Fußball-Liga beendet ungewöhnliche Saison bis auf die Abstiegsrunde

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Seit Mittwochabend sind in der höchsten tschechischen Fußball-Spielklasse, der Fortuna Liga, so gut wie alle Messen gelesen. Meister, Vizemeister, Pokalsieger und zwei von drei Europa-League-Qualifikanten stehen fest, nur die Abstiegsfrage ist noch nicht geklärt. Letzteres ist schlussendlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sie hat die aktuelle Meisterschaftssaison vor ganz neue Herausforderungen gestellt.

Auf-und Absteiger sollen bis Anfang August ermittelt werden

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Es hätte ein so schönes Happyend werden können: Nach der deutschen Bundesliga wollte auch die tschechische Fortuna Liga am Mittwoch als eine der ersten Top-Spielklassen in Europa ihre durch die Corona-Pandemie merklich beeinträchtigte Saison beenden. In der Meisterrunde, die von den Teams auf den Plätzen eins bis sechs der Hauptrunde ausgespielt wurde, und in den K.o.-Spielen des Siebten bis Zehnten um die Qualifikation zur Europa League, ist dies auch einwandfrei gelungen. Die Abstiegsrunde aber konnte bis dato nicht zu Ende gespielt werden – weil das Coronavirus erneut zuschlug. Vor dem vierten und vorletzten Spieltag der Runde sind drei Aktive und ein Angestellter des Vereins MFK Karviná positiv auf den Covid-19-Erreger getestet worden. Daraufhin hat das Gesundheitsamt des Kreises Mährisch-Schlesien die komplette Mannschaft des Tabellen-Vierzehnten in eine zweiwöchige Quarantäne geschickt. Um die Chancengleichheit zu wahren, wurden die beiden übrigen Spieltage vorerst ausgesetzt. Doch was nun? Warten, bis sich die Lage in Karviná / Karwin entspannt hat? Oder die Runde frühzeitig abbrechen? Am Dienstag tagte dazu das Gremium des Liga-Verbandes (LFA). Danach verkündete Verbandschef Dušan Svoboda:

Dušan Svoboda  (Foto: Tschechisches Fernsehen)

„Die Meinung des Liga-Ausschusses ist einmütig: Wir müssen alles dafür tun, dass die laufende Saison komplett zu Ende gespielt wird.“

Und das heißt nichts anderes, als dass die Entscheidung über den Auf- und Abstieg zwischen der ersten und zweiten Liga auf dem grünen Rasen fallen soll. Nach dem Ende der Quarantäne bekommt das Team von Karviná noch eine Woche Zeit, um wieder in Form zu kommen – vorausgesetzt, die Ansteckung mit dem Virus ist nicht mehr relevant. Die beiden letzten Spieltage der Abstiegsrunde sollen dann am 23. und 26. Juli ausgetragen werden. Danach stünde fest, welches Team als Tabellenletzter direkt in die zweite Liga absteigt und welche zwei Mannschaften sich unmittelbar davor platzieren. Denn diese beiden müssen dann noch eine Relegation mit Hin- und Rückspiel gegen den Zweiten beziehungsweise Dritten des Unterhauses bestreiten. Und diese Partien sollen am 29. Juli und am 1. August stattfinden. Der Erstplatzierte der zweiten Liga aber darf direkt aufsteigen. Zwei Spieltage vor Schluss hat der FK Pardubice dazu die besten Karten, denn er führt die Tabelle mit vier Punkten Vorsprung auf Zbrojovka Brünn an. Der Sportdirektor des Vereins, Vít Zavřel, ist daher froh über die Entscheidung des Liga-Ausschusses:

Vít Zavřel  (Foto: Tschechisches Fernsehen)

„Ich denke, das ist die richtige Entscheidung, auch wenn sich der Abschluss der Saison dadurch noch etwas hinzieht. Doch bereits vor dem Re-Start nach der Corona-bedingten Unterbrechung wurde die Möglichkeit miteinbezogen, dass die letzten Begegnungen erst Ende Juli ausgetragen werden.“

Ganz anders aber denkt man bei den Teams im Tabellenkeller. Von den sechs Mannschaften der Abstiegsrunde müssen noch drei um den Ligaverbleib zittern: Karviná, Opava / Troppau und Příbram / Böhmisch-Freiberg. Der Präsident des Tabellenletzten aus Příbram ist Jaroslav Starka, und der Beschluss des Verbandsgremiums gefällt ihm überhaupt nicht:

Jaroslav Starka  (Foto: Tschechisches Fernsehen)

„Eine Saison bis an die Grenze des Erträglichen auszudehnen, das geht gar nicht. Aus sportlicher Sicht kann ich das überhaupt nicht verstehen, denn die neue Saison soll schon am 30. August beginnen. Das heißt, die Spieler, die solange im Einsatz sind, werden weder einen angemessenen Urlaub noch eine ordentliche Saison-Vorbereitung haben. Das ist eine Tragödie.“

