Kunde König? Verbraucherschutz in Tschechien auf EU-Niveau
"Der Kunde ist König". Dass dieser Satz nicht nur eine leere Versprechung bleibt, darum kümmert sich in der Europäischen Union die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz. Neben dem Erlass von EU-weit geltenden Rechtsvorschriften über die Sicherheit von Lebensmitteln und anderen Produkten, über die Rechte der Verbraucher und den Schutz der menschlichen Gesundheit, kontrolliert sie auch deren Umsetzung in den einzelnen EU-Ländern. Mit Pavel Telicka als einem der beiden zuständigen Kommissare ist Tschechien noch bis Ende Oktober in diesem Bereich vertreten. Wie es hierzulande mit dem Verständnis vom Verbraucherschutz im Allgemeinen und vom Kunden als König im Besonderen aussieht, darüber informiert Sie Sandra Dudek im heutigen Eurodomino:
"Ich hoffe natürlich sehr gut. Ich hoffe, dass der Verbraucherschutz in ganz Europa gut ist. Ich meine, wir sind 25 Staaten und natürlich wissen wir nicht immer im Detail, wie es dann aussieht, aber unsere Gesetze gelten für alle Staaten und die Tschechische Republik hat die Gesetzestexte alle übernommen und sie haben das auch ganz geräuschlos gemacht und bis jetzt hatten wir keine negativen Erfahrungen mit der Tschechischen Republik."
Dass es aber mit der Einhaltung der Rechtsvorschriften durch Hersteller, Händler und Dienstleistungsanbieter dann in der Realität auch anders aussehen kann, zeigt die Zahl der Anfragen und Beschwerden beim tschechischen Verbraucherschutzverein "Sdruzení obrany spotrebitelu, kurz SOS: Über 9.000 waren es im Jahr 2003 und damit drei Mal so viel wie noch 2001. Die Palette der Beanstandungen reicht von Kleidung und Schuhen sowie Elektrogeräten und anderen Produkten über Dienstleistungen bis hin zu rechtlichen Angelegenheiten. Die Gewichtung aber hätte sich seit der Gründung des Verbraucherschutzvereines geändert, so Karel Pavlík, stellvertretender Vorsitzender des Vereins:
"Zuerst waren es meistens Reklamationen über Schuhe und jetzt werden zum Beispiel finanzielle Produkte immer wichtiger, wie Bausparkassen, andere finanzielle Produkte oder Telekommunikation und andere Dienstleistungen."
Seit 1993 ist der in Tschechien größte und regierungsunabhängige Verbraucherschutzverein aktiv. Neben der Informations- und Beratungstätigkeit und der Herausgabe einer vereinseigenen Zeitschrift gehören intensive Medienarbeit und Lobbying zu seinen wichtigsten Aufgaben. Gerade beim Lobbying sei es besonders wichtig, bereits zu Beginn der Gesetzgebungsprozedur die Interessen der Verbraucher zu vertreten, so Karel Pavlík. Oft würden diese auch gar nicht wissen, welche Rechte sie geltend machen können, wie zum Beispiel im Fall der Garantiezeit bei Verbrauchsgütern. Die Europäische Union hat nun fünf Grundrechte von Verbrauchern definiert, die neben dem allgemeinen Anspruch auf umfassende Information auch konkrete Rechtsansprüche beinhalten, wie Karel Pavlík vom tschechischen Verbraucherschutzverein weiter ausführt:
"Es geht natürlich auch um die Sicherheit der Verbraucher, vor allem um die Sicherheit der Produkte. Das ist ein ganz komplexes Thema und dann geht es auch um die Verbraucherbildung. Die Verbraucher müssen auf ihre Rolle von Verbrauchern irgendwie vorbereitet werden, denn diese Rolle wird mit der Zeit immer komplizierter, weil auch die Produkte und Dienstleistungen, die auf dem Markt sind, immer komplizierter werden."
Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit also in Schulen. Für Pavlík nicht nur ein Schlagwort, sondern ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Vereinsarbeit. Der jährlich ausgeschriebene Wettbewerb zur Gestaltung einer Zeitschrift oder Website soll die Schüler zur kritischen Auseinandersetzung mit einem konkreten Problem aus dem Bereich der Verbraucherwelt anregen, in diesem Jahr beispielsweise mit "Reisen und Verbraucherschutz".
