Lidove noviny: "Friedensnobelpreis für Erfolglose"/Mlada fronta Dnes: "UNO? Und warum nicht?"

Von Martina Schneibergova.

Der tschechische Präsident Vaclav Havel hat UN-Generalsekretär Kofi Annan am Freitag als weltweit anerkannte Autorität gewürdigt, die - so Havel - mit unparteiischer, professioneller und harter Arbeit den Vereinten Nationen das verdiente Gewicht zukommen lasse. Die Organisation spiele - so der Präsident - eine unersetzliche Rolle und ermögliche es Menschen in vielen Ländern, in Frieden und würdigen Bedingungen zu leben, hieß es in dem Telegramm von Präsident Havel, mit dem er Annan zum Friedensnobelpreis gratulierte.

Eher verlegen bis ablehnend reagierten jedoch die Kommentare der tschechischen Tagespresse auf die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Vereinten Nationen und ihren Generalsekretär Kofi Annan.

Unter dem Titel "Friedensnobelpreis für Erfolglose" stellt die Tageszeitung Lidove noviny in ihrem Leitartikel fest, wäre der UNO in diesem Jahr eine großartige Frieden stiftende Tat gelungen, hätte man die Vergabe des Friedensnobelpreises verstehen können. Die UN-Friedensboten können sich jedoch seit einigen Jahren mit keiner umwerfenden Tat rühmen, schrieb der Kommentator und fügte hinzu: Anstelle der Friedenslorbeeren verzeichneten die Vereinten Nationen einen Misserfolg nach dem anderen - Bosnien, Ruanda, Somalia, Kosovo... Die Vergabe des Friedensnobelpreises könne deswegen - so die Zeitung - nicht anders als eine Verspottung der ganzen Welt verstanden werden. Denn der Nobelpreis ist doch nicht dasselbe, wie eine Werbespritze für Erfolglose.

Die auflagenstärkste Tageszeitung Mlada fronta Dnes stellt dagegen gleich im Titel ihres Kommentars die Frage "Die Vereinten Nationen? Und warum nicht". Der Kommentator stellte einleitend fest, nach der Vergabe des Preises werde man lesen, wie geistlos die Wahl gewesen sei. Die Kommission habe schließlich gar nicht so schlecht entschieden, meinte der Kommentator und erinnerte daran, dass die Vereinten Nationen auf zwei Ebenen zu bewerten seien. Im Fernsehen sehe man die unproduktiven Diplomaten, wie sie reden und reden und nicht allzu viel helfen. Andererseits gebe es Tausende von UN-Mitarbeitern, die die Kranken in Ruanda impften, in Beobachtermissionen tätig seien und sich um Hungerleidende im Sudan kümmerten. Hätte es diese UN-Mitarbeiter nicht gegeben, wären Hunderttausende Menschen gestorben. Nehmen wir es so, dass der Nobelpreis diesen UN-Mitarbeitern verliehen worden ist, hieß es abschließend in dem Kommentar der Mlada fronta Dnes.

Dieselbe Tageszeitung befasst sich jedoch in einem ausführlicheren Kommentar mit dem Titel "Friedensinflation" mit Widersprüchen, die mit der Vergabe des Friedensnobelpreises in der Vergangenheit verbunden waren. Lebensläufe der Friedensnobelpreisträger stellten - so der Kommentator - meistens Beispiele eines festen Willens, des Mutes und der Sehnsucht, die Welt zum Besseren zu verändern dar. Es gebe jedoch auch Ausnahmen - unter den Ausgezeichneten seien in den letzten Jahrzehnten einige widersprüchliche Persönlichkeiten aufgetaucht - wie z. B. Jassir Arafat. Lange habe er als Chef einer palästinensischen Terroristenorganisation gewirkt, nun sei er Friedensnobelpreisträger. Könne er für einen Friedensstifter gehalten werden, stellt der Kommentator die Frage. Wenn Arafat mit einem Nobelpreis ausgezeichnet worden sei, warum könnte nicht Bin Laden mit der Zeit ausgezeichnet werden? Warum nicht, wenn er die US-Angriffe überlebe, reiche ihm bereits eine Kleinigkeit dazu - nur sich an den Verhandlungstisch zu setzen und zu verhandeln und verhandeln und verhandeln - meinte der Kommentator.

Er erinnerte des weiteren daran, dass z.B. China die Entscheidung der Friedensnobelpreiskommission immer dann lobe, wenn jemand anderer als die eigenen Regimeopfer ausgezeichnet werde. Auch nach der diesjährigen Preisvergabe konnten alle totalitären Regimes erleichtert aufatmen. Denn dank des Nobelpreises hätte man die Aufmerksamkeit auf deren wenig beachtete Verstöße gegen Menschenrechte lenken können, hieß es in der Mlada fronta Dnes.