Kuschelige Nischen, bittersüße Stimmung - Tschechen lieben den heimischen Film

Der beste Film des Jahres - 'Auf und ab'

Cesky lev, der Böhmische Löwe, ist nicht nur das tschechische Wappentier sondern auch der bedeutendste Filmpreis für heimische Produktionen. Am 5. März wurde der aktuelle Jahrgang der Auszeichnungen vergeben. Für uns ein Anlass, einen Blick ins tschechische Filmgewerbe zu werfen. Über die Filmproduktion eines kleinen Landes, die Spezifika des tschechischen Humors und die Spiegelung tschechischer Befindlichkeiten im Film erfahren Sie mehr im der Sendereihe Forum Gesellschaft mit Thomas Kirschner.

Es war alles fast wie in Hollywood - mit einer großen Gala, Stars und Glamour wurde am vorvergangenen Samstag in Prag der Cesky lev 2004 vergeben, der Böhmische Löwe, der bedeutendste Filmpreis des Landes für heimische Kinoproduktionen. Das Tschechische Fernsehen war live dabei, zu besten Samstagsabend-Sendezeit. Im Vergleich zum Oscar ist der Löwe allerdings noch in den Jugendjahren: Erst seit 1993 wird der Preis vergeben, dieses Jahr im 12. Jahrgang. In dieser Zeit ist er allerdings zu einem festen Ereignis nicht nur in der Kinowelt Tschechiens geworden. Das geht einher mit der besonderen Publikumsgunst, die der tschechische Film im eigenen Land genießt, bestätigt auch Jana Cernik vom Czech Film Center (CFC):

"Das ist in der Tat ein tschechisches Phänomen, kann man sagen. Der tschechische Film hat hierzulande ein sehr gutes Standing; im internationalen Vergleich steht er auch sehr gut da, was den Marktanteil angeht: 25 Prozent der tschechischen Kinogänger schauen sich heimische Filme an, und das ist sehr gut für so ein kleines Land mit so einem kleinen Markt wie Tschechien. Es ist, glaube ich, die Mischung aus Geschichten, die den Nerv treffen, eine Art Vergangenheitsbewältigung also, und außerdem lieben die Tschechen ihre Schauspieler sehr. Auch die Filmsprache ist ihnen sehr nah. Und diese ganze Mischung macht, dass sie gerne ins Kino gehen und sich gerne ihre Geschichten auf der Leinwand anschauen."

Der beste Film des Jahres - 'Auf und ab'
Der Czech Film Center, eine Einrichtung des tschechischen Produzentenverbandes, wurde gegründet, um tschechische Filme und auch die Filmindustrie des Landes im Ausland zu repräsentieren. Eine notwendige Aufgabe, denn von dem Inlandsmarkt in dem kleinen 10-Millionen-Einwohner-Land kann die Branche nicht leben - obwohl der Marktanteil einheimischer Filme außergewöhnlich hoch ist und stabil zwischen 20 und 25 Prozent liegt. Die nahe liegende Vermutung, dass hier eine spezielle Förderung Erfolge zeigt, weist Jana Cernik allerdings zurück:

"Im Gegenteil - der tschechische Film wird, zumindest von staatlicher Seite, überhaupt nicht gefördert, was eine gewisse paradoxe Situation entstehen lässt, weil er es dennoch schafft, mit geringen Mitteln die Geschichten, die wichtig sind, auf die Leinwand zu bringen, und diese Filme werden auch gut besucht."

Was tschechische Zuschauer an den eigenen Filmen schätzen, sei auch die Erzählweise. Nicht selten herrscht ein bittersüßer Ton vor, eine Traurigkeit aus der manchmal das Glück hervorbricht, oder ein Glück, durch das die Trauer noch hindurchschimmert.

'Gemütliche Nischen'
"Es ist eine gewisse Vermischung von Komik und Tragödie. Da die Balance zu halten, das beherrschen die Tschechen, wenn sie sich darauf einlassen."

Die Helden haben menschliches Format - Figuren, die sich unter den gegebenen Verhältnissen durchschlagen müssen, die nie ganz auf der Gewinnerseite stehen, aber sich vom Leben auch nie ganz unterkriegen lassen.

"Eine Tragikkomödie auszudrücken, also Komödie und Tragödie in einem Film zu verbinden, das ist für mich eine große Kunst. Und ich glaube, da kann man auch wiederum den Schwejk heranziehen, der immer das Beste aus der schlimmsten Situation machen kann",

meint Jana Cernik mit Verweis auf einer der Figuren, die die tschechische Selbstdeutung am nachhaltigsten beeinflusst hat. Sich wiederzuerkennen, wie man ist oder wie man sein möchte, das ist wohl in der Tat einer der Gründe, warum die Tschechen ihre eigenen Filme so gern mögen:

"Also ich glaube, dass die Tschechen in tschechische Kinofilme gehen, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, sich etwas anzusehen, was ihnen nahe ist, wo sie sich heimisch fühlen. Eigentlich wird das in dem Filmtitel ´Pelisky´ ganz schön ausgedrückt - ´Pelisky´ bedeutet ja auch das kuschelige, warme Bett, nach dem man sich sehnt. Und ich glaube, dass die tschechischen Filme für das tschechische Publikum so ein bisschen wie ´Pelisky´ sind."

Der Film "Pelisky", zu Deutsch etwa "Gemütliche Nischen" aus dem Jahre 1999 ist eine der erfolgreichsten tschechischen Produktionen der letzten Jahre. In witzig-melancholischer Weise erzählt er von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens vor dem Hintergrund des Jahres 1968, das für die Tschechoslowakei die Niederschlagung des Prager Frühlings und den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten brachte. Die große Geschichte wird im privaten geerdet, aber das Private ist niemals ganz privat, sondern hängt eben immer an den Fäden der politischen Ereignisse. Eine ganze Reihe von Filmen hat in den letzten Jahren die tschechische Vergangenheit thematisiert, etwa "Pupendo", der zeigt wie sich "typische" Tschechen nach 1968 in der Periode der so genannten Normalisierung mit dem kommunistischen Regime arrangieren. Auch in deutschen Kinos war schließlich der Streifen "Wir müssen zusammenhalten" (Musime se pomahat) zu sehen, ein Film darüber, wie die Nachbarschaft zwischen Tschechen, Deutschen und Juden in einem böhmischen Städtchen über dem Nationalsozialismus zerbricht. Plagen sich die Tschechen mit der Last der Vergangenheit? Nochmals Jana Cernik vom Czech Film Center:

Jan Hrebejk
"Ich denke, es ist ganz natürlich, dass ein Land, in dem sich vor 15 Jahren alles verändert hat, ein Bedürfnis hat, sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Die Filme, die gerade genannt wurden, sind alles Filme von Jan Hrebejk, und er hat eigentlich systematisch alle wichtigen Augenblicke in der tschechischen bzw. tschechoslowakischen Vergangenheit aufgearbeitet. Mit seinem letzten Film ´Horem padem´ ist er jetzt in den 1990er Jahren angekommen, und da geht es um Ausländerfeindlichkeit, um Tschechen, die aus der Emigration zurückkehren und ähnliches. Das ist alles wichtig, und das sollte man ansprechen und auch in der Öffentlichkeit diskutieren, weil es einfach ein Thema ist."

"Horem padem", zu Deutsch etwa "Auf und ab" war auch der Gewinner des diesjährigen "Böhmischen Löwen" - nicht nur als bester Film des Jahres, sondern auch für Drehbuch und Regie. Der Wandel und die Umbrüche in Tschechien nach der Revolution werden in drei ineinander verschachtelten Geschichten erzählt, die sich so sich zu einem Panorama vom Leben in der Tschechischen Republik in den 90er Jahren fügen. Auch an den Kinokassen war "Horem padem" mit mehr als einer halben Million Besuchern und Platz fünf in der Rangliste der erfolgreichste tschechische Film des Jahres. Vielleicht bahnt das ja auch den Weg ins Ausland. Nicht ganz einfach für Filme, die sehr stark in der tschechischen Welt verankert sind. Aber:

"Der amerikanische Markt funktioniert ganz gut, bei dem europäischen müssen wir noch ein wenig nachziehen. Und wir hoffen in den nächsten zwei Jahren auf gute, starke tschechische Filme."