchte wirklich nicht so enden, wie so mancher Parteipolitiker. Ich möchte nicht zu einem derjenigen werden, die von der Öffentlichkeit nicht besonders geschätzt werden. Ich weiß nicht, ob ich in der Politik auf Dauer ich selbst bleiben könnte. Ich bin auch nur aus Fleisch und Blut, wie jeder andere auch. Und bei Gott kein Heiliger oder so etwas. Wenn ich so bleiben könnte, wie ich bin, wenn ich mir sicher sein könnte, dass mich die Politik nicht irgendwie deformiert oder meine Persönlichkeit zu sehr beeinflusst, dann könnte ich mir einen Verbleib in der Politik vorstellen. Aber ich bin mir eben nicht sicher, und darum sage ich lieber nein.“

Er freue sich schon auf die Rückkehr auf seinen Posten als Leiter des tschechischen Statistikamtes, so Jan Fischer. Die fachliche Arbeit fehle ihm schon ein wenig. Angst vor einer Art politischer Rache der neuen Regierung, die ihn jederzeit abberufen könnte, hat er nicht:

„Mit diesem Risiko habe ich die sechs Jahre an der Spitze des Amtes gut gelebt, das gehört zu dieser Funktion einfach dazu. Das ist auch gut so, denn jeder Manager sollte auf irgendeine Weise abwählbar sein. Dennoch gilt nach wie vor, was ich in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt habe: Ich würde gerne weiterhin in einer inländischen oder einer internationalen Organisation in meinem Fach als Statistiker tätig sein.“

Besondere Karrierepläne habe er aber nicht, so Jan Fischer, der zu Beginn des kommenden Jahres seinen sechzigsten Geburtstag feiern wird. Er wolle einfach noch eine zeitlang das tun, was er gelernt habe und was er gut könne.

Dabei wäre Jan Fischer, ginge es nach den Vertretern der wichtigsten tschechischen Parlamentsparteien, gar nicht mehr Interims-Regierungschef und auch seine Rückkehr an die Spitze des Tschechischen Statistikamtes hätte er wohl abschreiben müssen. Stattdessen würde er in diesen Tagen im Europäischen Parlament den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Im Spätherbst des vergangenen Jahres ist Fischer nämlich für den Posten des tschechischen EU-Kommissars nominiert worden. Und hat abgelehnt. Interessiert hätte ihn der Posten aber schon, gibt er im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk zu:

„Das Amt des EU-Kommissars hätte ich mir schon vorstellen können. Aber erst nach dem Ende meines Mandates als tschechischer Übergangspremier. Nun, das ist eben so geschehen, wie es geschehen ist. Ich bereue diese Entscheidung nicht, aber ich gebe zu, dass ich überlegt habe, diese Funktion anzunehmen. Wie gesagt, ich bin auch ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aus Interesse und natürlich auch ein wenig wegen des Geldes hätte ich am Amt des EU-Kommissars durchaus Gefallen finden können. Auch ein wenig persönlicher Ehrgeiz steckte dahinter, ich denke, ich hätte den Job ganz gut gemacht, auch wenn ich natürlich viel lernen hätte müssen.“

Štefan Füle, der an seiner statt nach Brüssel in die EU-Kommission entsandt worden ist, hält Jan Fischer für eine gute Wahl. Der bisherige Europaminister und langjährige Botschafter bei der Nato sei ein anerkannter Fachmann. Er erwarte, dass Füle eine volle fünfjährige Amtsperiode lang in Brüssel bleiben werde, so der Premier.

„Ich verlasse mich da ganz auf die Urteilskraft und das elementare Verantwortungsgefühl derjenigen, die nach den Parlamentswahlen die Macht übernehmen. Ich bin überzeugt, sie werden keine Schritte unternehmen, die dem Ansehen unseres Landes in Europa abträglich sein könnten.“

Seine bisherige Zusammenarbeit mit den politischen Parteien, vor allem den beiden großen Parlamentsfraktionen, den Bürgerdemokraten und den Sozialdemokraten, bezeichnet Jan Fischer als korrekt:

„Es geht immer darum, das Gleichgewicht zu halten, eine Kommunikationsebene und die passende Rhetorik zu finden. Wichtig ist auch die gute Vorbereitung der einzelnen Vorhaben. Es war nicht immer leicht, aber wir sind Gott sei Dank nie so weit gekommen, dass die Kommunikation abgebrochen wäre, dass die Brücken zwischen mir und den Parteipolitikern eingestürzt wären.“

Besonders wichtig sei ihm, dass man ihm und seiner Regierung keinen parteipolitischen Stempel aufdrücken könne, so Fischer. Sein Vorgänger im Amt des Regierungschefs, der Vorsitzende der Bürgerdemokraten Mirek Topolánek, war für sein gespanntes Verhältnis zu Staatspräsident Václav Klaus bekannt. Der Übergangspremier hingegen bezeichnet sein Verhältnis zu Klaus als „ordentlich“.

„Wir bemühen uns beide um eine gute Kommunikation. Da bin ich sehr froh darüber. Wir treffen einander regelmäßig und sprechen sehr offen über alle aktuellen Themen und Probleme. Natürlich scheint nicht immer die Sonne über dieser Beziehung. Zuletzt untergegangen ist sie in der Frage des EU-Reformvertrags. Das ist kein Geheimnis, dass mich die plötzliche Forderung des Präsidenten nach einer Ausnahme-Klausel zur EU-Grundrechtecharta ziemlich unter Druck gebracht hat. Viel Zeit ist mir nicht geblieben.

Mein einziges Ziel war es, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden, um den Lissabon-Vertrag nicht zu blockieren. Auch unsere Ansichten über Europa sind sehr unterschiedlich. Einige Politiker und Medien wollten daraus eine Art Krieg zwischen der Burg und dem Regierungsamt konstruieren. In Wahrheit haben wir hart, aber sachlich und vor allem sehr effizient verhandelt. Dem ist es zu verdanken, dass der Lissabon-Vertrag heute ratifiziert ist. Der Vertrag ist in Kraft und das persönliche Verhältnis zwischen mir und Václav Klaus ist ebenso ungetrübt wie jenes zwischen der Burg und dem Regierungsamt.“

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, Václav Klaus im Präsidentenamt nachzufolgen, will sich Jan Fischer nicht festlegen. Schließlich sei Václav Klaus noch bis 2013 im Amt. Es bleibe also noch genug Zeit, um eine Entscheidung zu treffen.

Angesichts seiner hohen Beliebtheitswerte hätte er bestimmt gute Chancen. Zumindest für den Fall, dass die immer wieder überlegte Direktwahl des Staatspräsidenten bis dahin Wirklichkeit wird.