À propos Reisen: Touristen, die nach Tschechien kommen, bietet der Verbraucherschutzverein auf seiner Website umfangreiche Informationen in Deutsch und Englisch. Unter anderem zum altbekannten, aber leider noch immer nicht gelösten Problem der überteuerten Taxitarife. Dazu Karel Pavlík:
"Ich denke, dass zum Beispiel Prag ziemlich unpopulär wegen der Taxifahrer war. Es ist besser geworden, aber trotzdem informieren wir die Verbraucher auf unserer Website www.consumers.czüber ihre Rechte, wenn sie Taxidienstleistungen benutzen. Auch, was sie machen können, wenn zum Beispiel ein Laden oder ein Museum von einem Tourist einen höheren Preis will als von einem tschechischen Verbraucher. Das Problem mit den Doppelpreisen also, die in der Tschechischen Republik verboten sind und auch manche andere Probleme, zum Beispiel mit den Wechselbüros. Manchmal sind dort Tricks beinhaltet, die für die Touristen auf den ersten Blick nicht so klar sind."
Neben den Verbraucherangelegenheiten, wie beispielsweise der Sicherheit von Produkten und Dienstleistungen, gehören noch zwei weitere Bereiche zur EU-Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, nämlich die öffentliche Gesundheit sowie die Lebensmittelsicherheit. Natürlich seien alle drei Bereiche gleich wichtig, so die Pressesprecherin Beate Gminder, sie würden sich auch überlappen und hätten zum Ziel, die Gesundheit und die wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers zu schützen. Aber, so Gminder:
"Die meiste Aufmerksamkeit bekommt sicher der Bereich der Lebensmittelsicherheit. In den letzten fünf Jahren haben wir dort sehr viel neue Gesetze erlassen, die sicherstellen, dass unsere Lebensmittel vom Stall bis zum Teller sicher sind. Zum Beispiel haben wir eine ganz neue Gesetzgebung zu BSE erlassen, die festlegt, dass vor allem das Futter, das die Tiere heute essen, sicher ist. Wir haben Grenzwerte gesenkt für Dioxine in Lebensmittel und Futtermittel, für Cadmium in Lebens- und Futtermittel. Wir haben ganz neue Gesetze gemacht zu genetisch veränderten Lebensmitteln, die einen extrem schwierigen Zulassungsprozess in Europa haben und wir haben auch Maßnahmen erlassen, die die ganze wissenschaftliche Analyse von eventuellen Gefahren auf ganz neue Füße gestellt hat, indem wir eine unabhängige wissenschaftliche Lebensmittelbehörde gegründet haben."
Auch das Thema der Lebensmittelsicherheit wird in der Tschechischen Republik groß geschrieben. Ob die strengen Richtlinien von den Produzenten aber auch eingehalten werden, wird von den Experten des tschechischen Verbraucherschutzvereins laufend überprüft. Zum Selbstverständnis des Vereins gehört nicht nur, dass ausschließlich ungefährliche Lebensmittel auf den Markt kommen, sondern auch, dass die Verbraucher ein Recht darauf haben zu erfahren, was sie essen.
Die Wahrung der Verbraucherinteressen reicht aber auch schon wesentlich weiter: In einigen Jahren soll der Strichcode auf Waren durch die so genannte RFID, die Radio Frequency Identification ersetzt werden. Durch die Implementierung eines Chips werden die Waren elektronisch erfasst und können später wieder erkannt werden - damit wären dann auch Rückschlüsse auf Konsumenten und Kaufverhalten möglich, so Karel Pavlík vom Verbraucherschutzverein:
"Wenn so ein Produkt mit diesem Chip sozusagen identifiziert wird, wird es nicht nur einmal an der Kasse von selbst den Preis zeigen, was positiv wäre, sondern auch dann später, wenn man das Geschäft noch mal besucht, dann am Eingang zum Geschäft könnte man monitorieren, dass diese Schuhe, die den Chip enthalten, hier schon einmal waren und die Jacke von dem Verbraucher ist anders. Es könnte also einen großen Einfluss auf die Anonymität und die Rechte von Verbrauchern haben."
Bedeutet das nun also die Verwandlung zum gläsernen KOnsumenten? Noch bevor der Kunde ganz König geworden ist?
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt