Kunstschätze aus der Sammlung des Vysehrader Kapitels werden auf der Prager Burg ausgestellt

Willkommen liebe Hörerinnen und Hörer, zum heutigen Spaziergang durch Prag. Am Mikrofon begrüßen Sie ... und Martina Schneibergova. Der Prager Vysehrad ist vor allem als der angebliche Sitz der legendären böhmischen Fürstin Libussa bekannt, die der Stadt Prag einst eine große Zukunft prophezeit haben soll. Mit der Geschichte des Vysehrad, seiner Blütezeit, aber auch seinem Niedergang, ist jedoch auch die Geschichte des Vysehrader Kapitels des Hl. Peter und Paul eng verbunden. Das Kapitel schenkte seit seiner Gründung im Jahre 1070 eine große Aufmerksamkeit der bildenden Kunst. Seit dieser Woche stellt das Kapitel einen Teil seiner Kunstsammlungen, der in der letzten Zeit restauriert wurde, im Lobkovic-Palais auf der Prager Burg aus. Wir laden Sie in diese Ausstellung ein.

Das Vysehrader Kapitel gehört zu den ältesten und historisch wichtigsten kirchlichen Institutionen in Tschechien. Der Vysehrad war in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts und im 11. Jahrhundert eine bedeutende Burg der böhmischen Premysliden-Fürsten. Im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts - unter dem böhmischen Fürsten und späteren ersten böhmischen König Vratislav - erlebte der Vysehrad einen besonderen Aufschwung. Wegen Streitigkeiten mit seinem Bruder, dem Bischof Gebhart, übersiedelte Vratislav von der Prager Burg auf den Vysehrad. Dort errichtete er ein Kapitel, das nicht dem Prager Bischof, sondern direkt dem Papst untergeordnet war. Das Vysehrader Kapitel gilt als die älteste juristische Person in Tschechien. Dazu der Kanoniker des Vysehrader Kapitels Daniel Herman:

Wie bereits erwähnt, schenkte das Vysehrader Kapitel seit seiner Gründung im Jahre 1070 der Pflege des ihm anvertrauten Kulturerbes eine besondere Aufmerksamkeit. Seine nicht sehr umfangreiche Sammlung von Kunstwerken wurde in der Vergangenheit einige Mal stark beschädigt, trotzdem hat sie einen hohen künstlerischen Wert. Der Leiter der Kapitelkanzlei Jan Kotouz bemerkte dazu:

"Ein Art historische Wende in der Geschichte des Vysehrad begann am 1. November 1420, als der Vysehrad von den hussitischen Truppen ausgeplündert wurde. Seitdem hat der Vysehrad nie mehr den einstigen Ruhm wieder erreicht. Das Vysehrader Kapitel überlebte die ganze hussitische Revolution und das für das Kapitel nicht gerade glückliche 16. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert kommt es zu einer Art Wiedergeburt, das Kapitel kehrte von der Vorburg auf die Burg Vysehrad wieder zurück. Eine wichtige Rolle spielte in der Geschichte des Kapitels Propst Mikulas Karlach, der vor rund 100 Jahren ernannt wurde."

Aus der gotischen Zeit ist in den Kunstsammlungen des Vysehrader Kapitels nicht viel erhalten geblieben. Der Sage nach soll es auf dem Vysehrad einen Schatz aus der gotischen Zeit geben. In der Wirklichkeit wurde jedoch dieser Schatz 1420 vom Vysehrad auf die Burg Karlstejn gebracht und vom Kaiser Sigismund für die Herstellung der Ausrüstung benutzt. Aus der Gotik sind deswegen nur vier Goldschmiedearbeiten erhalten geblieben, die in der Kapelle des erzbischöflichen Palastes auf der Prager Burg aufbewahrt werden, und eine gotische Monstranz, die in dem Kapitel zu finden ist. Diese Gegenstände wurden nur aus dem Grund nicht vernichtet, da sie aus Kupfer und vergoldet sind, alles andere - Gold- und Silbergegenstände - wurde inzwischen für andere Zwecke benutzt. Exponate, die jetzt in der Ausstellung mit dem Titel "Gerettete Kunstschätze aus den Sammlungen des Vysehrader Kapitels" im Lobkovic-Palais zu sehen sind, wurden in den letzten Jahren gründlich restauriert. Jan Kotouz hält das Bild des leidenden Christus für das wertvollste Exponat der Ausstellung. Das Bild hatte ein interessantes Schicksal. Dazu Jan Kotouz:

