Milan Baros: Einst gefeierter Star, heute Skandalnudel, und morgen?

Milan Baros (Foto: David Kalvas, CRo)

Die Fußballfans unter Ihnen erinnern sich vielleicht noch. Bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal stehen sich in ihrem letzten Gruppenspiel Tschechien und Deutschland gegenüber. Tschechien, nach zwei Siegen bereits für das Viertelfinale qualifiziert, tritt mit seiner zweiten Garnitur an – die DFB-Elf, noch ohne Sieg, muss gewinnen, um auch dorthin zu kommen.

Milan Baros  (Foto: David Kalvas,  CRo)
Die Fußballfans unter Ihnen erinnern sich vielleicht noch. Bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal stehen sich in ihrem letzten Gruppenspiel Tschechien und Deutschland gegenüber. Tschechien, nach zwei Siegen bereits für das Viertelfinale qualifiziert, tritt mit seiner zweiten Garnitur an – die DFB-Elf, noch ohne Sieg, muss gewinnen, um auch dorthin zu kommen. Beim Stand von 1:1 wechselt Tschechiens Trainerfuchs Karel Brückner einen 22-Jährigen ein, der Deutschland nach Hause schickt. Nahe der der Mittellinie schnappt sich dieser Milan Baros das Leder, spielt die deutsche Abwehr schwindlig, verlädt Torwart Oliver Kahn und schießt zum 2:1-Endstand ein. Die Tschechen spielen Klasse-Fußball und Baros wird ihr neuer Star. Mit fünf Treffern wird er Torschützenkönig der EM und die Welt liegt ihm zu Füßen.

Heute, dreieinhalb Jahre nach dem Hype um Baros, ist aus dem gefeierten Star von damals die Skandalnudel des tschechischen Fußballs geworden. Statt Toren und Siegen von und mit Baros produzierte das Bübchen aus Vigantice immer neue Schlagzeilen für die Yellow Press. Man erfuhr von Saufgelagen mit obszönen Posen, weil so genannte Freunde die Fotos davon an Boulevardblätter verkauften. Man las über Streitigkeiten mit dem Kapitän seines Ex-Clubs FC Liverpool, sah via TV eine unschöne Geste gegenüber einem dunkelhäutigen Kontrahenten, die ihm als rassistisch ausgelegt wurde, und musste erfahren, wie der gut Betuchte kräftig Gas gibt auf dem Asphalt anstatt auf dem Trainingsplatz. In seinem Porsche wurde Baros auf Frankreichs Autobahn mit 271 km/h geblitzt, wo nur 130 Stundenkilometer erlaubt sind. In die Stammelf eines seiner Profiteams schafft es der heute 26-Jährige aber schon längst nicht mehr. Egal ob Liverpool, Aston Villa oder Olympique Lyon – überall sind ihm sein Enthusiasmus und der Hunger auf Erfolg abhanden gekommen. Stattdessen lässt er sich zuweilen auch von der Politik vor den Karren spannen. Im tschechischen Wahlkampf 2006 machte Baros Werbung für die jetzige Regierungspartei ODS – mit Aussicht auf ein fettes Salär für ein Fußballprojekt in seinem Heimatort Vigantice. Deshalb gerieten später sogar Premier Topolanek und Ex-Finanzminister Tlusty aneinander.

Nationaltrainer Karel Brückner  (Foto: Ondřej Prokop / ČRo)
Geblieben sind Baros nur wenige, an die er sich lehnen kann. Einer von ihnen ist Nationaltrainer Brückner. Denn der 68-jährige Fußball-Lehrer hält weiter an ihm fest, obwohl Baros kaum Spielpraxis hat. Ein Strohhalm also, an den sich der einst hoch Gelobte, dann aber tief Gefallene noch klammern kann. Und an den Rettungsring, den ihn seine Auswahlkollegen zugeworfen haben. Beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei in Prag haben ihm Rosický & Co. immer wieder Mut gemacht. Doch schwimmen muss Baros nun alleine. Und den Kopf wieder frei kriegen für das Wesentliche. Nur so kann er dem Sog entkommen, der ihn nach unten reißt, um dann zu neuen Ufern aufzubrechen. Ansonsten wäre er nicht der Erste, der den frühen Ruhm nicht verkraftet hat und aufgrund von falscher Selbsteinschätzung förmlich untergegangen ist.

Autor: Lothar Martin
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