Diese Sorgen teilen die anderen drei Mannschaften der Abstiegsrunde zwar ebenso, doch vor den beiden abschließenden Spieltagen haben sich Olomouc / Olmütz, Teplice und Zlín zumindest schon den Klassenerhalt gesichert. Sollte die Abstiegsrunde aber letztlich nicht zu Ende gebracht werden können, dann greift laut Ligaverband eine andere Regelung: In dem Fall steigt kein Team der höchsten Spielklasse ab, und aus der zweiten Liga steigt nur der Tabellenerste auf. Die nächste Saison in der Fortuna Liga würden folglich 17 Clubs bestreiten.

Slavia Prag erhält zum 20. Male den Meisterpokal

Slavia Prag erhält zum 20. Male den Meisterpokal  (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)

Über diese Möglichkeit denkt man in der Hauptstadt bei Meister Slavia Prag derzeit überhaupt nicht nach. Im Gegenteil, hier wird jetzt erst einmal kräftig gefeiert. Nach dem 0:0 im abschließenden Match gegen den lokalen Erzrivalen Sparta Prag nahmen die Rot-Weißen den Meisterpokal zum nunmehr 20. Mal entgegen, der diesjährige Titelgewinn war zugleich der dritte in den vergangenen vier Jahren. Und es war eine Meisterschaft mit vielen Ups and Downs, was vor allem durch die über zweimonatige Unterbrechung als Folge der Corona-Pandemie hervorgerufen wurde. Dass man trotz des Neun-Punkte-Vorsprungs auf Vizemeister Viktoria Pilsen letztlich bis zur letzten Sekunde um den erneuten Erfolg zittern musste, das hat auch bei Slavia-Torhüter Ondřej Kolář Spuren hinterlassen:

Ondřej Kolář  (Foto: Kirill Benediktow,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

„Die Befürchtungen waren groß, dass Corona die Saison noch vorzeitig beenden könnte. Denn es gab auch einige positiv auf das Virus getestete Spieler, drei in Karviná und je einer in unserem Team und in Mladá Boleslav. Deshalb ist bei mir mit dem Schlusspfiff des Schiedsrichters am Mittwochabend all diese Anspannung urplötzlich abgefallen. Ich war froh, dass die Saison auf dem Rasen beendet wurde. Den Titel schätze ich noch mehr als die vorherigen. Denn jeder weiß, welche Abgänge wir im Winter verkraften mussten und wie schwer es danach war, wieder in Tritt zu kommen.“

So wie Kolář denken auch seine Teamkollegen einschließlich Kapitän Jan Bořil. Er durfte nach der Partie den Pokal entgegennehmen – und dann begann auch schon die Meisterfeier bei Slavia. Jan Bořil:

„Wir werden das wirklich genießen: sowohl den Korso auf dem Autobus, als auch die Feiern außerhalb des Stadions. Sicher werden diese nicht nur ein paar Stunden dauern, sondern noch viel länger. Ich hoffe nur, dass alle den Feiermarathon durchhalten und dabei gesundbleiben.“

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Die erste kleinere Feier fand dann auch sogleich vor dem Stadion statt, wo jene Slavia-Fans auf ihre Mannschaft warteten, die nicht unter den erlaubten 4700 Zuschauern im Stadion sein konnten. Die Mannschaft fuhr tatsächlich auf dem Deck eines Busses durch das Fanspalier, und der Jubel war grenzenlos.

Neben Slavia Prag wird auch Viktoria Pilsen als Vizemeister an der Qualifikation zur Champions League teilnehmen. Die Westböhmen müssen dazu allerdings schon in der zweiten Vorrunde einsteigen, Slavia beginnt hingegen erst in der dritten Vorrunde. In der Qualifikation zur Europa League starten der Pokalsieger Sparta Prag und der FK Jablonec nad Nisou. Der dritte Teilnehmer wird in einer Relegation zwischen Liberec / Reichenberg und Mladá Boleslav / Jungbunzlau ermittelt.

Torschützenkönig der EM 2004 beendet aktive Laufbahn

Milan Baroš  (Foto: ČTK / Petr Sznapka)

Wenn eine Saison zu Ende geht, dann nehmen Jahr für Jahr auch immer wieder gestandene Fußballprofis Abschied vom aktiven Leistungssport. Und nicht selten sind auch ein paar sehr populäre Kicker darunter. Zu ihnen gehört hierzulande, aber auch europaweit, der ehemalige Angreifer der tschechischen Nationalmannschaft und des FC Liverpool Milan Baroš. Seine Profikarriere begann der einstige Vollblutstürmer 1998 beim FC Baník Ostrava, und dort hat er sie nun am vergangenen Sonntag auch beendet. Im letzten Saison-Heimspiel der Ostrauer gegen Vizemeister Viktoria Pilsen wurde der 38-Jährige in der 73. Minute eingewechselt. Da stand es noch 0:0. In der Nachspielzeit hatte Baroš tatsächlich noch das Siegtor auf dem Kopf – doch er köpfte nach einer Flanke von Martin Fillo knapp am Tor der Gäste vorbei.

