Logistikriese DHL verlegt europäisches Informatik-Center nach Prag

Foto: www.dhl.cz

Zu Land, zu Wasser und in der Luft - rund um den Globus befördert DHL Dokumente, Pakete und Waren. Jetzt hat der Expressriese beschlossen, sein europäisches Service-Center für Informationstechnologien von London nach Prag zu verlegen. Das bedeutet laut DHL in den kommenden fünf Jahren rund 500 Millionen Euro Investitionen in Tschechien und rund 1000 neue Arbeitsplätze. Mehr über die Pläne des Unternehmens, das seit vergangenem Jahr zu 100 Prozent der Deutschen Post gehört, von Sybille Korte.

Acht Monate dauerten die Verhandlungen zwischen DHL und CzechInvest, der staatlichen tschechischen Agentur für Investitionsförderung. Dann endlich war es so weit: DHL, eines der größten Logistikunternehmen der Welt, hat sich im September für Prag entschieden. In Prag-Chodov soll das neue europäische DHL-Service-Center für Informationstechnologien entstehen, seine neue Computerzentrale für Europa. Die braucht die Tochter der Deutschen Post, weil sie durch Fusionen erheblich gewachsen ist, erläutert DHL-Programmdirektor Alexander Pilar. Er ist für den Aufbau des Zentrums verantwortlich:

"Sie wissen vielleicht, dass die Deutsche Post World Net unter dem Logo DHL eine Reihe großer Gesellschaften wie Danzas, Euro Express und DHL zusammenfasst. In Europa wird die neue Organisation eine Größenordnung von zwölf bis 14 Milliarden Euro Umsatz umfassen. Unsere bisherige Infrastruktur für Informationstechnologie, die wir in den alten Gesellschaften haben, kann diesen Umfang und dieses Volumen von Aktivitäten nicht bewältigen. Wir bauen deshalb das neue gemeinsame Informatik-Service-Center auf. Es wird in der Lage sein, alle Geschäftsaktivitäten voll zu unterstützen: Angefangen vom truck-and-trace für den Frachtverkehr über die Rechnungsschreibung bis hin zum Kundendienst werden alle Tätigkeiten, die Support durch Informationstechnologie brauchen, von hier aus unterstützt."

DHL beschäftigt heute fast 170 000 Menschen in 228 Ländern. Auch die Nummer eins auf dem Weltmarkt für Luftfracht, Danzas, gehört seit April dazu. Das Unternehmen ist in hohem Maß auf elektronische Datenverarbeitung angewiesen. Die Kunden wollen jederzeit wissen, wo sich ihre Sendungen oder Frachten gerade befinden, auch wenn es am anderen Ende der Welt sein sollte. Jeden Tag bearbeitet DHL weltweit sechs Millionen Aufträge und nimmt 43 Millionen Überprüfungen vor. Täglich fliegen 250 DHL-Flugzeuge auf rund 670 regulären Linien, mehr als 1600 weitere Flüge werden gechartert, so der DHL-Direktor für Informationstechnologie, Stephen McGuckin, kürzlich in der tschechischen Wirtschaftzeitung "Hospodarske Noviny". Dass alles wie am Schnürchen läuft, dafür sorgen bisher schon zwei global arbeitende Informatik-Zentren des Unternehmens. Das eine befindet sich in Kuala Lumpur in Malaysia, das andere in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona. In Prag soll nun das dritte globale EDV-Service-Center entstehen. Zur Diskussion standen anfangs 46 verschiedene Standorte in Europa. Auch ein Ausbau der bisherigen europäischen DHL-Computerzentrale in London wurde erwogen. Alexander Pilar erläutert, was den Ausschlag für Prag gegeben hat.

"Unsere Gründe, hierher zu kommen sind: Erstens die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, die in Informatik ausgebildet sind. Dann ist die Infrastruktur für Informationstechnologie wirklich gut. Außerdem waren die Kosten für uns wichtig. Und wir fanden, dass das Umfeld für uns strategisch günstig ist. Schließlich empfinden wir das Investitionsklima hier als hilfreich."

