Künstlerische Ausgestaltung der neuen Technischen Nationalbibliothek

Technische Nationalbibliothek

Der Neubau der technischen Nationalbibliothek geht seinem Ende entgegen. Im Lauf des kommenden Jahres übersiedelt die Bibliothek aus ihren beengten Räumen im Clemetinum in der Prager Altstadt in das neue Gebäude auf dem Campus der technischen Hochschulen. Dort, im Stadtteil Dejvice werden die nicht nur die Bücher aus der bisherigen Staatlichen Technischen Bibliothek eine neue Heimat finden. Auch die Bände aus den Institutsbibliotheken der beiden technischen Hochschulen auf dem Campus werden an einem zentralen Standort zusammen geführt. Wir haben in einer der letzten Ausgaben des Kultursalons berichtet.

Technische Nationalbibliothek
Geplant haben das Bibliotheksgebäude die jungen Prager Architekten vom Atelier „Projektil Architekti“. Das Zentrum der neuen Bibliothek bildet ein großzügiges, über alle Stockwerke reichendes Atrium. Geprägt wird es durch ein großes Glasdach und Galerien aus Sichtbeton. Als Kontrast dazu schillert der Fußboden in Regenbogenfarben. Mit der künstlerischen Gestaltung dieses zentralen Raumes, in dem auch die Informations- und Entlehnpulte untergebracht sind, wurde der rumänische Künstler Dan Perjovschi beauftragt. Er ist im Früjahr dieses Jahres akls Sieger aus dem Kunst-am-Bau-Wettbewerb hervor gegangen.

„Zu meiner Überraschung hat sich die Auswahl-Kommission einstimmig für das Projekt ausgsprochen. Obwohl Künstler ebenso dabei waren wie Baufachleute“, erläutert Martin Svoboda, der Leiter der Technischen Nationalbiliothek.

Dan Perjovschi
Der Künstler und Schriftsteller Dan Perjovschi wurde 1961 im rumänischen Sibiu / Hermannstadt geboren. In den letzten Jahren wurde er vor allem durch seine Zeichnungen in verschiedenen Museums-Gebäuden bekannt. Darunter so renommierte Adressen wie das Museum of Modern Art in New York oder die Londoner Tate Gallery. Oft entstehen die großflächigen Zeichnungen über einen längeren Zeitraum im Rahmen mehrere Performances: Es sind regelrechte „Zeichen-Shows“. Dabei arbeitet der Künstler mit einfachsten Mitteln:

Dan Perjovschi
„Ich bin wirklich anarchistisch. Ich arbeite mit Molotow-Markern. Meine Assistenten haben diese Filzstifte entdeckt. Die sind sehr haltbar und lichtbeständig.“

Gerade letztere Eigenschaft ist angesichts des großen Glasdachs absolut notwendig.

Dan Perjovschi steht auf einem fahrbaren Gerüst und zeichnet mit dem dicken schwarzen Molotow-Filzstift auf die glatten Betonwände. Doch bei der Bearbeitung des Sichtbetons ist der Künstler auf unerwartete Probleme gestoßen. Bisher war er es gewohnt, auf eigens dafür vorbereitete weiße Museumswände zu zeichnen.

„Wir mussten viele verschiedene Filzstifte ausprobieren, um zu sehen, wie sie auf das viele Tageslicht reagieren und wie sie auf dem Beton wirken. Das ist ein sehr schwieriges Material. Ich bin Intellektueller, Künstler. Ich habe nicht genug Energie, um mit diesem Beton hier zu kämpfen. Ich bin schon ganz erschöfpt.“

Molotow-Filzstift
Der frische Sichtbeton bringt aber noch ein weiteres Problem mit sich: Bevor Perjovschi mit seinen Zeichnungen beginnen kann, müssen seine Mitarbeiter mit dem Staubsauger anrücken.

„Es gibt eine Menge Staub hier. Und wenn Sie mit dem Marker auf dem Staub zeichnen, dann ist das ein Risiko. Das hat niemand bedacht: Nach den Bauarbeiten gibt es jede Menge Staub. Wir sind also nicht nur Künstler, wir machen auch den Reinigungsservice hier.“

Die Betonwände müssen gereinigt werden
Dan Perjovschis Zeichnungen erinnern in gewisser Weise an Cartoons oder Comic-Stripes. Es sind mit wenigen Strichen geformte Figuren, Sprechblasen mit knappen Ausrufen, stilisierte Gegenstände.