"Das Kapitel ließ im 18. Jahrhundert im Dorf Kosor bei Prag die Kapelle der heiligen Anna erbauen. In dieser Kirche befand sich eine Holztafel mit dem Bild des leidenden Christus, das manchmal als Ecce homo bezeichnet wurde. Bischof Podlaha, stellte in seinem mehrbändigen Werk über kirchliche Denkmäler fest, dass das Gemälde ein Werk des holländischen Malers Edvard van Heemskerck ist, der an der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts lebte und in London starb. Das Kapitel begann in diesem Jahr die Kapelle in Kosor zu renovieren und auch dieses Bild wurde bei dieser Gelegenheit restauriert. Dabei hat sich gezeigt, dass die Datierung des Bildes falsch ist, und dass sich sich höchstwahrscheinlich um ein Werk von Heemskercks Urgroßvater - Maarten van Heemskerck handelt. Dieser Künstler lebte in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts in Rom und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach auch durch Michelangelo beeinflusst. Es handelt sich um ein einzigartiges Werk, da es eines der letzten Gemälde des Malers ist, die er auf einer Holztafel malte. Er war der erste holländische Maler, der Leinen zu benutzen begann. Das Bild hat einen sicherlich einen großen künstlerischen Wert und muss erst noch von den Kunsthistorikern ausgewertet werden."

Neben diesem wertvollen Gemälde gibt es sechs andere Gemälde und zwei Holzplastiken in der jetzigen Ausstellung, die der Öffentlichkeit zum ersten Mal präsentiert werden. Ein interessantes Schicksal hat das Bild der sog. Klattauer Madonna. Vor zwei Jahren entdeckte ein Historiker, der sich mit Persönlichkeiten bedeutender Vysehrader Dekane befasste, eine Erwähnung davon, dass Dekan Jan Viktorin Dietrich aus Lilienthal ein Bild der Klattauer Madonna seinem Neffen vererbte. Dieser war als Pfarrer in Zitenice/Schüttenitz in Nordböhmen tätig. Die Madonna wurde nun auf dem Dachboden der Pfarrei gefunden. Anfang der 50-er Jahre wurde das Schloss in Zitenice ausgeplündert, aber der damalige Pfarrer hatte das Bild höchstwahrscheinlich auf dem Dachboden des Pfarramtes versteckt, um das Kunstwerk zu retten.

Neben den Gemälden und Plastiken aus der Barockzeit kann man in der Ausstellung auch einen Zinn-Taufbecken aus dem Jahr 1744 und ein Kapitelwappen bewundern. Das Vysehrader Kapitel begann mit der Restaurierung seiner Sammlungen nach der Wende von 1989. Seit 1992 organisiert es in Zusammenarbeit mit dem Prager Nationalmuseum regelmäßig Ausstellungen, die entweder den restaurierten Kunstwerken oder namhaften Persönlichkeiten gewidmet sind, die mit dem Vysehrad verbunden sind. Künftig soll es jedoch eine ständige Exposition über die Geschichte des Kapitels direkt auf dem Vysehrad geben. Dazu noch einmal der Kanoniker des Vysehrader Kapitels Daniel Herman:

Die jetzige Ausstellung im Lobkovic-Palais auf der Prager Burg, in der Kunstwerke aus den Sammlungen des Vysehrader Kapitels gezeigt werden, dauert bis zum 25. Februar und ist außer Montag täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.