Lellouche: NATO ist in der Lage, ihre politische Krise zu überwinden

Seit Sonntag tagt in Prag das Plenum der Nordatlantischen Versammlung, um sich mit der aktuellen Lage im Irak und mit den Problemen, die die Irak-Krise innerhalb der NATO hervorgerufen hat, auseinander zu setzen. Lothar Martin hat die wichtigsten Gesichtspunkte des ersten Konferenztages zusammengefasst.

Der Irak-Krieg habe "die NATO als Institution" nicht betroffen, sie aber in eine "politische Krise" gebracht. Mit diesen Worten skizzierte der hochrangige französische NATO-Parlamentarier Pierre Lellouche am Sonntag die infolge der amerikanisch-britischen Invasion im Irak entstandene Situation im größten Militärbündnis unseres Planeten. Er sei zwar davon überzeugt, so Lellouche, dass die Allianz in der Lage sei, diese Krise zu überwinden, sie müsse aber über ihre weitere Handlungsfähigkeit nachdenken. Die NATO stehe "vor großen Herausforderungen", unterstrich der Franzose. Eine Verbindung des gestürzten Regimes in Bagdad zum internationalen Terrorismus sowie den Fund von Massenvernichtungswaffen im Irak schließt Lellouche nicht aus. Doch wie der Vize-Vorsitzende der Nordatlantischen Versammlung bekräftigten auch weitere NATO-Parlamentarier, dass solche Vermutungen, die letztlich auch als Kriegsgrund herhielten, nicht weiterhelfen, wenn sie nicht belegt werden könnten. Daher forderten die Mitglieder des Verteidigungsausschusses der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der Amerikaner John Shimkus und der Spanier Alejandro Munoz-Alonso, in ihren Diskussionsbeiträgen zum Kampf gegen den Terrorismus u.a., dass die Allianz ihre Mittel zur Aufdeckung terroristischer Absichten und zum Aufspüren von Massenvernichtungswaffen erheblich verbessern müsse.

Der britische Experte Timothy Garden vom Zentrum für Verteidigungsstudien am Londoner Kings´s College wiederum betrieb in seiner Abhandlung eine erste Analyse zum Irak-Krieg. Darin verwies er, dass die Vereinigten Staaten für ihren Feldzug im Irak zu wenig dienliche Militärverbündete gehabt hätten. Auch wenn US-Präsident George W. Bush verkündet habe, dass der Koalition der Willigen mehr als 40 Staaten angehören, in der Praxis hätten die USA kaum nützliche Unterstützung gefunden, fand Garden. Eine viel größere Bedeutung als bisher wurde daher der medialen Strategie im Krieg beigemessen, meinte Garden. Einer der Aspekte dieser Strategie waren zum Beispiel die Bemühungen, die irakischen Soldaten davon zu überzeugen, dass ein Widerstand gegenüber dem technisch klar überlegenen Gegner zwecklos sei. Gleichzeitig war man ganz offensichtlich bestrebt, der kritischen öffentlichen Meinung mit den Argumenten entgegen zu treten, dass der militärische Feldzug nur wenige Opfer und so gering als mögliche Schäden an der Infrastruktur mit sich bringe. Laut Garden wird es lange dauern, bis man die genaue Anzahl der Opfer, die der Irak-Krieg gefordert hat, bekannt geben kann. Schätzungen zufolge belaufen sie sich im Fall der irakischen Zivilbevölkerung derzeit zwischen 3760 und 4795 Menschen. Im Fall der toten irakischen Soldaten gäbe es keine verlässlichen Schätzungen und es scheint so, dass auch niemand an einer Feststellung dieser Zahl interessiert sei, hieß es in dem von Timothy Garden in Prag vorgetragenen Bericht.