Leckerbissen ohne diplomatische Tretminen – der neue deutsche Botschafter Johannes Haindl im Gespräch
Radio Prag gratuliert! Nicht nur zum 53. Geburtstag, sondern auch zum Amtsantritt. Johannes Haindl ist seit Anfang September der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Prag und ist damit in die Fußstapfen von Helmut Elfenkämper getreten. Sicher keine ganz leichte Staffelübergabe, denn Johannes Haindl hatte sofort die Organisation großer Feierlichkeiten zu übernehmen und zwar zum 20. Jahrestag der Ausreise der Botschaftsflüchtlinge von 1989. Am 30. September, dem Stichtag, sprach Christian Rühmkorf mit Botschafter Johannes Haindl auf dem berühmten Genscher-Balkon.
„Der Tag ist hoffentlich gut gelungen und ich muss sagen, ich freue mich sehr, dass ich gleich am Anfang meiner Zeit hier ein so denkwürdiges Fest feiern kann, ein Fest, das erinnert an das, was vor 20 Jahren war und was hier wirklich nicht nur die deutsche sondern auch die europäische Geschichte in einer Weise vorangebracht und bewegt hat. Und es ist für meine Frau und für mich ein ganz ganz großer Moment, dass wir so kurz nach unserer Ankunft schon ein so tolles Fest, ein so tolles Ereignis begehen können.“
Sie hatten ja zahlreiche Gäste hier. Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher war hier, der frühere Kanzleramtsminister Rudolf Seiters, der tschechische Staatspräsident Václav Klaus – wie war das für Sie? Sie mussten ja praktisch die Organisation der Feierlichkeiten wie einen Staffelstab übernehmen von Ihrem Vorgänger. Hat das einigermaßen geklappt oder war das sehr stressig?
„Das Gute ist, dass ich hier ein hervorragend eingespieltes, ganz toll funktionierendes Team vorgefunden habe und dass ich mich auf dieses Team voll verlassen konnte. Insofern – natürlich ist das ein bisschen stressig, aber es ist vor allem der Stress, den meine Mitarbeiter gehabt haben. Und dafür bin ich sehr dankbar.“
Vor Ihrer diplomatischen Laufbahn waren Sie gewissermaßen ein Kollege. Sie haben – das muss man vorweg sagen – ein juristisches Studium abgelegt, und Sie sind dann, wenn ich recht informiert bin, in den 80er Jahren zum Bayerischen Rundfunk gegangen, zum Fernsehen. Wie sind Sie dazu gekommen?„Das ist eine gute Frage. Es gab immer die Versuchung zu wählen zwischen dem Kanzlei- und dem Bistro-Tisch. Und nach dem Zweiten Staatsexamen war die Neigung groß - nachdem ich lange am Kanzlei-Tisch gearbeitet hatte - es mit dem Bistro-Tisch zu versuchen. Das habe ich eine Zeit lang gemacht, habe das sehr genossen, habe das als eine hochinteressante Zeit empfunden. Und nach einiger Zeit hatte ich dann doch wieder die Sehnsucht nach dem Kanzlei-Tisch und bei dem Kanzlei-Tisch bin ich dann geblieben.“
Wenn wir darauf noch mal ganz kurz zurückkommen: Was genau haben Sie gemacht beim Fernsehen des Bayerischen Rundfunks?
„Ich habe politische Berichterstattung gemacht für die Nachrichtensendungen und für ein politisches Magazin. Hauptsächlich auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik.“
Sie haben dann – ein, zwei Jahre vor diesem entscheidenden Wendejahr 1989 – sich entschieden eine diplomatische Laufbahn einzuschlagen, haben den Vorbereitungsdienst begonnen. Was hat Sie zu dieser Entscheidung geführt?
„Die Lust, das Bedürfnis, dass man über Ereignisse nicht nur berichtet, sondern auch – wenn auch in ganz engen Grenzen – mitgestaltet. Und es hat mich dann auch gereizt ins Ausland zu gehen. Und so hab ich gedacht: Das Auswärtige Amt wäre vielleicht etwas, was ich mal versuchen sollte. Der Versuch hat geklappt und dann bin ich dabei geblieben, wie das manchmal so geht im Leben.“
Sie waren aber nicht nur im Ausland unterwegs, sondern auch viel im Auswärtigen Amt selbst tätig, oder?
„Ich war relativ lange – das hat sich dann so ergeben – in der Berliner Zentrale tätig. Aber auch während dieser Zeit war das natürlich sehr viel mit Reisen ins Ausland verbunden.“
Um daran anzuknüpfen – wohin hat Sie Ihre diplomatische Laufbahn, sagen wir mal, örtlich und thematisch eigentlich geführt?
„Mein erster Auslandsposten war Belgrad…“
Wann war das?
