„Schweren Herzens“ – Botschafter Johannes Haindl wechselt nach Brüssel

Johannes Haindl

Johannes Haindl war zwei Jahre lang der Hausherr im wunderschönen Prager Palais Lobkowicz und zwar als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland. Lange vor Ablauf seiner Zeit an der Moldau hat er Ende August den Hut genommen und ist dem Ruf nach Brüssel gefolgt. Mittlerweile hat schon sein Nachfolger – Botschafter Detlef Lingemann – die Amtsgeschäfte übernommen. Im Gespräch mit Christian Rühmkorf bilanziert Botschafter Haindl auf seinem Abschiedsempfang die Prager Zeit – mit Höhen und Tiefen.

Johannes Haindl
Herr Botschafter Haindl, Sie verlassen nach zwei Jahren als Botschafter in Prag die Tschechische Republik. Sie gehen nach Brüssel in eine neue Funktion. Darüber werden wir am Ende noch sprechen. Sie sind in einer Zeit nach Tschechien gekommen, die gar nicht so leicht war. Das Land wurde wahrgenommen aufgrund der EU-Ratspräsidentschaft, die das Land in der ersten Jahreshälfte 2009 ausgeübt hat. Und diese Ratspräsidentschaft verlief auch nicht ganz gerade, um es mal so zu formulieren. Und kurz danach haben Sie Ihre Tätigkeit als Botschafter aufgenommen. Was hatten Sie für einen Eindruck von diesem Land, ausgehend von dem, was Sie zuvor gehört hatten und von dem, was Sie zuerst wahrgenommen haben, als Sie hier waren?



„Um ganz ehrlich zu sein – mein erster Eindruck war, dass es ein wunderschönes Land ist mit sehr netten Menschen. Denn bevor man sich mit der Politik beschäftigt, begegnet man ja zuerst mal Menschen. Das war mein erster, mein bleibender Eindruck, und das ist auch der Eindruck, mit dem ich dieses Land verlasse. Was die Politik angeht, so muss man – glaube ich - fairerweise sagen, dass die tschechische Präsidentschaft natürlich schwierige politische Begleitumstände hatte. Aber sie war trotz allem eine erfolgreiche Präsidentschaft. Und insofern bin ich in dieses Land mit der Erwartung gekommen, dass wir auf der Grundlage dieser erfolgreichen Präsidentschaft weiter gut und eng zusammenarbeiten können. Und ich glaube, in dieser Erwartung bin ich auch nicht getäuscht worden.“

20 Jahre Fall der Berliner Mauer
Sie hatten auch gleich eine weitere, schwierige Aufgabe: Sie sind – salopp gesagt – hineingesprungen in eine sehr angenehme Feierlichkeit, und zwar: „20 Jahre Fall der Berliner Mauer“, „20 Jahre Samtene Revolution“ – wie haben Sie es geschafft, das zu bewältigen, denn es gab einiges an Feierlichkeiten hier in der Botschaft?

„Da ist die Antwort ganz einfach: Das habe nicht ich bewältigt, sondern das haben meine Kollegen bewältigt. Und ich war der Trittbrettfahrer, der sich da auf die Kollegen ganz verlassen konnte. Und da ich hier ein wirklich ganz hervorragendes Team habe und vor allem auch ganz hervorragende Tschechen, die an unserer Botschaft arbeiten, war das alles machbar und schaffbar, und dafür bin ich im Nachhinein den Kollegen sehr sehr dankbar.“

Solch eine Zeit von zwei Jahren umfasst immer Höhepunkte, sie umfasst aber auch schwierige Zeitpunkte, politisch oder auch gesellschaftlich. Wo würden Sie – um beim Positiven anzufangen – die Höhepunkte Ihrer Zeit hier in Prag sehen?

DDR-Botschaftsflüchtlinge
„Es ist schwierig, wenn man Höhepunkte so einzeln festmacht, weil es natürlich immer auch darauf ankommt, unter welchem Aspekt man diesen Höhepunkt definiert. Sicherlich waren ein Höhepunkt die Feierlichkeiten, die wir damals anlässlich des 20. Jahrestages der Ausreise der DDR-Botschaftsflüchtlinge und des Mauerfalls hatten. Aber es gab einen Höhepunkt sicherlich auch in dem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten im letzten Jahr, der der erste offizielle Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten war und insofern ein neues Kapitel aufgeschlagen hat. Es gab viele Dinge, glaube ich, die mir zumindest wichtig waren und die ich als besonders befriedigend und besonders erfüllend empfunden habe. Und was Ihre andere Frage angeht, so würde ich da eigentlich Dinge nennen, die die Öffentlichkeit gar nicht wahrnimmt. Zum Beispiel die Busunfälle, die wir in der letzten Zeit hier hatten, bei denen Menschen zu Schaden gekommen sind und viele ähnliche Fälle, in denen wir als deutsche Botschaft uns um unsere Mitbürger kümmern müssen und wo wir erfahren, dass es eben auch das Leid gibt und wo wir auch als Botschaft gefordert sind, den Menschen zu helfen. Das ist oft schwierig, das ist oft auch fordernd, aber natürlich auch für uns eine ganz wichtige und zentrale Aufgabe.“

Konzert im Kuppelsaal des Lobkowicz-Palais
Sie haben – und werden sicherlich – Spuren hinterlassen in dieser Botschaft, im Lobkowicz-Palais. Sie haben unter anderem Hauskonzerte eingeführt, ein Novum, das gab es bisher nicht. Wie sind Sie auf die Idee gekommen und worum handelt es sich dabei?