Ein perfekter Abschluss seiner erfolgreichen Zeit als Fußballprofi blieb Baroš damit zwar verwehrt, doch nach dem Schlusspfiff wurde ihm erst einmal bewusst, welch tollen Lebensabschnitt er gerade abgeschlossen hat:

„Ich bin sehr stolz auf meine Karriere. Ich habe sie mit allen Fasern meines Körpers durchlebt, und ich habe auch einiges erreicht. Die Zeit lässt sich aber nicht aufhalten. Ich bin froh für alles, was ich in meiner Laufbahn erlebt habe. Mein Dank geht vor allem an alle Mitspieler und meine Eltern. Ansonsten weiß ich nicht, was ich noch sagen soll, denn der jetzige Moment ist für mich sehr bewegend.“

Pavel Nedvěd  (Foto: Ludovic Péron,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

Das war er auch deswegen, weil der Verein für ihn zum Abschied einige Überraschungen vorbereitet hat. Dazu gehörte ein Video mit etlichen Grußbotschaften einiger seiner ehemaligen Teamkollegen in der Nationalmannschaft und beim FC Liverpool. Es wurde vor dem Spiel auf der Leinwand im Stadion eingespielt. Landsmann Pavel Nedvěd, Europas Fußballer des Jahres 2003, sagte dabei:

„Ahoj Bary! Ich habe gehört, dass du deine aktive Laufbahn beendest. Ich will dich hiermit grüßen und dir gratulieren, denn du hast eine phantastische Karriere hingelegt. Du hast Außergewöhnliches geleistet, und es war super, mit dir zusammenzuspielen.“

Mit Nedvěd, Poborský, Koller, Rosický & Co. stand Baroš in der tschechischen Mannschaft, die 2004 bei der Europameisterschaft in Portugal begeisternden Fußball bot. Damals scheiterte sie trotz klarer Überlegenheit sehr unglücklich im Halbfinale an Griechenland durch das sogenannte Silver Goal des Gegners kurz vor Abpfiff der ersten Hälfte der Verlängerung. Am Ende gewann Tschechien Bronze, und die Griechen unter Trainer Otto Rehhagel holten sensationell den Titel.

Einer, der mit ihm in Portugal sowie eine Saison später auch im Dress des FC Liverpool zusammenspielte, war Sturmkollege Vladimír Šmicer. Unvergessen aus dieser Zeit mit den Reds bleibt der Gewinn der Champions League im Jahr 2005, wobei Liverpool das packende Finale gegen den AC Mailand in Istanbul nach einem 0:3-Rückstand noch im Elfmeterschießen gewann. Für Baroš und Šmicer war es der größte Erfolg auf Vereinsebene. Baroš kann zudem noch auf zwei französische Meistertitel mit Olympique Lyon, die türkische Meisterschaft mit Galatasaray Istanbul, den Gewinn des englischen Ligapokals mit dem FC Liverpool und auf den EM-Sieg mit der tschechischen U21-Auswahl 2002 in der Schweiz verweisen. Kumpel Šmicer ist aufgrund gesundheitlicher Probleme schon seit fast elf Jahren im fußballerischen Ruhestand. In seiner Videobotschaft grüßt er Baroš in lockerer Weise mit einem gefüllten Bierglas in der Hand:

Milan Baroš  (Foto: ČTK / Jaroslav Ožana)

„Ich hoffe, dass du nun auch ohne Fußball gut zurechtkommst. Das Leben als Fußballrentner ist aber gar nicht so schlecht. Von daher Bary: Ich trinke auf deine Karriere und auf dich als Mensch!“

Dieser und weitere Videogrüße, unter anderen vom ehemaligen Kapitän der Reds, Steven Gerrard, sowie Ex-Teamkollegen Dietmar Hamann, haben Baroš sehr berührt. Deswegen reagierte der zweitbeste Torschütze aller Zeiten in der tschechischen Nationalmannschaft zum Abschied mit diesen Worten:

„Das geht mir emotional sehr nahe. Ich sage ein riesiges Dankeschön an alle, die dieses Video zusammengestellt haben, und an meine Fans. Ich habe gehört, dass zu meinem Abschied etwas vorbereitet wird, doch das hier hätte ich nicht erwartet. Natürlich kenne ich meine ehemaligen Mitspieler sehr gut, ich habe mit ihnen viele schöne Zeiten erlebt. Ihre Grußbotschaft hat mich sehr gefreut, und ich danke ihnen dafür.“

Autor: Lothar Martin
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