Literarische Wanderung zu Jaroslav Hasek nach Lipnice

Jaroslav Hasek

Liebe Hörer und Hörerinnen, unsere zweite literarische Reise führt sie in eine kleine Ortschaft in Ostböhmen, die jedoch mit einem großen Literaten verbunden ist. Diese Kleinstadt heißt Lipnice nad Sazavou und sie liegt genau in dem Gebiet, in dem die imaginäre Grenzlinie zwischen Böhmen und Mähren verläuft. Ihre malerische Landschaft zog immer wieder Künstler an, darunter auch den Autor des weltberühmten Schwejk-Romans Jaroslav Hasek. Nach Haseks Lipnice führt Sie heute unsere freie Mitarbeiterin Lucie Drahonovska.

Jaroslav Hasek
Er war ein unermüdlicher Prager Wirtshausliterat, ein ewiger Unruhestifter und ein schlampiges Genie - die Rede ist vom weltberühmten Schriftsteller Jaroslav Hasek. Seit seinem Tod am 3. Januar 1923 sind inzwischen 80 Jahre vergangen. Am 30. April werden die Freunde des großen tschechischen Satirikers zudem an ein zweites rundes Jubiläum erinnern - Haseks 120. Geburtsjahr. Beide Jubiläen des ungezügelten Schriftstellers wird die Jaroslav Hasek-Gesellschaft zusammen mit vielen seiner Bewunderer begehen. Ein Pietätsakt zu Haseks 80. Todestag veranstalteten dessen Freunde am Grab des Schriftsteller in Lipnice. Zwischen dem 28. und 30. April plant die Gesellschaft noch eine weitere Veranstaltung - eine internationale Hasek-Konferenz. Auch sie wird in Haseks Lieblingsort, der ostböhmischen Kleinstadt Lipnice nad Sazavou stattfinden.

Fährt man die Autobahn D1 von Prag nach Brünn, tritt unweit der Stadt Humpolec inmitten der Böhmisch-Mährischen Höhe die Silhouette einer mächtigen Festung zum Vorschein. Es ist Lipnice, eine der größten und gleichzeitig ältesten mittelalterlichen Burgen Tschechiens, deren Gründung

auf das Jahr 1247 zurück geht. Die gotische Burg wurde auf einem langgezogenen Hügel so erbaut, dass sie von ihrer Westseite durch einen gewaltigen Felsen geschützt wird. Der Weg zur Festung führte früher über eine Fallbrücke, die leider nicht erhalten blieb. Der Burghof von Lipnice wird gut überwacht, dank eines großen eckigen Turms, dem sogenannten "Samson"-Turm. Darin befand sich früher ein Alchemisten-Labor, ein Gerichtssaal und ein tiefer Brunnen.

Nur wenige all derjenigen, die auf der naheliegenden D1 vorbeirasen, wissen, dass mit der gleichnamigen Vorburg nicht nur der Saisontourismus verbunden ist, sondern auch eine berühmte Persönlichkeit: der Prager Wirtshausliterat und Bohemien Jaroslav Hasek.

Nachdem Hasek im Sommer 1921 die kleine Ortschaft Lipnice nad Sazavou zum ersten Mal besucht hatte, kam er immer häufiger. Hier wohnte Hasek zunächst im Gasthaus "Zur Böhmischen Krone", wo er den grundlegenden Teil seines populären "Schwejk" geschrieben hat. Kurz vor seinem Tod kaufte er direkt unter der Burg Lipnice ein kleines Häuschen, wo er - bereits schwer krank - die letzten Kapitel seines weltberühmten Schelmen-Romans diktierte.

In seinem Häuschen befindet sich heute die Jaroslav-Hasek-Gedenkstätte. Das abenteuerliche Leben des Schwejk-Schöpfers wird durch persönliche Fotografien, Archivalien und die ersten Roman-Ausgaben dokumentiert. Einer der vier Räume diente Hasek sowohl als Arbeits- als auch Wohnzimmer. Diesen Raum beschreibt die Angestellte des örtlichen Stadtamtes Alena Kucirkova wie folgt:

"Hier kann der Besucher das Bett von Jaroslav Hasek sehen, in dem er gestorben ist, sowie seine Filzschuhe, in denen er durch Russland zog und nach Böhmen zurückkehrte. Außerdem sind hier auch einige kuriose Gegenstände, die er von seiner abenteuerlichen Russland-Reise mitgebracht hat, ausgestellt - wie der Samowar und die Balalaika."