„Ich habe das mit Humor gestaltet. Ich benutze die heute so populäre Sprache der Graffitti, der Cartoons. Ich will damit Leben in dieses Haus bringen.“

Bei der Auswahl der Motive hat sich der Künstler an seinen Werken der letzten 20 Jahre orientiert. Aber auch auf den speziellen Ort nimmt der Künstler Bezug.

„Dieses Haus hier ist eine Art ‚Tempel der Ernsthaftigkeit‘. Wissenschaft, Grundlagenforschung sind hier die bestimmenden Themen. Ich bringe ein wenig Humor herein. Die Idee dieses Projektes ist eigentlich recht einfach: Die Studenten lernen und forschen hier, sitzen vor ihren Büchern. Sie suchen danach was zurzeit als die ‚Wahrheit‘ gilt. Aber diese physikalische oder biologische ‚Wahrheit‘ in der Wissenschaft steht immer auch im Zusammenhang mit der Politik. Diese Beziehung stelle ich her.“

Und so werden die Bibliotheksbesucher neben Darstellungen von Büchern, Computern und Skripten auch politische Themen zu sehen bekommen: Eindeutige Hinweise auf in der heutigen Welt allgegenwärtige Themen wie Krieg, Armut und Umweltzertörung.

Technische Nationalbibliothek
„Das sind keine Sequenzen wie in einem Film, sondern individuelle kleine ‚Geschichten‘. Alle haben haben mit DEM Leben zu tun, das wir heute leben und auch in Zukunft leben werden. Ich weiß natürlich nicht, ob die Computer in 50 Jahren noch so aussehen werden. Aber die Kommunikation, das Streben nach Wissen wird immer da sein. Sehen Sie dort, die Zeichnung mit den Kontinenten? Wir waren alle einmal zusammen und nun driftet alles wieder auseinander. Bis nichts mehr übrig ist. Das Prinzip meiner Arbeit ist: Kurze Statements zu hochkomplexen Situationen.“

Die ersten beiden Stockwerke im Atrium der Bibliothek sind bereits fertig bemalt. Dan Perjovschi möchte auch die restlichen freien Flächen gestalten

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„Das ist mein Plan. Am Ende soll es so aussehen, wie die Sixtinische Kapelle (lacht). Aber wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie wir an die oberen Ränge herankommen. Ein höheres Gerüst können wir nicht aufbauen. Das wäre zu schwer. Wir müssen uns wohl irgendwie von der Decke abseilen. Wir werden sehen.“

Bis Mitte nächsten Jahres hat Dan Perjovschi noch Zeit, sein Werk zu vollenden. Dann die Technische Nationalbibliothek nämlich provisorisch in Betrieb genommen. Die feierliche Eröffnung soll dann Anfang Oktober 2009 erfolgen. Er würde aber auch während des laufenden Bibliotheksbetriebs weiterzeichnen, so Perjovschi. Schließlich ist er das Arbeiten vor Publikum von seinen zahlreichen Zeichenshows gewohnt.

Technische Nationalbibliothek
Zwar ist die Bibliothek noch nicht eröffnet, für Besuchergruppen ist sie dennoch schon jetzt ein lohnendes Ziel. Auch eine Schulklasse aus dem mährisch-schlesischen Brutál / Brunntal nutze das Angebot einer ausfürhlichen Baustellenbesichtigung. Was sagen die Schüler zu Dan Perjovschis Zeichnungen?

„Mir gefällt es nicht. Das ist sehr simpel gezeichnet. Ich würde das sicher besser zeichnen.“

„Richting kindisch kommt mir das vor“

Meinen diese beiden jungen Männer. Ihre Mitschülerinnen sind geteilter Ansicht:

„Richtig fad und langweilig ist das.“

„Ich weiß nicht, ob das eine wertvolle Sache ist. Aber interessant ist es.“