Präsidentschaftskandidaten: Jan Fischer – weiße Weste mit rotem Fleck

Jan Fischer (Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Die ersten direkten Präsidentschaftswahlen in Tschechien stehen im Januar an, und Radio Prag stellt Ihnen die Kandidaten in einer Serie vor. Dabei folgen wir der offiziell ausgelosten Nummerierung der Kandidaten. Auf Zuzana Roithová, die sie am Montag kennenlernen konnten, folgt nun ein politisches Porträt von Ex-Premier Jan Fischer.

Jan Fischer  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Jan Fischers größter Vorteil liegt darin, dass er eigentlich kein Politiker ist. In Tschechien wurde der studierte Statistiker bekannt, als er am 8. Mai 2009 den Vorsitz einer Beamtenregierung übernahm und zugleich auch den Vorsitz der Europäischen Union. Er gilt als einer der beliebtesten Ex-Premiers, vor allem auch, weil damals die beiden großen tschechischen Parteien ODS und ČSSD ein Stillhalteabkommen bis zur nächsten Wahl geschlossen hatten. Er musste sich also nicht mit parteiinternen Konflikten und großen Reformvorhaben beschäftigen, sondern konnte glänzen als effektiver Verwalter und Repräsentant der Tschechischen Republik in Europa. Viele Kritiker werfen ihm jedoch vor, kein richtiger Politiker zu sein.

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
In den Wahlkampf zieht der 61-Jährige mit einem Programm zur Erneuerung der politischen Kultur im Land. Es beruht auf mehreren Säulen, wie Fischer dem Tschechischen Rundfunk erklärt:

„Eine starke Wirtschaft, die Rückkehr von Recht, Verantwortung und Anstand in die Politik sowie die Vertretung nationaler Interessen und eine angemessene Repräsentation Tschechiens im Ausland. Vorrangig geht es mir aber um eine Veränderung der politischen Kultur in diesem Land, eine bessere Nutzung des Potentials der tschechischen Zivilgesellschaft, eine Erneuerung des Vertrauens in die tschechischen Politiker und damit Hoffnung für die anständigen Menschen in diesem Land zu wecken.“

Foto: Kristýna Maková
Für diese Ziele möchte Fischer die Legitimation voll ausnutzen, die ihm eine direkte Wahl durch die Bürger bringt. Allerdings erklärt er, seine Ziele nur in Verhandlungen und durch Konsenslösungen erzielen zu wollen. Seine Rolle bestehe hauptsächlich darin, ein Vorbild zu sein:

„Ich würde alle meine Schritte erklären. Ich würde die Ernennung der Verfassungsrichter und der anderen Richter erklären. Ich würde auch die Begnadigungen besser erklären. Das macht einen Präsidenten zum Vorbild des Handelns, denn in der Öffentlichkeit werden nicht nur die Kompetenzen des Präsidenten wahrgenommen, sondern auch sein Verhalten, also wie transparent und nachvollziehbar er agiert. Und auch wie seine Bekannten und sein Umfeld handeln, wer ihn berät und wie viel derjenige dafür erhält. Es muss auch klar sein, mit wem der Präsident spricht, weil er immer im öffentlichen Interesse handelt. Daher muss auch sein Programm einsehbar sein. Das sind Schritte, die auch auf andere abfärben sollten, und dadurch hat der Präsident dann das Recht und den Anspruch, dies von anderen Akteuren ebenso einzufordern.“

Parteibuch der KPTsch
Derzeit führt Fischer die Wahlumfragen an. Als aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde könnte er so auch das erste jüdische Staatsoberhaupt der Tschechischen Republik werden. Allerdings gibt es noch einen Stolperstein im Lebenslauf des Statistikers. Er war von 1980 bis 1989 Mitglied der kommunistischen Partei:

„Ich habe nicht das erste Angebot eines Eintritts in die Partei angenommen. Die Mitgliedschaft war Bedingung dafür, dass ich unterrichten und an der Wirtschaftsuniversität tätig sein durfte. Alle anderen fachlichen Bedingungen habe ich erfüllt, aber ohne Mitgliedschaft in der Partei musste ich sechs Jahre warten. Dann kam das zweite Angebot, und erst das dritte habe ich dann angenommen. Natürlich bin ich darauf nicht stolz, aber das waren eben die Entscheidungen, die ein Mensch fällen und nachher mit sich ausmachen musste.“

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung  (Foto: Flickr,  Archiv der Bank)
Fischer hat bereits im Vorfeld der Kandidatur seinen lukrativen Job als Vizepräsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gekündigt. Seine Wahlkampagne ist bestens organisiert, seine Finanzierung transparent und in der Wählergunst liegt er vorne. Die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei nehmen ihm die Menschen bisher nicht übel – die Mitgliedschaft in einer der heutigen politischen Parteien scheint für die Bürger hierzulande schwerer zu wiegen.