Migration und Arbeit im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt

Foto: Europäische Kommission

Migration und Arbeit. Themen, die momentan wieder Hochkonjunktur haben, denn, wie wir bereits an anderer, kürzerer Stelle berichteten, hat Tschechien jetzt auch die Green Card. Eingeführt, um dem für das Jahr 2003 prognostizierten Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Tschechien entgegen zu wirken, halten "die Lizenz zum Arbeiten" inzwischen 75 ausländische Mitbürger in ihren Händen. Und wer sich bewährt und sich integriert, bekommt schon nach zweieinhalb Jahren auch die "Lizenz zum Dableiben". Ein Pilotprojekt, dessen Erfolg noch abzuwarten ist. Ebenso abzuwarten bleibt, wie sich der EU-Beitritt des Landes auf die Migration und den Arbeitsmarkt auswirken wird. Auf einer internationalen Konferenz zu diesem Thema, die kürzlich in Prag abgehalten wurde, hat Katrin Sliva sich erkundigt, welche Sorgen, Chancen und Nöte die Experten hinsichtlich dieser Seite der EU-Medaille erwarten:

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Wie attraktiv ist unser Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitnehmer, wie gelingt es uns diejenigen ins Land zu holen, die wir brauchen und uns gleichzeitig vor "den anderen" zu schützen. Wie stark darf die Zuwanderung sein? Was können wir unternehmen, um unsere ausländischen Mitbürger zu integrieren? Wie können wir Arbeitslosigkeit bekämpfen? Diese Fragen stellt (Fach)man(n)/frau sich nicht nur in der Tschechischen Republik. Deshalb wurde die Konferenz auch mit ausländischer Beteilung veranstaltet. Frau Gabriele Erpenbeck ist Ausländerbeauftragte des Bundeslandes Niedersachsen. Sie habe ich gefragt, welche Unterschiede sie in der Zuwanderungspolitik Tschechiens im Vergleich zu der in Deutschland sieht:

Bis zur Erweiterung der Europäischen Union sind es nur noch wenige Monate. Dann werden der tschechische und der deutsche Arbeitsmarkt noch näher rücken und möglicherweise in Konkurrenz zueinander treten. Bringt das Gefahren mit sich? Frau Gabriele Erpenbek sieht der neuen Situation gelassen entgegen:

Milada Horakova vom tschechischen Forschungsinstitut für Arbeit und Soziales zeigt Verständnis für die Befürchtungen der Deutschen:

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"Natürlich hat die deutsche Seite Ängste und die sind nachvollziehbar. Man muss sich vor Augen führen, dass die Freuzügigkeit der Arbeitnehmer deshalb gut ist, weil sie die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt fördert. Nicht immer ist dies aber von allen Seiten gewünscht. Die Gewerkschaften in Deutschland befürchten beispielsweise, dass ein möglicher Ansturm von tschechischen Arbeitnehmern auf deutsche Arbeitsplätze es ihnen unmöglich machen würde, Lohnerhöhungen für die deutschen Arbeitnehmer einzufordern. Auf der anderen Seite würden die Arbeitgeber sich natürlich darüber freuen, weniger Ausgaben zu haben. Die richtige Balance zu finden, also zu entscheiden, wann ein Schritt notwendig ist, und wann er zu einer Farce wird, weil der Lohn auf das Niveau von Sozialhilfebeiträgen runtergedrückt wird, ist entscheidend und recht schwierig. Es ist also schwer vorauszusehen, wie sich die Dinge entwickeln werden."

Fest steht, dass deutsche Arbeitnehmer noch eine Schonfrist bekommen, in der sie ihre tschechischen Konkurrenten nicht fürchten müssen. Die so genannte Übergangsfrist für die Freizügigkeit der Bürger beträgt 7 Jahre. Die Regierungen Deutschlands und Österreichs hatten auf dieser Regelung bestanden. Allerdings muss diese Zeitspanne nicht voll ausgeschöpft werden. Im Falle, dass sich Deutschlands Wirtschaft bereits vor Ablauf dieser Frist erholt, könnten die Arbeitskräfte aus dem Böhmischen und Mährischen sogar zu sehr gern gesehenen "Gästen" werden.

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Wie Frau Milada Horakova vom Forschungsinstitut für Arbeit und Soziales die Auswirkungen der EU-Erweiterung auf den tschechischen Arbeitsmarkt einschätzt? Hören Sie selbst:

"In erster Linie wird sich natürlich der Raum, in dem wir leben, öffnen. Deshalb lässt sich auch nicht ausschließen, dass die Migration zahlenmäßig steigen wird. Auch von Seiten der bisherigen Mitgliedskandidaten, obgleich die Arbeitplätze hinsichtlich des Lohnniveaus bei uns weniger attraktiv sind als in der heutigen EU. Aber ausländische Unternehmen werden sich bei uns niederlassen und werden ihre Angestellten mitbringen. Folglich können wir heute nur schwer einschätzen, wie stark diese Form der Migration werden wird. Hinzu kommt die traditionell starke Migration aus der Slowakei und aus Polen. Wobei die in den letzten Monaten etwas gesunken ist. Für mich bleibt diese Frage offen. Wenn ich für mich sprechen soll, muss ich zugeben: Ich weiß es nicht."

Auch vor Ablauf der 7-Jahresfrist werden Tschechen in Deutschland arbeiten können, allerdings nicht als Angestellte, sondern in Form von selbstständiger Arbeit im Dienstleistungsbereich.