Litomysl ist "Historische Stadt des Jahres 2000"

Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, beim Kulturspiegel von Radio Prag. Viele Burgen, Schlösser und historische Denkmäler haben an diesem Wochenende kostenlos ihre Tore für die Besucher geöffnet. Viele davon haben sogar ein reiches Kulturprogramm vorbereitet - historisches Gefecht, alte Musik, alte Tänze in historischen Kostümen und ähnliche Veranstaltungen. Warum das alles? Nun, man hat nämlich in dieser Woche weltweit den "Internationalen Tag der historischen Denkmäler und Siedlungen" gefeiert. Was mit diesem Tag in Tschechien verbunden wird, davon wollen wir nun erzählen. Gute Unterhaltung wünschen Olaf Barth und Marketa Maurova.

Seit dem Jahr 1983 wird der 18. April auf Grund einer UNESCO-Resolution weltweit als "Tag der historischen Denkmäler und Siedlungen" begangen. Die Tschechische Republik hat sich 1991 dieser Tradition angeschlossen. Zunächst wurden an diesem Tag vor allem Seminare für die Experten organisiert. Nach ein paar Jahren wurden die Veranstaltungen erweitert und für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit 1995 ist der 18. April auch mit einer feierlichen Veranstaltung eng verbunden. Im Kulturministerium wurde das Programm zur Regeneration von denkmalgeschützten Städten und Stadtschutzzonen ins Leben gerufen und man entschloss sich, die erfolgreichsten Städte, die sich an diesem Programm beteiligen, alljährlich am Denkmal-Tag auszuzeichnen.

Auch in diesem Jahr haben sich Denkmalpflege-Experten, Repräsentanten historischer Städte und Gemeinden sowie Politiker im Spanischen Saal auf der Prager Burg anlässlich einer feierlichen Preisverleihung versammelt. Die größte Spannung erlebten dabei natürlich die Bürgermeister der vier nominierten Städte: Ceska Kamenice, Litomysl, Loket und Prachatice.

Der Titel "Historische Stadt des Jahres 2000" ging letztendlich an Litomysl, das zum Träger des "Preises für die beste Vorbereitung und Realisation des Regenerationsprogramms der städtischen Denkmalschutzgebiete und -zonen" wurde. Der erfreute Bürgermeister, Miroslav Brydl, erinnerte in einer ersten Reaktion auf die Auszeichnung u.a. daran, dass der erste Träger des Preises im Jahre 1995 die nahe, ostböhmische Stadt Svitavy war.

"Ich möchte eine geschichtliche Parallele nennen. Jede Stadt hat einige mehr und einige weiniger berühmten Perioden in ihrer Geschichte. Im Jahre 1848 zog eine Legion aus Litomysl nach Prag, um der Hauptstadt im revolutionären Kampf zu helfen. Sie wurden in Prag versprengt und endeten sehr schlecht. Heute sind wir nach Prag gezogen und haben gewonnen. ... Und noch eine Sache ist uns gelungen. Wir sind nun besser als Svitavy. Diese Stadt war zwar die erste, die den Titel "Historische Stadt Tschechiens" trug, aber sie hat kein Schloss, wie wir es haben, das in der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen ist. Wir haben daher Svitavy eingeholt und überholt."

Sehr viel wurde während der feierlichen Versammlung über die Konzeption der Denkmalpflege gesprochen. Hervorgehoben wurde dabei vor allem die bedeutende Rolle der Landkreise, die auf Grund der Verwaltungsreform im letzen Jahr entstanden. Miroslav Brydl sprach sich für eine Reform des Städte-Renovierungsprogramms aus:

"Die Reform sollte meiner Meinung nach darin bestehen, dass sich auch die Landkreise daran beteiligen. Wir müssen aber auch die Funktion der Objekte betonen, um die wir uns kümmern. Es sind nicht nur Fassaden, Decken und Dächer, sondern wir bemühen uns, auch deren Funktion, deren Leben zu erhalten. Manchmal streiten wir uns mit den Denkmalschutzexperten - und ich streite mich oft, das muss ich einräumen - aber es ist zu Gunsten einer guten Sache."