Wir verlassen Haseks Häuschen, verweilen kurz vor seiner Büste und verfolgen weitere Spuren, die der Autor des berühmten Schelmen-Romans in Lipnice hinterlassen hat. Und wo anders sollte man in die geistige Welt des großen Bierfreundes Hasek eintauchen, wenn nicht im genius loci, dem nahegelegenen Gasthaus "Zur Böhmischen Krone"? Es ist kein Zufall, dass die zwischenzeitlich heruntergekommene Kneipe gerade durch den Enkel des Schriftstellers, Richard Hasek, grundlegend renoviert wurde und seitdem wieder erfolgreich betrieben wird. Und noch eins: Richard Hasek sieht seinem Großvater nicht nur täuschend ähnlich, er teilt mit ihm auch die gleichen Vorlieben: Humor, Literatur und Bierkultur. Die ersten Begegnungen mit Großvaters Werk fanden natürlich in der Familie statt:

"Zuerst kamen die Erzählungen. Der Schwejk war für mich das wie für andere das Brot. Ich kann nicht mehr sagen, wann genau es war, als ich ihn erstmals las. Denn ich war von Haseks Werk in der Familie völlig eingenommen."

Als Initiator des Jaroslav-Hasek-Vereins organisiert Richard Hasek Treffen der Hasek-Liebhaber und propagiert das Werk des Schriftstellers. Den Welterfolg seines Großvaters erklärt Hasek wie folgt:

"Hasek ist nämlich in seinem Denken dermaßen facettenreich - von der einfachen Ebene bis zum intellektuellen Ausmaß, so dass ihn alle - Intellektuelle sowie ganz normale Menschen - verstehen können. Haseks Stärke liegt vor allem darin, dass er alle menschliche Phänomene erfasst. Wenn Schwejk einen typisch tschechischen Charakter besitzt, dann nur deshalb, weil er tief menschlich ist. Und darin liegt die Allgemeingültigkeit von Schwejk."

Von der Universalität des Schwejk-Romans zeugen die Übersetzungen in achtundfünfzig Sprachen der Welt - darunter auch ins Chinesische und Arabische. Zu den jüngsten Schwejk-Ausgaben zählt die Übersetzung ins Katalanische von der Tschechin Monika Zgustova. Die in Spanien lebende Schriftstellerin gehört zu den fünfzig Hasek-Kennern, die bei der internationalen Hasek-Konferenz in Lipnice nad Sazavou zusammen kommen werden. Das Treffen veranstaltet die Hasek-Gesellschaft aus Anlass des 120. Geburtstages von Jaroslav Hasek zwischen dem 28. und dem 30. April dieses Jahres. Die Vorhaben des geplanten Treffens erläutert der Literaturwissenschaftler und renommierte tschechische Hasek-Kenner Radko Pytlik:

"Wir sind überzeugt davon, dass hier zahlreiche Denker zusammenkommen werden, wie Karel Kosik, der Pole Leszek Mazan, Freunde aus Peking, China und aus Russland. Wir möchten dieses geistige Potenzial nutzen, um Haseks Werk aus der Sicht des Jahres 2003 direkt im genius loci zu untersuchen. Das Treffen soll daher eine Rückkehr zu Hasek an der Schwelle des dritten Jahrtausends sein."

Unsere kleine Literatur-Reise endet an Haseks letzter Ruhestätte - auf dem alten Friedhof in Lipnice. Sein Grabstein in der Form eines Buches fällt zwischen den alten Sandsteingräbern sichtlich auf. Dem Bohemien würde diese Stelle bestimmt gut gefallen: unweit eines Wirtshauses, von dem man die Laute einer Ziehharmonika gut hören kann.

Und zum Abschluss unserer Sendung stellen wir die Hörerfrage:

Wann ist das erste Heft des Schwejk-Romans erschienen? Ich wiederhole die Frage: Wann ist die erste Ausgabe des Schwejk-Romans erschienen?

Die richtige Antwort auf unsere letzte Quizfrage lautet: Der tschechische Dichter und Nobelpreisträger Jaroslav Seifert ist im Jahre 1986 gestorben. Einige von Ihnen haben uns sogar das genaue Datum, den 10. Januar 1986, geschrieben. Unter den richtigen Antworten haben wir eine ausgelost, deren Absender ein Buch der tschechischen Schriftstellerin deutscher Herkunft Lenka Reinerova als Geschenk erhält, und zwar "Das Traumcafe einer Pragerin". Der glückliche Hörer ist:

Egon Schwendner aus Wernberg-Köblitz

Wir gratulieren dem Gewinner und freuen uns auch weiterhin auf ihre zahlreiche Post, liebe Hörerinnen und Hörer. Unsere Adresse ist: Radio Prag, Vinohradska 12, 120 99 Prag 2. Per E-mail können Sie uns schreiben an: [email protected].

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Sendung angelangt. Am Mikrophon verabschieden sich: Lucie Drahonovska und Markéta Maurová.

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