Die staatliche Agentur CzechInvest, die im Ausland für den Wirtschaftsstandort Tschechien wirbt und Investoren unterstützt, sagte DHL Hilfen und finanzielle Vergünstigungen zu. Aber wichtiger noch seien die strategischen Überlegungen gewesen, betont Alexander Pilar. Fachkräfte für Informationstechnologie verdienen in Tschechien deutlich weniger als in Westeuropa. Dadurch kann das Unternehmen bei den Lohnkosten sparen. Und das wird auch nach dem EU-Beitritt des Landes im Mai noch eine ganze Weile so bleiben, glauben die Verantwortlichen bei DHL.

"Wir haben die Frage, wie lange wir diesen Vorteil behalten und wie die Gehälter steigen werden, natürlich sehr oft diskutiert. Beim Vergleich der Einkommen in Europa zeigen unsere Zahlen, dass das durchschnittliche Einkommen in Prag in den Informatik-Berufen rund 30 Prozent dessen beträgt, was wir in Großbritannien zahlen müssten. Wenn die Gehälter hier jedes Jahr um zehn Prozent stiegen - was sehr unrealistisch ist - dann lägen sie in zehn Jahren immer noch bei der Hälfte der britischen. Ich denke deshalb, dieser Vorteil bei den Arbeitskosten dauert nicht ewig, aber eine lange Zeit."

DHL ist bereits seit 1986 in Tschechien aktiv. Über einen hiesigen Spediteur arbeitete das Unternehmen schon zu kommunistischen Zeiten als erster Expresszusteller in der Tschechoslowakei. Die erste eigene DHL-Niederlassung wurde 1991 eröffnet. Heute verfügt das Unternehmen in Tschechien über ein Netz von Niederlassungen und Expresszentren mit über 1700 Mitarbeitern. Das neue EDV-Service-Zentrum wird allerdings unabhängig davon funktionieren. Bis Mai sollen die Räumlichkeiten in Prag fertig sein, Ende nächsten Jahres werden dort nach Alexander Pilars Planungen bereits 400 bis 450 Angestellte arbeiten, in drei Jahren sollen es rund 1000 sein. Die Mitarbeiterrekrutierung hat bereits begonnen. Gesucht werden vor allem Fachkräfte, qualifizierte Leute.

"Wir gehen davon aus, dass rund 85 Prozent der Angestellten Hochschulabsolventen sein werden. Alle Studien und Zahlen, die wir haben, zeigen, dass es Kapazitäten auf dem Arbeitsmarkt gibt. Wir werden natürlich auch unsere Manager und Fähigkeiten von anderen Standorten einbringen. Wir planen, für das nächste Jahr 60 bis 70 Ausländer hierher zu holen. Sie werden länger bleiben. An jedem Standort haben wir einen gewissen Anteil von Expatriates. Das ist notwendig, um das globale Denken zu behalten und zu entwickeln."

Schon hat eine erste Job-Börse stattgefunden. Partneragenturen von DHL haben bereits die Bewerbungen von rund 1200 Kandidaten durchgesehen. Das Angebot auf dem tschechischen Arbeitsmarkt entspricht den Erwartungen von DHL, versichert Programmdirektor Alexander Pilar. Doch das muss nicht so bleiben, befürchtet er. Deshalb - wenn Alexander Pilar einen Wunsch äußern sollte, was für Investoren in Tschechien noch zu verbessern wäre, dann diesen:

"Was wir gerne sehen würden, betrifft die Universitäten und ihre langfristige Finanzierung. Denn wir glauben, dass die Universitäten zu wenig Geld bekommen, was zum Problem werden kann. Es ist kein aktuelles Problem, kein mittelfristiges Problem, aber es kann sicherlich langfristig eines werden. Wir sähen es deshalb gerne, wenn die Regierung die Universitäten mehr unterstützen würde und die Leute mehr Hilfe bekämen, dort zu bleiben. Denn wir sehen zu viele gute Leute die Universitäten verlassen. Wir brauchen hochqualifizierte und ausgebildete Leute."

Auch DHL hat umfangreiche Trainingsprogramme vorgesehen. Doch mehr staatliche Gelder für Hochschulen und Universitäten, das ist eine Investition des Landes in seine Zukunft.