Marionetten-Star Hurvínek feiert 85. Geburtstag

Kurze Hose mit Hosenträgern, hervorstehende Augen, riesengroße Ohren und Holzschuhe - diese Beschreibung passt nur auf die Gestalt von Hurvinek. Kaum zu glauben, dass diese beliebte tschechische Marionette in diesem Jahr schon ihren 85. Geburtstag gefeiert hat.

Die komischen Gespräche zwischen dem Vater Spejbl und seinem Sohn Hurvinek repräsentieren die gegensätzlichen Auffassungen zweier Generationen. Von Anfang an wurden sie von ein und demselben Schauspieler gesprochen, der die tiefe Stimme Spejbls mit der kindlichen Fistelstimme Hurvineks abwechselt. Der Gründer dieser Tradition, Josef Skupa, gilt in Tschechien als Legende. Seine Witwe brachte 1963 den deutschen Zuhörern sein Werk näher:

"Vater Spejbl wurde 1920 in Pilsen geboren. Mit ihm erblickte eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Puppenwelt das Licht der Rampen. Doch bevor er geboren wurde, verursachte er seinem Schöpfer Josef Skupa recht viel Kopfzerbrechen. Als junger Absolvent der Kunstgewerbeschule wurde Josef Skupa 1917 Mitglied eines Pilsner Puppentheaters, das regelmäßig für Kinder und Erwachsene spielte, obgleich es sich um ein Amateurensemble handelte. Und so lernte Skupa den Großteil der tschechischen Puppenspieler kennen. Er kam auf die Idee, eine Puppe zu schaffen, die keinen Stand lächerlich machen würde, eine Figur unserer modernen Zeit. So entstand Spejbl.

Spejbl war jedoch allein, die Notwendigkeit eines Dialogpartners lag auf der Hand. Und das ergab wiederum viel Kopfzerbrechen. Bis Anfang Mai 1926 etwas Besonderes geschah: Ein Mitglied des Theaters, der Holzschnitzer Gustav Nosek, überreichte Skupa ein Päckchen. Als er es öffnete, erschien zuerst ein fast kahles Kinderköpfchen. Nur über der Stirne ein Haarschopf. Die Ohren waren riesengroß, und die hervorstehenden Augen ließen sich bewegen. Krumme Beinchen trugen das Körperchen, die Füße standen, wie die von Spejbl, in Holzpantoffeln. Das war ohne Zweifel der Nachkomme Spejbls. Hurvinek war auf der Welt.

Marionetten von Josef Skupa  (links: Hurvinek)
Die Zuschauer sahen an diesem Tag folgende Szene: Spejbl sucht den Sessel, auf dem er beim Coupletsingen zu sitzen pflegt. Er ruft in die Kulisse - und ein kleines Geschöpf, beinahe das getreue Abbild seines Vaters, trippelt auf die Bühne. Es schleppt den Sessel heran. Ein Moment Stille, und dann befreiendes Lachen und heftiger Applaus. Von diesem Tage an erklingt regelmäßig Hurvineks Stimmchen."

Das Theater spielte bis 1943 als Wanderbühne mit Sitz in Pilsen. Im Januar 1944 wurde Josef Skupa von der Gestapo verhaftet und wegen antinazistischer Tätigkeit verurteilt. Die Nazibehörden schlossen sein Theater. Im Februar 1945 gelang Skupa die Flucht aus dem brennenden Gefängnis in Dresden, und im Oktober 1945 eröffnete er eine ständige Bühne in Prag. Bald danach ernannte Skupa in einer öffentlichen Erklärung seinen Nachfolger: Milos Kirschner. Das bedeutete in der Geschichte des Theaters eine Wende, erklärt seine heutige Leiterin Helena Stachova:

"Kirschner war ein Intellektueller. Er studierte Jura, aber kurz vor dem Abschluss wurde er wegen staatsfeindlicher Tätigkeit aus der Universität ausgeschlossen und zu einer Haftstrafe verurteilt. Das geschah Anfang der 50er Jahre, zur Zeit der kommunistischen Repressalien. Danach konnte er keine Arbeit finden. Aber Josef Skupa kannte Kirschner schon von früher und nahm ihn mit in sein Theater. Da mit Kirschner auch andere neue Leute kamen, hat sich nach Skupas Tod der Spielplan geändert. Statt einer Beziehung der ewigen Wirrköpfe trat nun ein Generationsstreit zwischen Vater und Sohn ein."

Milos Kirschner spielte Spejbl und Hurvinek 44 Jahre lang, auch in fremden Sprachen. Er besuchte insgesamt 30 Länder in aller Welt. In Japan bekam er einen Verdienstpreis für die Entwicklung des Marionettentheaters, in den Vereinigten Staaten wurde er zum Ehrenmitglied des Verbandes der amerikanischen Puppenspieler. Sein Name ist auch im Weltlexikon Who is Who zu finden.


Na Hurvajs, wo steckst du?

Ich komm schon, Vatilein.

Komm schon, komm schon - das dauert aber! Du schleppst dich wie ein Abgeordneter ins Parlament.

Wenn ich gehe, schaue ich wohin ich trete, damit ich in Nichts trete!

Na komm! Du brauchst Belehrung durch das Leben selbst!

A je je!

Sie dich aufmerksam um!

Da würde ich was sehen!

Himmel, diese junge Generation! Wie hätte sie es doch leichter, würde sie sich von uns Alten belehren lassen!

Vati, ich habe allerdings gehört, dass blindes Übernehmen der Erfahrungen der früheren Generation zu Degeneration führt!


Nun werden Spejbl und Hurvinek schon vom dritten Darsteller gespielt, und zwar von Martin Klasek. Gemeinsam mit Helena Stachova gestaltet er die gegenwärtige Dramaturgie des Theaters. Man kann da zwei Linien beobachten: Neben den lehrreichen Komödien und dramatischen Begebenheiten aus unterschiedlichster Umgebung bietet das Theater für Kinder und Erwachsene auch eine ganze Palette von Grotesken, Solopantomimen, Musikstücken und szenischen Dialogen. Diese werden vor allem im Ausland gespielt.

Dabei kommt es auch darauf an, was die Zuchauer in den verschiedenen Ländern mögen: Während in Deutschland meist die politische Satire geschätzt werden soll, erwartet man im Süden Europas vor allem großartiges Gelächter.


Dieser Beitrag wurde am 7. Mai 2006 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.

Autor: Jakub Šiška
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