Litomysl ist im Bereich des Denkmalschutzes kein Anfänger und von der Renovierung dieser ostböhmischen historischen Stadt hat man in den letzen Jahren bereits viel Schönes und Positives gesagt. Der historische Stadtkern wurde bereits 1965 zum städtischen Denkmalschutzgebiet erklärt. Man sorgte für die Renaissance- und Barockhäuser auf dem länglichen Hauptplatz und renovierte auch das Schloss, das 1999 sogar in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen wurde. Was blieb noch zu tun? In diesem Jahr wurde vor allem die Restaurierung der Klostergärten in Litomysl ausgezeichnet, die im letzten Jahr erfolgte. Mehr als 50 Jahre lang blieben sie geschlossen und verwüsteten, bis sich die Stadt vorgenommen hat, die Gärten wieder schön und zugänglich zu machen.

Man dachte, Litomysl habe zu wenig Grünanlagen, die der Öffentlichkeit dienten. Und so entschloss sich die Stadt, den Umbau durchzuführen, obwohl die Gärten mehreren verschiedenen Besitzern gehörten. Im September letzten Jahres, zum Anlass der Tage des Europäischen Kulturerbes, fand die feierliche Eröffnung statt, bei der auch ein junges Ehepaar unkonventionell vermählt wurde. In der Stadt entstand eine grüne Oase mit mehr als 100 Bänken, einer Wasserfläche und Statuen von Olbram Zoubek. Schon bei der Eröffnung im letzten Jahr äußerte man den Wunsch, auch verschiedene Kulturveranstaltungen dort zu organisieren. Dafür sorgt u.a. das traditionsreiche Opern- und Musikfestival "Smetanas Litomysl". Sein künstlerischer Direktor Vojtech Stritesky spricht über ein Konzert, das im diesjährigen Programm steht:

"In Litomysl steht das riesige, herrliche Piaristenkloster "Zum Heiligen Kreuz", das bisher nur von außen renoviert wurde. Die Innenräume befinden sich in einem erbärmlichen Zustand. Es ist seit etwa 30 Jahren geschlossen und entweiht. Und in diesem Raum, der von sich selbst zum Nachsinnen und zur Gewissenserforschung auffordert, erklingen kurz vor Mitternacht klare Kinderstimmen. Der Kühn-Kinder-Chor wird einen Ausschnitt aus der sakralen vokalen Musik singen, vom gregorianischen Choral bis zu den gegenwärtigen Kompositionen. Und das ganze Konzert wird in den Klostergärten seinen Höhepunkt erreichen, in die wir dann nach Mitternacht gehen werden."

Das Konzert in den Klostergärten von Litomysl wird im Juni stattfinden. Schon an diesem Wochenende herrscht jedoch nicht nur in Litomysl, sondern auch in anderen historischen Städten und Objekten ein reger Betrieb. Feiert man doch den "Internationalen Tag der historischen Denkmäler und Siedlungen". Worin sieht Kulturminister Pavel Dostal den Sinn dieser Festlichkeiten?

"Es handelt sich um sehr wichtige Feierlichkeiten, sowohl aus kultureller als auch aus gesellschaftlicher Hinsicht. Ihr Ziel ist es u.a., daran zu erinnern und neu und realistisch in Betracht zu ziehen, wie wir es nicht nur in unseren Worten, sondern auch in der Praxis schaffen, unser Kulturerbe zu schützen und für künftige Generationen zu erhalten. Genauso wie in den vergangenen Jahren, schließen sich auch diesmal alle staatlichen Institute für Denkmalpflege den Feierlichkeiten an. Sie ermöglichten den Besuchern, die tschechischen Burgen und Schlösser preisgünstiger oder ganz kostenlos zu besichtigen. Besonders herzlich willkommen sind dabei Jugend- und Seniorengruppen."

Autoren: Olaf Barth , Marketa Maurova
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