„Also, wenn man im dem Palais Lobkowicz der Hausherr ist und man weiß, dass in dem herrlichen Kuppelsaal Beethoven und Carl Maria von Weber aufgetreten sind, dann ist es fast eine Verpflichtung, hier auch die Musik zu fördern. Und das war der Hintergrund, warum wir eine Reihe mit den so genannten Kuppelsaalkonzerten gemacht haben. Und wir freuen uns, dass wir hier mit den tschechischen Musikern wirklich herrliche Abende verbracht haben und sind dafür sehr sehr dankbar.“

Werbekampagne „Šprechtíme“
Sie müssen nun zu einem Zeitpunkt gehen, zu dem eine große Werbekampagne für die deutsche Sprache anläuft. Diese Werbekampagne hat den Titel „Šprechtíme“ – also: Wir sprechen Deutsch. Wie ist es zu dieser Kampagne für die deutsche Sprache gekommen?

„Das hat einen ganz praktischen Hintergrund. Auf mich sind zunehmend Vertreter von Unternehmen, Vertreter der Wirtschaft zugekommen und haben gesagt: ´Wir haben Schwierigkeiten Leute zu finden, die Deutsch können und die wir in unserem Unternehmen brauchen. Zwar ist Englisch wichtig, zwar wird in unserem Unternehmen auch vieles auf Englisch erledigt, aber wenn man mit dem Mutterhaus kommunizieren will, wenn man Dinge vorantreiben will mit dem Mutterhaus, dann ist Deutsch sehr sehr nützlich, und wir brauchen Leute, die Deutsch können´. Und tatsächlich sind ja die Zahlen derer, die in Tschechien Deutsch lernen, dramatisch zurückgegangen in den letzten Jahren. Und wir wollen das zum Anlass nehmen, deutlich zu machen: Englisch ist gut und wichtig und unverzichtbar, aber eine zweite Sprache – und es ist klar, dass ich mich als deutscher Botschafter für die deutsche Sprache einsetze – ist ein Plus, das deutliche Karrierevorteile bringt. Und wir sind sehr froh, dass das eine Kampagne ist, die wir nicht alleine machen, sondern die wir mit der Wirtschaft, dem Goethe-Institut, mit der Handelskammer, aber eben auch mit der österreichischen Botschaft und der österreichischen Wirtschaft zusammen machen. Das ist wirklich eine gemeinsame Kampagne, und wir hoffen, dass das doch gewisse Effekte hat und dazu beiträgt, dass Deutsch als zweite Fremdsprache in Tschechien fest verankert wird.“

Sie gehen auf alle Fälle nach Brüssel. In welcher Funktion werden Sie in Brüssel tätig sein? Was erwartet Sie, und wo ist der Unterschied zur Tätigkeit als Botschafter in Prag?

„Ich werde in Brüssel so genannter PSK-Botschafter werden. Das ist der Botschafter im politischen und sicherheitspolitischen Komitee. Das ist sozusagen der außenpolitische Ausschuss der EU. Und es ist insofern eine andere Tätigkeit, weil ich mich nicht mehr mit bilateralen Fragen beschäftige, mit Beziehungen zu einem bestimmten Land, sondern mit der ganzen Bandbreite der außenpolitischen Themen, mit denen sich die EU beschäftigt. Es ist eine interessante, eine herausfordernde Aufgabe. Aber – und das muss ich ganz ehrlich zugeben – ich verlasse Prag wirklich sehr sehr schweren Herzens. Denn zwei Jahre sind sehr kurz gewesen, zu kurz eigentlich, um die Komplexität dieses Landes und sein reiches kulturelles Erbe auch nur annähernd zu erfassen. Und insofern fällt mir der Abschied sehr sehr schwer.“

Knödel
Was nehmen Sie – im Kopf – mit, wenn Sie nach Brüssel gehen und an Tschechien denken? Was fällt Ihnen da zuerst ein?

„Nette Menschen, reiche, interessante Kultur und ein Land, das trotz seiner Nähe zu Deutschland sehr viel Eigenes und Besonderes hat, das es zu entdecken lohnt.“

Werden Sie die Knödel vermissen? – Sie können jetzt wirklich undiplomatisch sein.

„Ich werde die Knödel vermissen. Aber die Knödel sind - glaube ich - das, was ich am leichtesten vermissen kann.“

Herr Botschafter Haindl, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch, und ich wünsche Ihnen einen guten, erfolgreichen weiteren Weg in Brüssel!

„Herzlichen Dank auch Ihnen.“