„Das war von 1989 bis 1991. Und dann bin ich praktisch an dem Balkan irgendwie ein bisschen hängen geblieben. Von 1998 bis 2006 habe ich mich sozusagen ausschließlich mit dem Balkan beschäftigt und habe mich vorher schon von 1994 bis ´98, als ich in Washington war, mit dem Balkan beschäftigt. Also der Balkan war sozusagen ein gewisser Schwerpunkt meiner beruflichen Laufbahn. Und natürlich noch die USA, denn ich war sowohl von 1994 bis ´98 als auch von 2006 bis 2009 in Washington und habe in den 90er Jahren auch ein Jahr als Austauschbeamter im State-Departement gearbeitet – eine hochinteressante und auch sehr profitable Erfahrung für mich.“
Wie kam es dann zu Tschechien, zu Prag, als neuem Tätigkeitsort. Hatten Sie darauf Einfluss oder müssen Sie – salopp formuliert - das fressen, was man Ihnen hinwirft?
„Also, das ist bei Prag die vollkommen falsche Formulierung. Wenn Ihnen ein Leckerbissen hingeworfen wird, dann fressen Sie den nicht, sondern Sie genießen den. Da der Posten Prag ein Leckerbissen ist, hinterfrage ich das nicht, sondern ich genieße ihn nur.“
Das klingt sehr überzeugend. Was reizt Sie an diesem Land? Hatten Sie vorher schon mit Tschechien zu tun? Gibt es vielleicht eine Verbindung dadurch, dass Sie ja nun vorher in Bayern gelebt und gearbeitet haben? Gibt es da eine Verbindung für Sie, eine Art Vorprägung?
„Keine direkte Vorprägung, aber Tschechien ist als Nachbarland natürlich immer sehr präsent. Und die geschichtlichen Berührungspunkte, Verknüpfungen, Verflechtungen sind sehr stark, das ist vollkommen klar. Ich meine, es ist einfach ein faszinierendes Land, es ist eine wunderschöne Stadt. Ich brauche hier nur aus dem Fenster zu sehen, um zu wissen, dass ich keinen besseren Posten auf der Welt hätte finden können. Und die Zeiten sind hier ja durchaus auch interessant.“
Sie sind voll und ganz Diplomat – das merke ich schon. Wo, glauben Sie, liegen die diplomatischen Tretminen zwischen Berlin und Prag?
„Ich würde das Wort Tretminen wirklich nicht verwenden wollen. Die Beziehungen sind exzellent, sind wahrscheinlich so gut wie noch nie. Wir haben gerade während der tschechischen EU-Präsidentschaft die Erfahrung gemacht, wie eng und wie vertrauensvoll wir zusammenarbeiten. Und ich glaube, da ist hier eine Grundlage, ein Kapital, auf dem ich aufbauen kann. Und darin sehe ich meine Aufgabe: auf diesem hohen Stand der bilateralen Beziehungen weiter aufzubauen und in die Zukunft zu schauen.“
Aber gibt es etwas, wo Ihnen vielleicht so ein bisschen die diplomatischen Knie weich werden oder wo Sie denken, da müssen Sie ganz vorsichtig vorgehen?
„Also, die diplomatischen Knie werden mir nicht weich. Es gibt natürlich immer Themen, wo man seinem Berufsstand gemäß diplomatisch vorgeht. Aber zu dieser Diplomatie gehört natürlich auch, dass ich sie dann nicht erwähne.“ (lacht)
Das ist das Kreuz von Interviews mit Diplomaten – aber das kenne ich mittlerweile schon. Sie haben drei Kinder. Wie alt sind die?
„Meine drei Kinder sind 14, 16 und 21. Und zwei davon sind mit mir hier in Prag, der Älteste studiert schon. Aber zwei sind mit in Prag und genießen die Zeit und sind hier sehr glücklich und haben sich sehr sehr schnell eingelebt. Sehr viel schneller als wir das erwartet haben. Und auch darin sehen wir sozusagen ein positives Zeichen für Prag und für das Leben hier.“
Und die erste Reaktion als sie erfuhren, es geht jetzt nach Tschechien, nach Prag?
„Das war sehr einfach: Ich habe ihnen einen alten Reiseführer gezeigt mit sehr vielen Fotos von Prag, habe ihnen das Palais Lobkowicz gezeigt und hab gesagt: ´Da ziehen wir ein!´ - und damit war die Sache gelaufen.“ (lacht)
Gehen sie hier auf die Deutsche Schule, ihre Kinder?
„Wir kommen gerade aus den USA und deshalb gehen meine Kinder auf eine IB-Schule, auf eine International Baccalaureate Schule. Das ist aber natürlich auch mit Deutschunterricht.“
Jetzt haben wir über Ihre Kinder gesprochen. Glauben Sie, Sie machen Ihre Frau auch glücklich mit diesem neuen Tätigkeitsort?
„Bei meiner Frau war es nicht sehr viel anders. Sie war vor vier Jahren hier in Prag, eine Woche lang, ist zurückgekommen und hat gesagt: ´Da musst Du hin!´. Und da habe ich ihr gesagt, da werde ich nie hinkommen. Ich bin hingekommen. Damit war sozusagen alles in Harmonie.“ (lacht)
Ein Kämpfer. Herr Botschafter Haindl, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und wünsche Ihnen viel Erfolg in den nächsten vier – oder fünf Jahren!?
„Werden wir sehen. Herzlichen Dank!“